Ärger um Flüchtlinge am Einkaufszentrum Riedle – oder alles nur Vorurteile?
Im Einkaufszentrum im Riedle gibt es Ärger über das Verhalten von Flüchtlingen. Es komme gehäuft zu Vorfällen, auch Diebstahl. Ein Berater warnt vor Vorurteilen.
Nersingen Im Einkaufszentrum im Riedle in Nersingen macht sich Ärger über das Verhalten mancher Flüchtlinge breit. Zu Diebstählen sei es schon gekommen und die Polizei gerufen worden. Seit es die Flüchtlingsunterkunft in der Nähe gibt, sollen sich Vorfälle häufen. So berichten es mehrere Händler dort. Aber auch Ehrenamtliche, die im Ort eigentlich Bedürftigen helfen wollen, waren kurz davor, hinzuwerfen. Im Fokus steht offenbar eine bestimmte Gruppe. Ein Berater warnt jedoch vor Vorurteilen.
Hört man sich in den Läden um, werden immer wieder ähnliche Geschichten erzählt. Doch nicht alle wollen sie mit ihrem Namen öffentlich kundtun. Sie haben Angst, falsch verstanden oder als rassistisch dargestellt zu werden. Marina Göres, Leiterin des Edeka-Markts habe kein Problem damit zu sagen, was vorgefallen ist. Wenn jemand stehle, gehe es um ihr Geld. Diebstahl sei nirgends auf der Welt erlaubt. Da brauche sie keine Hand vor den Mund zu nehmen.
Als die Unterkunft in den Sommerferien eröffnet wurde, sei es schlimmer gewesen als jetzt. Ein ganzer Einkaufswagen voll sei bereits gestohlen worden, der dann an der Flüchtlingsunterkunft wiedergefunden wurde. Einmal habe sie die Polizei gerufen, geändert an der Gesamtsituation habe sich aber nicht viel. Kundschaft habe sich beschwert. Einen Sicherheitsdienst einstellen wolle sie nicht. Ein Hausverbot würden jene Menschen nicht verstehen. Göres würde gerne helfen. Aber das sei schwierig, die Personen würden eine ihr nicht bekannte Sprache sprechen.
Eine andere Filialleiterin, die anonym bleiben möchte, sei seit gut zehn Jahren im Riedle tätig. So schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen. Im Pausenraum des Ladens zeigt sie eine Jacke mit Löchern unter den Achseln, die sie jüngst einem Dieb abgenommen hatte. „Da verteilen die ihre Süßigkeiten, damit man die Ausbeulung nicht so sieht.“Sie erzählt von Falschgeld, mit Waren vollgestopften Kinderwagen und durchwühlten Mülleimern. „Wir haben sie mehrmals weggejagt, aber sie kommen immer wieder.“Die Polizei zu rufen, bringe nichts, sagt sie. „Bis die da sind, sind die wieder verschwunden.“Für sie ist klar: Das hat mit der Flüchtlingsunterkunft zu tun. Es seien aber nicht die Ukrainer. Die seien dankbar. Es gehe um eine bestimmte Gruppe, sie vermutet „Sinti und Roma“. Man erkenne sie.
Eine ehrenamtliche Helferin der Nersinger Kleiderkammer, dem Zentrum für Gebrauchtkleidung, das seit 2015 unter anderem Asylbewerbern helfen möchte, berichtet ähnliches. Seit vier Wochen würden bis zu zehn oder mehr Personen kommen, meist Frauen mit mehreren Kindern, sich „aufführen“und alles durchwühlen. „Das können wir nicht bewältigen“, sagt sie. Gestohlen worden sei bislang nichts. „Das hätten sie gemacht, hätten wir sie nicht aufgehalten.“Kurz hätten sich die Helferinnen überlegt, ob sie das Gebrauchtkleiderzentrum schließen. „Aber wir machen es ja eigentlich für die.“
Für die Flüchtlingsunterkunft zuständig ist das Landratsamt. An das hat sich die Filialleiterin nach dem Vorfall mit der Jacke gewandt. Die Kreisverwaltung bestätigt das, weitere Meldungen seien aber bislang nicht eingegangen. Der Gemeinde Nersingen seien die Schilderungen ebenfalls neu. Man wolle die Sache aber „sehr ernst“nehmen und mit Polizei und Landratsamt Kontakt aufnehmen. Der Polizei ist eine auffällige Häufung von Ereignissen nicht bekannt. Die in Nersingen geplante Sicherheitswacht habe nichts damit zu tun. In den vergangenen vier Wochen seien drei Fälle von Bettelei und ein Diebstahl im Bereich des Einkaufszentrums registriert worden, so ein Polizeisprecher. Man wolle verstärkt einen Blick darauf haben und vermehrt Streife fahren. Das Landratsamt will „versuchen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, positiv auf die Personen in der Erstanlaufstelle einzuwirken“. Gemeint sind Ansprachen, die für die Regeln des Zusammenlebens sensibilisieren sollen.
Zum Einsatz kommen könnte dabei Andreas Hoffmann-Richter. Der evangelische Pfarrer wirkt in seinem Ruhestand als Berater der Ulmer Zweigstelle des Verbandes
Deutscher Sinti und Roma BadenWürttemberg. Obwohl der Verband in Nürnberg für Nersingen zuständig wäre, die aber keinen Helfer vor Ort haben, kümmert er sich um die Einrichtung im Riedle und den dort lebenden RomaUkrainern. Er warnt vor Vorurteilen. Jene Menschen seien in der Ukraine seit langer Zeit an der Teilhabe am öffentlichen Leben gehindert worden, hätten unter anderem die Schule nicht besuchen dürfen und würden in außerhalb gelegenen Wohngebieten völlig extra leben. Es handle sich oft um Analphabeten. Die neue Umgebung stelle für sie „enorme Hürden“dar.
Dass sie meist in der Gruppe auftreten, liege dran, weil sie Angst haben. Um Verständnis für ihr Verhalten zu bekommen, müsse man sich ihrer Geschichte und ihrer Lage bewusst sein. Das, was die Einzelhändler beschreiben, hänge „mit der Vorurteilstradition zusammen, die noch nie überwunden wurde in der Mehrheitsbevölkerung in Deutschland“. Er plädiert für mehr ehrenamtliche Helfer, die die Menschen im Alltag unterstützen.