Groß im Kleinen
Konventionelle Kleinstwagen wie der Kia Picanto gehören nicht zu den Gewinnern der Mobilitätswende. Dabei wäre in der Klasse der City-Flitzer unter 20.000 Euro so einiges zu holen. Und vielen Verbrauchern dürfte so ein günstiges Wägelchen vollauf genügen.
Nicht nur am oberen Ende der Modellpaletten, wo die großen Spritschlucker sitzen, sondern auch am unteren fordern die immer strengeren Emissionsgrenzwerte der EU ihre Opfer. Besonders das A-Segment, wo sich Kleinstwagen wie der Smart oder der Fiat 500 tummeln, sind vom Aussterben bedroht. Warum? Weil es sich für die Hersteller hier oft nicht lohnt, verbrauchssenkende Technologien oder gar Elektroantriebe zu verbauen. Diese sind naturgemäß sehr teuer und in den von Haus aus kostspieligeren Klassen somit deutlich besser zu „verstecken“.
Dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher aber gerade auf möglichst günstige Minis angewiesen sind, spielt in der politischen Willensbildung scheinbar keine große Rolle. Das Unter20.000-Euro-Segment dünnt sich folglich aus. Der Smart in seiner bekannten Form zum Beispiel ist Geschichte. Einer der wenigen Hersteller, der den Kleinsten noch treu bleibt, ist Kia. Zumindest haben die Koreaner ihren 3,60 Meter kurzen Picanto noch ins Modelljahr 2023 verlängert.
Er wirkt schon preislich aus der Zeit gefallen – 15.840 Euro für einen fünfsitzigen Fünftürer – wo gibt’s das noch? Wobei natürlich auch bei diesem Modell die höchsten Ausstattungsvarianten den größten Reiz versprühen. Zu empfehlen wäre also – wie eigentlich immer bei Kia – gleich die GT-line, die nicht nur Extras auf Oberklasse-Niveau mitbringt, sondern auch ein frecheres Design. Trotzdem bleibt der Preis unter der 20.000-Euro-Schallmauer.
Zur „Wahl“stehen ferner zwei Benziner, ein kleiner und ein ganz kleiner. Die 84-PS-Version des Saugers ist schon die stärkste; die Nulldiät-Option wären 67 PS. Note ausreichend, nicht mehr und nicht weniger für den 1.2-Liter-Sauger, schließlich wurde der Picanto ja nicht für die Autobahn, sondern für die Stadt geschaffen. Dort wuselt er einigermaßen flink durch jede noch so enge Gasse und erobert nahezu jede Parklücke.
Der Kultivierteste ist der Oldschool-Ottomotor nicht, aber er besitzt zumindest vier Zylinder und lässt sich real mit sechs Litern
Super befriedigen. Wer sich zwölfeinhalb Sekunden Zeit nimmt und das Motörchen bis an die Brüllgrenze hochdreht, der kann den Picanto auf Landstraßentempo bringen. Die direkte Lenkung, die Handschaltung und insbesondere das geringe Gewicht von nicht einmal einer Tonne lassen den Koreaner zumindest gut in der Hand liegen. Er fühlt sich schneller an, als er ist. Und wir hätten uns damit sogar über den Brenner getraut. Die Zielgruppe dürfte ohnehin andere Prioritäten setzen. Zum Beispiel
Platz. Da schafft der Picanto das Kunststück, innen größer als außen zu wirken. Vorne gibt es überhaupt nichts zu motzen und selbst in Reihe zwei ist das Angebot noch so passabel, dass selbst Erwachsene Platz nehmen können, zumindest für einen kurzen CityTrip. An Kofferraumvolumen stehen immerhin 255 Liter zur Verfügung. Zum Vergleich: Ein Smart Forfour hat 185 Liter. Und mit umgeklappter Rücksitzbank knackt der kleine Koreaner sogar die 1000-Liter-Marke.
Abseits seiner praktischen Qualitäten bietet der Picanto seinen Insassen durchaus einen gewissen Charme, zumindest in der GT-Variante. So werten die Sitze in Lederoptik mit roten Seitenwangen das Interieur auf, ebenso das beheizbare Sportlenkrad oder der „Theaterspiegel“mit LED-Beleuchtung in der Sonnenblende der Fahrerseite. Das frei stehende 8-Zoll-Display kommt in diesem Miniatur-Ambiente richtig groß rüber. Technisch ist der Picanto mit diversen Fahrassistenten,
Tempomat, Klimaautomatik, Smartphone-Ladeschale und Rückfahrkamera ohnehin bei der Musik. Und sogar einigermaßen auf laut macht er optisch: mit 16-Zöllern, dunkler Verglasung, rot akzentuierten Sportstoßfängern und Schwellern sowie dicken Auspuffblenden rechts und links.
Nein, ansehen tut man diesem Auto seinen günstigen Preis wirklich nicht. Und selbst in der Substanz ist der Kia Picanto alles andere als ein Billigheimer, zumal Kia wie üblich seine Sieben-Jahre-Garantie gibt. Wirklich schade, wären Autos wie diese tatsächlich dem Ende nah. Auch kleine Freuden dürfen nicht aussterben.
Kia Picanto 1.2 GT-line
• Hubraum 1197 ccm
• Leistung 62 kW/ 84 PS
• 0-100 km/h 12,5 Sek.
• Spitze 173 km/h
• L/B/H 3,60/1,60/1,49
• Kofferraum 255 - 1010 Liter
• Leergewicht/Zuladung 983/432 kg • Normverbrauch 5,6 Liter Super
• CO²-Emissionen 127 g/km
• Preis 18.930 Euro