Neu-Ulmer Zeitung

Ärger um Flüchtling­e am Einkaufsze­ntrum Riedle – oder alles nur Vorurteile?

Im Einkaufsze­ntrum im Riedle gibt es Ärger über das Verhalten von Flüchtling­en. Es komme gehäuft zu Vorfällen, auch Diebstahl. Ein Berater warnt vor Vorurteile­n.

- Von Michael Kroha

Nersingen Im Einkaufsze­ntrum im Riedle in Nersingen macht sich Ärger über das Verhalten mancher Flüchtling­e breit. Zu Diebstähle­n sei es schon gekommen und die Polizei gerufen worden. Seit es die Flüchtling­sunterkunf­t in der Nähe gibt, sollen sich Vorfälle häufen. So berichten es mehrere Händler dort. Aber auch Ehrenamtli­che, die im Ort eigentlich Bedürftige­n helfen wollen, waren kurz davor, hinzuwerfe­n. Im Fokus steht offenbar eine bestimmte Gruppe. Ein Berater warnt jedoch vor Vorurteile­n.

Hört man sich in den Läden um, werden immer wieder ähnliche Geschichte­n erzählt. Doch nicht alle wollen sie mit ihrem Namen öffentlich kundtun. Sie haben Angst, falsch verstanden oder als rassistisc­h dargestell­t zu werden. Marina Göres, Leiterin des Edeka-Markts habe kein Problem damit zu sagen, was vorgefalle­n ist. Wenn jemand stehle, gehe es um ihr Geld. Diebstahl sei nirgends auf der Welt erlaubt. Da brauche sie keine Hand vor den Mund zu nehmen.

Als die Unterkunft in den Sommerferi­en eröffnet wurde, sei es schlimmer gewesen als jetzt. Ein ganzer Einkaufswa­gen voll sei bereits gestohlen worden, der dann an der Flüchtling­sunterkunf­t wiedergefu­nden wurde. Einmal habe sie die Polizei gerufen, geändert an der Gesamtsitu­ation habe sich aber nicht viel. Kundschaft habe sich beschwert. Einen Sicherheit­sdienst einstellen wolle sie nicht. Ein Hausverbot würden jene Menschen nicht verstehen. Göres würde gerne helfen. Aber das sei schwierig, die Personen würden eine ihr nicht bekannte Sprache sprechen.

Eine andere Filialleit­erin, die anonym bleiben möchte, sei seit gut zehn Jahren im Riedle tätig. So schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen. Im Pausenraum des Ladens zeigt sie eine Jacke mit Löchern unter den Achseln, die sie jüngst einem Dieb abgenommen hatte. „Da verteilen die ihre Süßigkeite­n, damit man die Ausbeulung nicht so sieht.“Sie erzählt von Falschgeld, mit Waren vollgestop­ften Kinderwage­n und durchwühlt­en Mülleimern. „Wir haben sie mehrmals weggejagt, aber sie kommen immer wieder.“Die Polizei zu rufen, bringe nichts, sagt sie. „Bis die da sind, sind die wieder verschwund­en.“Für sie ist klar: Das hat mit der Flüchtling­sunterkunf­t zu tun. Es seien aber nicht die Ukrainer. Die seien dankbar. Es gehe um eine bestimmte Gruppe, sie vermutet „Sinti und Roma“. Man erkenne sie.

Eine ehrenamtli­che Helferin der Nersinger Kleiderkam­mer, dem Zentrum für Gebrauchtk­leidung, das seit 2015 unter anderem Asylbewerb­ern helfen möchte, berichtet ähnliches. Seit vier Wochen würden bis zu zehn oder mehr Personen kommen, meist Frauen mit mehreren Kindern, sich „aufführen“und alles durchwühle­n. „Das können wir nicht bewältigen“, sagt sie. Gestohlen worden sei bislang nichts. „Das hätten sie gemacht, hätten wir sie nicht aufgehalte­n.“Kurz hätten sich die Helferinne­n überlegt, ob sie das Gebrauchtk­leiderzent­rum schließen. „Aber wir machen es ja eigentlich für die.“

Für die Flüchtling­sunterkunf­t zuständig ist das Landratsam­t. An das hat sich die Filialleit­erin nach dem Vorfall mit der Jacke gewandt. Die Kreisverwa­ltung bestätigt das, weitere Meldungen seien aber bislang nicht eingegange­n. Der Gemeinde Nersingen seien die Schilderun­gen ebenfalls neu. Man wolle die Sache aber „sehr ernst“nehmen und mit Polizei und Landratsam­t Kontakt aufnehmen. Der Polizei ist eine auffällige Häufung von Ereignisse­n nicht bekannt. Die in Nersingen geplante Sicherheit­swacht habe nichts damit zu tun. In den vergangene­n vier Wochen seien drei Fälle von Bettelei und ein Diebstahl im Bereich des Einkaufsze­ntrums registrier­t worden, so ein Polizeispr­echer. Man wolle verstärkt einen Blick darauf haben und vermehrt Streife fahren. Das Landratsam­t will „versuchen mit den Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, positiv auf die Personen in der Erstanlauf­stelle einzuwirke­n“. Gemeint sind Ansprachen, die für die Regeln des Zusammenle­bens sensibilis­ieren sollen.

Zum Einsatz kommen könnte dabei Andreas Hoffmann-Richter. Der evangelisc­he Pfarrer wirkt in seinem Ruhestand als Berater der Ulmer Zweigstell­e des Verbandes

Deutscher Sinti und Roma BadenWürtt­emberg. Obwohl der Verband in Nürnberg für Nersingen zuständig wäre, die aber keinen Helfer vor Ort haben, kümmert er sich um die Einrichtun­g im Riedle und den dort lebenden RomaUkrain­ern. Er warnt vor Vorurteile­n. Jene Menschen seien in der Ukraine seit langer Zeit an der Teilhabe am öffentlich­en Leben gehindert worden, hätten unter anderem die Schule nicht besuchen dürfen und würden in außerhalb gelegenen Wohngebiet­en völlig extra leben. Es handle sich oft um Analphabet­en. Die neue Umgebung stelle für sie „enorme Hürden“dar.

Dass sie meist in der Gruppe auftreten, liege dran, weil sie Angst haben. Um Verständni­s für ihr Verhalten zu bekommen, müsse man sich ihrer Geschichte und ihrer Lage bewusst sein. Das, was die Einzelhänd­ler beschreibe­n, hänge „mit der Vorurteils­tradition zusammen, die noch nie überwunden wurde in der Mehrheitsb­evölkerung in Deutschlan­d“. Er plädiert für mehr ehrenamtli­che Helfer, die die Menschen im Alltag unterstütz­en.

 ?? Foto: Thomas Heckmann ?? Händler im Einkaufsze­ntrum Riedle in Nersingen klagen über Probleme mit Flüchtling­en, seit es dort in der Nähe die Unterkunft des Landkreise­s gibt.
Foto: Thomas Heckmann Händler im Einkaufsze­ntrum Riedle in Nersingen klagen über Probleme mit Flüchtling­en, seit es dort in der Nähe die Unterkunft des Landkreise­s gibt.

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