Er entdeckte die Fabrik der Nazis
Hans-Peter Englbrecht begleitet die Spurensuche im Wald bei Zusmarshausen von Anfang an. Dafür und für viele weitere ehrenamtliche Verdienste erhält er die Silberdistel unserer Redaktion.
Zusmarshausen Es war die Bemerkung eines Schülers, die alles in Rollen brachte. „Da draußen im Wald, da sind so Betonteile“, sagte der Achtklässler im Geschichtsunterricht von Hans-Peter Englbrecht aus Zusmarshausen (Landkreis Augsburg). Von den rätselhaften Betonteilen hatte Englbrecht noch nie gehört. Am Wandertag ging es mit der Klasse in den Wald, nahe der Autobahn A8. Dort befand sich früher das geheime Waldwerk Kuno. Heute hält der 74-Jährige Vorträge über die ehemalige Rüstungsfabrik der Nazis.
Englbrecht brachte ans Licht, dass in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs der Düsenjäger Me262 im Waldwerk gebaut wurde. Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge mussten die Hauptarbeit für die Fertigung der vermeintlichen „Wunderwaffe“verrichten. Dahinter stecken etliche tragische Schicksale, die in Vergessenheit geraten waren.
Lange Zeit habe niemand über die Gräueltaten im Wald sprechen wollen, erinnert sich Englbrecht. Er war der Erste, der danach fragte. Etwa 20 Jahre ist das her. Auf Grundlage der Recherche des 74-Jährigen kam die Geschichte des sogenannten Waldwerks Kuno ans Licht. Dafür und für viele weitere ehrenamtliche Verdienste wird Hans-Peter Englbrecht mit der Silberdistel unserer Redaktion ausgezeichnet.
Nach und nach setzte Englbrecht Erzählungen und Fundstücke aus dem Wald zusammen. Zusammen mit Maximilian Czysz, stellvertretender Leiter der Redaktion Augsburg Land, schuf Englbrecht eine Daueraustellung im Museum Zusmarshausen. Auch ein Gedenkweg im Wald entstand. Mehrfach wurde diese Arbeit ausgezeichnet. Immer wieder habe er in der Recherche einen Satz zu hören bekommen, den er nicht akzeptieren will, erzählt Englbrecht: „Wir wussten von nichts.“Der ehemalige Hauptschullehrer hat sich das Erinnern zu einer seiner Lebensaufgaben gemacht. Die Geheimsache
Das ist die Silberdistel
Auszeichnung Mit der Silberdistel ehrt unsere Redaktion seit vielen Jahren Menschen aus der Region für ihr besonderes bürgerschaftliches Engagement.
im Wald ist nicht sein einziges Herzensprojekt.
Ihr Mann, erzählt Ehefrau Tuula, habe ein Helfersyndrom. Vielleicht sei er deshalb Lehrer geworden. Im Gespräch mit dem 74-Jährigen wird schnell klar, was seine Frau meint. Englbrecht erzählt von einer ehemaligen Schülerin, deren Mutter sie im Stich ließ. Nach der Schule half der Lehrer bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Als die einstige Schülerin Jahre später ein Haus baute, stand Englbrecht auf der Baustelle. „Wenn ich helfen kann, helfe ich“, sagt der 74-Jährige. „Das ist das Schönste, was man machen kann.“Der Zusmarshauser ist
Handwerk Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer kunstvoll in Silber gearbeiteten Distelblüte, die eigens in der „Alten Silberschmiede“in Augsburg angefertigt wurde. kein Mann der leeren Worte. Der Pensionist bringt Geflüchteten aus der Ukraine Deutsch bei oder hilft ihnen bei alltäglichen Problemen. Im Ehrenamt führt er Besucher bei historischen Rundgängen durch seine Heimatgemeinde Zusmarshausen, in der er vor rund 35 Jahren einen Theaterverein ins Leben rief. Engelbrecht schwärmt von der Zeit, als er den Brandner Kasper oder „Das Haus in Montevideo“auf die Bühne brachte: „Ich habe durchgedrückt, dass wir keine Bauernstücke aufführen.“
Inzwischen hat er die Leitung der Zusambühne abgegeben. Bleibt also mehr Zeit für weitere Leidenschaften
Vorschläge Jede Leserin und jeder Leser kann Vorschläge für unsere Auszeichnung machen. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner finden sich in unseren Lokalredaktionen. (AZ)
wie das Saunieren oder das Reisen nach Finnland, die Heimat seiner Frau.
Ihre Kennenlerngeschichte sei eigentlich zu kitschig, um sie zu erzählen, meint Englbrecht. Dann tut er es doch: Als Jugendliche schrieb Tuula Englbrecht einen Brief aus Finnland ans Elternhaus des gebürtigen Sonthofers. Die Adresse habe sie im Unterricht bekommen. „Woher die kam, weiß ich bis heute nicht“, sagt sie. Hans-Peter Englbrecht schrieb zurück. Es entstand eine jahrelange Brieffreundschaft. Irgendwann kam seine heutige Ehefrau dann nach Augsburg – und blieb.