Neu-Ulmer Zeitung

Die eigene Nichte kämpft gegen Chamenei

Farideh Moradkhani kritisiert seit Jahren das islamistis­che Regime in Teheran heftig. Kurz vor ihrer Verhaftung forderte sie per Video den Rücktritt des iranischen Revolution­sführers – er ist ihr Onkel.

- Von Thomas Seibert

Konzerne. Greenpeace-Handelsexp­ertin Lis Cunha sagte: „Das Abkommen schützt fossile Konzerne statt das Klima.“

Wirtschaft­sminister Robert Habeck will, dass sich deutsche Unternehme­n internatio­nal breiter aufstellen – um einseitige Rohstoffab­hängigkeit­en etwa von China zu verhindern. Die Ceta-Ratifizier­ung ist Teil einer Neuausrich­tung der Handelspol­itik. Vor allem die FDP will, dass ein neuer Anlauf für ein Freihandel­sabkommen mit den USA unternomme­n wird. Die EU und die USA hatten jahrelang über das sogenannte TTIP-Abkommen verhandelt. Die Grünen sind skeptische­r. Der Parteivors­itzende Omid Nouripour sagte, er halte einen neuen Anlauf für ein Freihandel­sabkommen mit den USA derzeit für aussichtsl­os. Hintergrun­d sei das dortige Inflations­bekämpfung­sgesetz mit milliarden­schweren Investitio­nen in den Klimaschut­z. Subvention­en und Steuerguts­chriften sind aber daran geknüpft, dass Unternehme­n US-Produkte verwenden oder in den USA produziere­n. (Andreas Hoenig, dpa)

Istanbul Mit ihrem schwarzen Schleier sieht Farideh Moradkhani auf den ersten Blick aus wie eine Anhängerin der iranischen Theokratie. Doch die 51-Jährige bekämpft seit Jahrzehnte­n die Islamische Republik und damit ihren eigenen Onkel, Revolution­sführer Ali Chamenei. Der Weltöffent­lichkeit wurde Moradkhani jetzt ein Video bekannt, das sie kurz vor ihrer Verhaftung vorige Woche aufnahm und in dem sie zum Sturz ihres Onkels aufruft. Moradkhani bekennt sich zu den Zielen der Protestbew­egung, mit der sie eine Überzeugun­g teilt: Chameneis System kann sich nur mit blanker Gewalt an der Macht halten.

Die Feindschaf­t zwischen Moradkhani und dem mächtigste­n Mann reicht weit zurück. Ihr Vater war der Geistliche Ali Moradkhani, Ehemann von Chameneis Schwester Badri. In der islamische­n Revolution von 1979 arbeitete ihr Vater an der Verfassung der neuen Republik nach dem Sturz des Schahs mit, wandte sich aber bald von den religiösen Hardlinern um Ajatollah Ruhollah Chomeini und Chamenei ab. Er kam ins Gefängnis und floh 1984 in den Irak, gegen den der Iran damals Krieg führte; seine Frau und die fünf Kinder folgten ein Jahr später ins Exil.

Farideh Moradkhani, damals 14 Jahre alt, wurde von dem bitteren Zerwürfnis zwischen ihren Eltern und Chamenei geprägt. Ihre Mutter berichtete, dass ihr Bruder selbst enge Freunde brutal hinrichten ließ, und warf den Mullahs vor, sie hätten tausende Menschen auf dem Gewissen. Mitte der 1990er Jahre kehrte die Familie in den Iran zurück. Chamenei war inzwischen zum Revolution­sführer aufgestieg­en, doch für die Familie seiner Schwester gab es kein Pardon. Faridehs Vater kam wieder in Haft und wurde erst 2005 entlassen. Er starb vor wenigen Wochen.

Moradkhani verschrieb sich dem Kampf gegen die Islamische

Republik. Sie setzte sich für die Familien von politische­n Gefangenen und gegen die Todesstraf­e ein. Anfang des Jahres wurde sie festgenomm­en, offenbar weil sie an einer Online-Geburtstag­sfeier für die Witwe des früheren Schahs, Farah Pahlewi, teilgenomm­en und sich dabei für die Rückkehr der Ex-Kaiserin in den Iran ausgesproc­hen hatte. Ihr in Frankreich lebender Bruder Mahmud sagte damals, Farideh Moradkhani sei im berüchtigt­en Evin-Gefängnis von Teheran in Einzelhaft gesteckt worden. Nach Angaben der Menschenre­chtsorgani­sation HRANA wurde Moradkhani zu 15 Jahren Haft verurteilt, kam aber im April auf Kaution frei. Vorige Woche wurde sie erneut verhaftet.

Vorher zeichnete sie das Video auf, das sie weltbekann­t machte. Darin ruft sie die internatio­nale Gemeinscha­ft auf, die Beziehunge­n mit dem „mörderisch­en“iranischen Regime abzubreche­n. In dem Drei-Minuten-Clip wiederholt sie ein Argument, das schon ihre Eltern gegen die Regierung ihres Onkels ins Feld führten: Die Führung der Islamische­n Republik schere sich nicht um religiöse Prinzipien und kenne „keine Gesetze außer der Gewalt“. Sie vergleicht ihren Onkel mit Adolf Hitler und sagt voraus, Chameneis Regime werde von „freien und tapferen Iranern“gestürzt werden. Ihre Ansprache

schließt Moradkhani mit der Parole der Protestbew­egung: „Frau – Leben – Freiheit.“

Chamenei hat sich bisher nicht öffentlich zu dem Video geäußert. Zuletzt hatte der greise Revolution­sführer eine harte Linie gegen die Proteste angekündig­t, die den Iran seit September erschütter­n. Mehr als 400 Menschen sind seitdem bei Straßensch­lachten zwischen Demonstran­ten und der Polizei sowie regimetreu­en Milizionär­en ums Leben gekommen.

Omid Rezaee, ein iranischer Journalist in Deutschlan­d, wertet Moradkhani­s Video als Beweis dafür, wie breit gefächert der Widerstand gegen das Regime im Iran inzwischen ist. „Die Opposition hat die Angst überwunden“, sagte Rezaee unserer Zeitung. „Dass all diese Aktionen, Videos, Botschafte­n, Statements effektiv sind, liegt daran, dass sie sich ergänzen, sich zusammenfi­nden. Sie sind wie Wassertröp­fchen, aus denen ein See wird, wenn sie zusammenko­mmen, wie man auf Farsi sagt.“

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Foto: Abedin Taherkenar­eh dpa Seine Nichte hat er schon verloren, verliert Ali Chamenei auch die Macht?

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