Welt-Aids-Tag: Das Virus gerät immer mehr in Bedrängnis
Seit 1988 findet am 1. Dezember der Welt-Aids-Tag statt. Die Krankheit verschwindet immer mehr aus den Schlagzeilen. Georg Härter, als Schwerpunktarzt in Ulm für das Thema zuständig, mahnt zur Wachsamkeit.
Ulm/Neu-Ulm Aids – vier Buchstaben, die vor Jahren noch Schrecken verbreiteten und für viele gleichbedeutend mit einem baldigen Tod waren. Inzwischen gibt es sehr gute Behandlungsmöglichkeiten, dennoch nimmt der regionale Experte des Aids auslösenden HI-Virus den Welt-Aids-Tag zum Anlass, auf weiter bestehende Gefahren
aufmerksam zu machen. Dr. Georg Härter ist Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie und arbeitet in einem MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) in Ulm. Seit mehr als 20 Jahren betreut er Menschen, die mit HIV leben. Der Einzugsbereich der versorgten Patienten und Patientinnen umfasst dabei den Bereich Südwürttemberg bis zum Bodenseekreis und auch die bayerischen Grenzbezirke (Günzburg, Dillingen, Illertal, Memmingen).
Die gute Seite der Entwicklung in Sachen Aids: Weil sich das Virus inzwischen so gut „wegsperren“ließe, also das Virus bei medikamentöser Therapie auch nicht mehr nachweisbar ist, spricht der Ulmer Arzt auch nicht mehr von HIV-Infizierten, sondern von Menschen, die gut mit HIV leben können. Denn selbst ihren Partner oder ihrer Partnerin können korrekt Therapierte nicht mehr anstecken. „Das ist eine tolle Geschichte.“
Doch komplette Entwarnung will Härter nicht geben, der als niedergelassener Arzt in einem weiten Umkreis als Anbieter von HIVTherapien ein Alleinstellungsmerkmal hat. Der Arzt betreut um die 350 Menschen, die mit dem Virus leben. „Den Schrecken verloren hat das Virus aber nicht wirklich“, sagt Härter. Die Problemgruppe seien die Infizierten, die nichts von ihrer Infektion wissen. Von den in ganz Deutschland 90.000 bis 100.000 Menschen mit Infektion wissen etwa zehn Prozent nichts von der Infektion. Häufig komme es dann zu einer derart späten Diagnose, dass das Immunsystem bereits nachhaltig gestört sei. „Diese Menschen sind schwierig zu behandeln.“Durch das geschwächte Immunsystem wirkt nicht nur das HI-Virus schädigend auf den Körper ein, auch die Abwehrkräfte für andere Krankheiten fehlen. „Das kann immer noch zum Tode führen.“
Generell gebe es aber immer weniger Neuinfektionen. Weil bei Infizierten des Virus unter die Nachweisgrenze gedrückt werden könne. Und weil es Vorsorge für Risikogruppen
gibt: HIV-Negative aus Risikogruppen können ein HIVMedikament einnehmen, um sich vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen.
Seit Februar hat es Härter mit einer neuen Gruppe Patienten und Patientinnen zu tun: In die Ulmer Praxis kommen zunehmend Geflüchtete aus der Ukraine. „Die meisten haben eine bekannte Infektion.“Die seien auch in der Ukraine gut behandelt worden und benötigen auch hier ihre Medikamente. Etwa 30 Geflüchtete kamen so seit Beginn des Angriffskriegs zur Behandlung nach Ulm. Die Trends in den drei am stärksten von HI betroffenen Gruppen verlaufen unterschiedlich, so Härter. Bei Männern, die Sex mit Männern haben, sei die Zahl der geschätzten Neuinfektionen in ganz Deutschland von 1100 im Jahr 2020 auf etwa 1000 im Jahr 2021 gesunken. Bei Personen mit einer Infektion auf heterosexuellem Weg stagniere die Zahl der Neuinfektionen dagegen seit einigen Jahren und lag Ende 2021 bei etwa 440. Beim Gebrauch von Drogen, die per Spritze konsumiert werden, haben sich 2021 etwa 320 Menschen mit HIV infiziert. Dies sei ein deutlicher Anstieg seit 2010.
Das Thema Affenpocken habe sich hingegen fast erledigt: „Seit mehreren Monaten hatten wir keinen einzigen Fall mehr.“Damit folge die Region einem Trend, der in der ganzen Republik zu beobachten sei: Das Infektionsgeschehen ist praktisch auf null zurückgegangen, auch dank offenbar wirksamer Impfungen. Die Aids-Hilfe Ulm/Neu-Ulm/Alb-Donau unterstützt weiterhin HIV-positive und an AIDS erkrankte Menschen bei der Bewältigung ihrer Lebenssituation und möchte weitere Infektionen durch Aufklärungsarbeit verhindern. Insbesondere rund um den Welt-Aids-Tag: Am Freitag, 2. Dezember, ist die Organisation mit einem Stand auf dem Ulmer Weihnachtsmarkt vertreten. Ein Gottesdienst zum Welt-Aids-Tag findet am Donnerstag, 1. Dezember, um 18 Uhr im Haus der Begegnung in Ulm statt.