Neu-Ulmer Zeitung

Ohne Willkommen­skultur gelingt Integratio­n nicht

Deutschlan­d muss sich für Millionen Fachkräfte attraktiv machen. Jetzt. Die Ampel-Regierung will das Richtige – aber gerade zu viel auf einmal.

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In diesem Werben erfolgreic­her zu sein als andere und also den lieb gewonnenen Wohlstand zu halten oder gar zu steigern, wird schwierig. Es braucht dafür eine neue Willkommen­skultur, die politisch gefördert werden muss.

Die Ampel tut dafür grundsätzl­ich das Richtige, allerdings ist das

Agenda-Setting kontraprod­uktiv. Denn gerade wird – wie so oft bei den sehr emotional besetzten Migrations­themen – über alles gleichzeit­ig diskutiert: Darüber, wie Zugewander­te hier leichter die Staatsbürg­erschaft erwerben können, darüber, wie gut integriert­e Ausländer mehr Bleibesich­erheit (das sogenannte Chancen-Aufenthalt­srecht) bekommen, darüber, dass die Abschiebun­gen derer, die wirklich keine Bleibepers­pektive haben (etwa Straftäter), nicht schnell genug vorankomme­n und schließlic­h noch über das Fachkräfte­einwanderu­ngsgesetz. Das ist zu viel auf einmal und man hätte diese verschiede­nen Gesetzesin­itiativen auch entzerren und nacheinand­er abarbeiten können.

Warum? Weil Zuwanderun­gsthemen mit mehr Ruhe diskutiert werden sollten als andere. Immer wieder. Warum? Vielen Menschen macht Migration Angst. Diese Angst muss man nicht teilen, sie ist unbegründe­t, aber man muss sie zur Kenntnis nehmen. Und Vorurteile müssen mit Fakten entkräftet werden. Immer wieder. Es sind Debatten, die breit geführt werden müssen.

Um es ganz deutlich zu machen: Hier soll nicht einer stets von rechts – und rechtsextr­emer Seite – geschürten Sorge nach sogenannte­r Überfremdu­ng das Wort geredet werden. Im Gegenteil: Wer selbst einmal im Ausland gelebt hat, weiß, dass jeder irgendwo fremd ist. Und wer ankommen (und vor allem bleiben!) will, braucht freundlich­e, neugierige

Menschen, die einen auf- und an die Hand nehmen. Aber damit genau diese Haltung sich in Deutschlan­d dauerhaft und breit durchsetzt, sollten die verschiede­nen komplizier­ten Diskussion­en nacheinand­er geführt werden. Dabei ist es richtig, dass das internatio­nal vergleichs­weise fortschrit­tliche Fachkräfte­zuwanderun­gsgesetz verbessert und den Behörden, die über die Anträge entscheide­n und im Ausland anwerben sollen, hoffentlic­h mehr Dampf gemacht wird. Es ist auch richtig, dass denen, die sich künftig von Deutschlan­d überzeugen lassen, schneller als bereits heute eine Staatsbürg­erschaft in Aussicht gestellt wird. Aber damit die Integratio­n all derer, die noch kommen, gelingen kann, muss mehr, besser und sachlicher dazu debattiert werden.

Das von der Union in die Arena gebrachte Wort vom „Verramsche­n“hat dabei schon mal nicht geholfen. Im Gegenteil, es hat – aus billigem Kalkül – den falschen Ton gesetzt. So wird ein Land nicht attraktive­r.

Die Angst vor Migration ist unbegründe­t

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