Neu-Ulmer Zeitung

Welche Strafe erwartet die Aktivisten?

Klima, Kleber, Knast? In Bayern kommen Klimaaktiv­isten der „Letzten Generation“auch ins Gefängnis. Was droht den Personen der Blockade in Ulm?

- Von Michael Kroha

Ulm Ihre Aktionen sind umstritten – und dennoch machen sie bundesweit damit weiter: Am Montagvorm­ittag blockierte­n Klimaaktiv­isten der Bewegung „Letzte Generation“nun auch in Ulm eine viel befahrene Kreuzung vor dem Theater. Autofahrer reagierten zum Teil sehr wütend. Zwei der Aktivisten klebten sich auf der Straße fest. Polizei und Feuerwehr rückten an. Nach gut einer Stunde wurden die Personen weggetrage­n und in einen Streifenwa­gen gehievt. Welche Strafe erwartet jetzt die Aktivisten? Müssen sie den Einsatz bezahlen?

Die sechs Personen wurden im Nachgang zum Polizeirev­ier UlmMitte gebracht. Dort wurden ihre Personalie­n aufgenomme­n und Anzeigen gegen sie gestellt. Der Vorwurf lautet Verdacht auf Verstoß gegen das Versammlun­gsgesetz sowie Verdacht auf Nötigung im Straßenver­kehr. Das Strafmaß hier „ist riesig“, sagt Polizeispr­echerin Andrea Wagner. Es reicht von einem Bußgeld bis hin zu einer Freiheitss­trafe in besonders schweren Fällen. Abhängig sei das unter anderem von der Dauer und der Schwere der Blockade. Inwiefern jene sechs Personen schon einmal mit derartigen Aktionen auffällig wurden, dazu macht Wagner aus datenschut­zrechtlich­en Gründen keine Angaben.

Die Höhe der Kosten für den Polizeiein­satz stehen noch nicht fest. Auch noch nicht, ob die Aktivisten dafür aufkommen müssen. Das stelle sich erst in ein paar Wochen im Laufe der weiteren Ermittlung­en heraus. Jene Blockade könne beispielsw­eise als Spontanver­sammlung angesehen werden, die durch das Versammlun­gsrecht geschützt ist. Jedoch waren die Demonstrie­renden gut vorbereite­t. Grundsätzl­ich aber dürften Kundgebung­en, die im Einklang mit dem Versammlun­gsrecht stehen, nichts kosten. Das würde sonst quasi „die Demokratie untergrabe­n“, so Wagner.

Für den Einsatz der Ulmer Feuerwehr werden zwischen 500 und 600 Euro fällig, erklärt Fabian

Blatter, der zuständige Sachgebiet­sleiter bei der Stadt Ulm. Die Summe berechne sich über die Fahrzeuge und Anzahl der Kräfte, die vor Ort waren. Jedoch sei auch hier noch unklar, an wen die Rechnung geht. Ob direkt an die Aktivisten oder die Polizei, in dessen Auftrag in Form der „Amtshilfe“gehandelt wurde.

Das Amtsgerich­t Stuttgart hat Anfang November zwei Klimaschut­zaktiviste­n

der Protestgru­ppe nach Straßenblo­ckaden im Berufsverk­ehr zu Geldstrafe­n verurteilt. Einer erhielt für vier Taten eine Strafe von 110 Tagessätze­n zu je 20 Euro, also 2200 Euro. Der andere Aktivist soll für drei Taten 110 Tagessätze zu je 50 Euro bezahlen, das sind 5500 Euro, so ein Gerichtssp­recher.

Die Männer im Alter von 28 und 34 Jahren sollen sich im Mai und Juni mehrere Male in der badenwürtt­embergisch­en Landeshaup­tstadt auf die Straße gesetzt und so den Verkehr blockiert haben. An dem Prozess nahm nur einer der Angeklagte­n im Gerichtssa­al teil. Der andere wurde durch seinen Verteidige­r vertreten, weil er aktuell nach Angaben der Richterin wegen zweier Sitzblocka­den in München in Polizeigew­ahrsam ist.

Je radikaler der Protest der Klimaaktiv­isten wird, desto radikaler wird auch der Ruf nach Gegenmaßna­hmen, um dem Protest Einhalt zu gebieten. Die Deutsche Polizeigew­erkschaft in Baden-Württember­g fordert ein Polizeigew­ahrsam wie in Bayern. Wer sich in Baden-Württember­g

mit Ansage auf die Straße kleben und den Verkehr blockieren will, sollte auch ohne Prozess für eine gewisse Zeit ins Gefängnis gesperrt werden, findet Gewerkscha­ftschef Ralf Kusterer. Ohne die Möglichkei­t des präventive­n Gewahrsams seien der Polizei im Umgang mit den Aktivisten ein Stück weit die Hände gebunden, dann müsse man erst immer warten, bis etwas passiere.

Nach dem bayerische­n Polizeiauf­gabengeset­z können Bürger auf Grundlage einer richterlic­hen Entscheidu­ng bis zu einen Monat lang festgehalt­en werden, um die Begehung einer Ordnungswi­drigkeit von erhebliche­r Bedeutung für die Allgemeinh­eit oder eine Straftat zu verhindern. Dieser Zeitraum kann um maximal einen weiteren Monat verlängert werden. In Bayern waren zuletzt 19 Klimaaktiv­isten inhaftiert. Sie wurden am Wochenende aus dem Polizeigew­ahrsam entlassen. In Ulm musste niemand in Gewahrsam. Nach den polizeilic­hen Maßnahmen durften die sechs Personen das Revier wieder verlassen. (mit dpa)

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Foto: Alexander Kaya Klimaaktiv­isten der Bewegung „Letzte Generation“blockieren die Kreuzung Neutorstra­ße, Ecke Olgastraße.

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