Neu-Ulmer Zeitung

Groß im Kleinen

Konvention­elle Kleinstwag­en wie der Kia Picanto gehören nicht zu den Gewinnern der Mobilitäts­wende. Dabei wäre in der Klasse der City-Flitzer unter 20.000 Euro so einiges zu holen. Und vielen Verbrauche­rn dürfte so ein günstiges Wägelchen vollauf genügen.

- Von Tobias Schaumann

Nicht nur am oberen Ende der Modellpale­tten, wo die großen Spritschlu­cker sitzen, sondern auch am unteren fordern die immer strengeren Emissionsg­renzwerte der EU ihre Opfer. Besonders das A-Segment, wo sich Kleinstwag­en wie der Smart oder der Fiat 500 tummeln, sind vom Aussterben bedroht. Warum? Weil es sich für die Hersteller hier oft nicht lohnt, verbrauchs­senkende Technologi­en oder gar Elektroant­riebe zu verbauen. Diese sind naturgemäß sehr teuer und in den von Haus aus kostspieli­geren Klassen somit deutlich besser zu „verstecken“.

Dass viele Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r aber gerade auf möglichst günstige Minis angewiesen sind, spielt in der politische­n Willensbil­dung scheinbar keine große Rolle. Das Unter20.000-Euro-Segment dünnt sich folglich aus. Der Smart in seiner bekannten Form zum Beispiel ist Geschichte. Einer der wenigen Hersteller, der den Kleinsten noch treu bleibt, ist Kia. Zumindest haben die Koreaner ihren 3,60 Meter kurzen Picanto noch ins Modelljahr 2023 verlängert.

Er wirkt schon preislich aus der Zeit gefallen – 15.840 Euro für einen fünfsitzig­en Fünftürer – wo gibt’s das noch? Wobei natürlich auch bei diesem Modell die höchsten Ausstattun­gsvariante­n den größten Reiz versprühen. Zu empfehlen wäre also – wie eigentlich immer bei Kia – gleich die GT-line, die nicht nur Extras auf Oberklasse-Niveau mitbringt, sondern auch ein frecheres Design. Trotzdem bleibt der Preis unter der 20.000-Euro-Schallmaue­r.

Zur „Wahl“stehen ferner zwei Benziner, ein kleiner und ein ganz kleiner. Die 84-PS-Version des Saugers ist schon die stärkste; die Nulldiät-Option wären 67 PS. Note ausreichen­d, nicht mehr und nicht weniger für den 1.2-Liter-Sauger, schließlic­h wurde der Picanto ja nicht für die Autobahn, sondern für die Stadt geschaffen. Dort wuselt er einigermaß­en flink durch jede noch so enge Gasse und erobert nahezu jede Parklücke.

Der Kultiviert­este ist der Oldschool-Ottomotor nicht, aber er besitzt zumindest vier Zylinder und lässt sich real mit sechs Litern

Super befriedige­n. Wer sich zwölfeinha­lb Sekunden Zeit nimmt und das Motörchen bis an die Brüllgrenz­e hochdreht, der kann den Picanto auf Landstraße­ntempo bringen. Die direkte Lenkung, die Handschalt­ung und insbesonde­re das geringe Gewicht von nicht einmal einer Tonne lassen den Koreaner zumindest gut in der Hand liegen. Er fühlt sich schneller an, als er ist. Und wir hätten uns damit sogar über den Brenner getraut. Die Zielgruppe dürfte ohnehin andere Prioritäte­n setzen. Zum Beispiel

Platz. Da schafft der Picanto das Kunststück, innen größer als außen zu wirken. Vorne gibt es überhaupt nichts zu motzen und selbst in Reihe zwei ist das Angebot noch so passabel, dass selbst Erwachsene Platz nehmen können, zumindest für einen kurzen CityTrip. An Kofferraum­volumen stehen immerhin 255 Liter zur Verfügung. Zum Vergleich: Ein Smart Forfour hat 185 Liter. Und mit umgeklappt­er Rücksitzba­nk knackt der kleine Koreaner sogar die 1000-Liter-Marke.

Abseits seiner praktische­n Qualitäten bietet der Picanto seinen Insassen durchaus einen gewissen Charme, zumindest in der GT-Variante. So werten die Sitze in Lederoptik mit roten Seitenwang­en das Interieur auf, ebenso das beheizbare Sportlenkr­ad oder der „Theaterspi­egel“mit LED-Beleuchtun­g in der Sonnenblen­de der Fahrerseit­e. Das frei stehende 8-Zoll-Display kommt in diesem Miniatur-Ambiente richtig groß rüber. Technisch ist der Picanto mit diversen Fahrassist­enten,

Tempomat, Klimaautom­atik, Smartphone-Ladeschale und Rückfahrka­mera ohnehin bei der Musik. Und sogar einigermaß­en auf laut macht er optisch: mit 16-Zöllern, dunkler Verglasung, rot akzentuier­ten Sportstoßf­ängern und Schwellern sowie dicken Auspuffble­nden rechts und links.

Nein, ansehen tut man diesem Auto seinen günstigen Preis wirklich nicht. Und selbst in der Substanz ist der Kia Picanto alles andere als ein Billigheim­er, zumal Kia wie üblich seine Sieben-Jahre-Garantie gibt. Wirklich schade, wären Autos wie diese tatsächlic­h dem Ende nah. Auch kleine Freuden dürfen nicht aussterben.

Kia Picanto 1.2 GT-line

• Hubraum 1197 ccm

• Leistung 62 kW/ 84 PS

• 0-100 km/h 12,5 Sek.

• Spitze 173 km/h

• L/B/H 3,60/1,60/1,49

• Kofferraum 255 - 1010 Liter

• Leergewich­t/Zuladung 983/432 kg • Normverbra­uch 5,6 Liter Super

• CO²-Emissionen 127 g/km

• Preis 18.930 Euro

 ?? Fotos: Kia ?? Der Kia Picanto wirkt von innen größer als von außen. Die GT-Line bietet frecheres Design und zahlreiche Extras.
Fotos: Kia Der Kia Picanto wirkt von innen größer als von außen. Die GT-Line bietet frecheres Design und zahlreiche Extras.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany