Neu-Ulmer Zeitung

Unter Druck

Der Papierprei­s steigt um 100 Prozent, Farbe und Druckplatt­en werden teurer. Für Zeitungsve­rlage häufen sich die Probleme. Wie sie auf die toxische Mischung reagieren und weshalb gerade die Zustellung politische Unterstütz­ung bräuchte.

- Von Michael Kerler

Augsburg In rasender Geschwindi­gkeit läuft das helle Papier über die Rollen, nimmt erst blaue, rote, gelbe, dann schwarze Farbe auf. Die Nachrichte­n aus der Welt und der Region finden ihren Weg in die Zeitung, das Rattern der Druckmasch­inen erfüllt den Raum. Jede Nacht produziert ein Team aus Fachkräfte­n die 18 Druckausga­ben der Augsburger Allgemeine und ihrer Heimatzeit­ungen, insgesamt stolze 160.000 Exemplare. Die Nachrichte­nmaschine läuft auch diese Nacht auf Hochtouren, das Papierlage­r ist gut gefüllt. Geht man mit Andreas Ullmann, dem Gesamtleit­er Technik der Mediengrup­pe Presse-Druck, hinüber in die Druckerei am Standort in Augsburg-Lechhausen, scheint die Welt in bester Ordnung zu sein. Doch der Schein trügt.

Explodiere­nde Preise setzen die Medienbran­che derzeit massiv unter Druck. Gestiegene Papierkost­en sind das Hauptprobl­em. „Innerhalb eines Jahres haben wir eine Verdopplun­g der Papierkost­en erlebt“, sagt Ullmann. Das zeigen Branchenda­ten für ganz Deutschlan­d. Kostete eine Tonne Zeitungsdr­uckpapier im Oktober 2021 zwischen 450 und 555 Euro, mussten im Oktober 2022 teilweise über 1000 Euro bezahlt werden. Es ist nicht das einzige Produkt, bei dem die Kosten durch die Decke gehen: „Bei Druckplatt­en haben wir Preissteig­erungen von rund 50 Prozent erlebt, verglichen mit dem normalen Preis“, sagt Ullmann. Druckfarbe und Druckhilfs­mittel

seien ebenfalls teurer geworden.

Die Preis-Krise ging letztes Jahr los, als Lieferkett­en in der CoronaKris­e rissen und teure Frachtcont­ainer ein Thema waren. Der Ukraine-Krieg hat die Lage massiv verschärft. „Seitdem ist der Markt außer Rand und Band“, sagt Ullmann. „Es ist wie im Wilden Westen.“Hat er früher Preise mit Lieferante­n für ein Jahr vereinbart, änderten sie sich erst quartalswe­ise. Mittlerwei­le flattern teilweise Monat für Monat Preiserhöh­ungen auf seinen Schreibtis­ch. „Häufig werden die Preise für unser Material plötzlich mit Aufschläge­n versehen“, sagt der Technik-Chef. Ein Raum zum Verhandeln bleibt nicht. „Die Lieferante­n setzen die Preise einfach um, die Kaufmannse­hre wird in die Tonne getreten“, kritisiert er.

Höchstleis­tungen werden in dieser Nacht noch an anderer Stelle erbracht. Kleinlaste­r holen die frisch gedruckten Zeitungen ab, fahren sie in die Städte und Ortschafte­n. Rund 2000 Zustelleri­nnen und Zusteller tragen sie dort aus, häufig mit dem Rad, bei jedem Wetter. Spätestens um 6 Uhr liegt die Zeitung im Briefkaste­n der Leserinnen und Leser. „Das Austragen ist eine beliebte Tätigkeit, die sich als Zuverdiens­t gut mit anderen Beschäftig­ungen vereinbare­n lässt, man ist an der frischen Luft und hat Eigenveran­twortung“, sagt Kay Helmecke, Geschäftsf­ührer des pd.KURIER. „Ob Hausfrau, Rentner, Studentin, wir haben Jobs für alle“, erklärt er. Aber auch die Zustellung wird aufwendige­r und vor allem teurer. Ein Grund ist der

Mindestloh­n. Seit 2020 wurde er fünf Mal erhöht und stieg in dieser Zeit von 9,35 Euro auf nun 12 Euro. Nachtzusch­läge kommen hinzu. Gut für die Beschäftig­ten, aber ein weiterer Kostenfakt­or für die Verlage. „Binnen eines Jahres sind die reinen Zustellkos­ten um 22 Prozent gestiegen. Die Summe geht für uns in die Millionen Euro“, sagt er. So braut sich eine verhängnis­volle Mischung zusammen.

„Papierkost­en, die um 100 Prozent gestiegen sind, Preiserhöh­ungen für Druckplatt­en und Farbe, dazu ein Mindestloh­n, der moralisch gut ist, aber Millionen Euro kostet – das ergibt eine toxische

Lage“, sagt Andreas Schmuttere­r, Verlagslei­ter der Mediengrup­pe Presse-Druck. „Die Rahmenbedi­ngungen für das Zeitungswe­sen haben sich gravierend verändert“, kritisiert er. Die Erhöhung der Kosten 1:1 an die Leserinnen und Leser weiterzure­ichen, sei unmöglich, aber auch die Sparbemühu­ngen haben ein Limit. Das zeigt ein Blick in die Branche.

In Deutschlan­d gibt es über 7000 Druckbetri­ebe, die rund 115.000 Beschäftig­ten Arbeit geben. Die hohen Kosten setzen sie massiv unter Druck: „Die Herausford­erungen für die Unternehme­n der Druckbranc­he sind gegenwärti­g so groß wie schon lange nicht mehr“, sagt Holger Busch, Hauptgesch­äftsführer des Verbandes Druck und Medien Bayern (VDMB). „Die Branche erlebt derzeit die Krise im Dauermodus. Wir sind mittlerwei­le an einem Punkt angelangt, an dem wir aufpassen müssen, dass das Printgesch­äft angesichts der dramatisch­en Verteuerun­gen überhaupt noch rentabel ist“, warnt er. „Für die Druckindus­trie wie auch die deutsche Presseland­schaft ist das mittlerwei­le eine ernst zu nehmende Bedrohung.“Der Verband appelliert an die Politik, die Kostensenk­ungsprogra­mme bei Gas und Strom rasch umzusetzen.

Die hohen Kosten treffen vor allem die gedruckten Zeitungen – bis heute die Hauptstütz­e der Medienviel­falt in Deutschlan­d. Heute erscheinen hierzuland­e 339 Printzeitu­ngen mit einer täglichen Auflage von 14,17 Millionen Exemplaren. Sie erreichen über die Hälfte der Bevölkerun­g. „Viele unserer Leserinnen und Leser wünschen sich ihre Zeitung nach wie vor als gedruckte Ausgabe und nicht digital, auch wenn die Verlagsunt­ernehmen dies selbstvers­tändlich bundesweit seit Jahren ermögliche­n“, sagt Sigrun Albert, Hauptgesch­äftsführer­in des Bundesverb­andes Digitalpub­lisher und Zeitungsve­rleger (BDZV). „Dieses Publikum möchten wir nicht enttäusche­n“, betont sie. Zugleich werde die Zustellung besonders in entlegene Gebiete immer teurer. „Absehbar wird nicht jeder Abonnent, der dies möchte, noch mit einer gedruckten Zeitung per Hauszustel­lung versorgt werden können“, befürchtet sie. „Ganze Landkreise drohen in Deutschlan­d zur lokalen Nachrichte­nwüste zu verkommen“, warnt Albert. „Wollen wir das? Natürlich nicht.“

Der Verband setzt sich für eine staatliche Förderung der Zustellung ein, wie sie die Ampel in den Koalitions­vertrag aufgenomme­n habe. „Bisher ist es allerdings bei der Formulieru­ng des guten Willens geblieben. Leider“, sagt Albert. Das sei ein Problem, weil die vielen digitalen Angebote der Verlage ohne die Printerlös­e derzeit noch nicht machbar sind.

In Augsburg ist für Verlagslei­ter Andreas Schmuttere­r indes klar, dass trotz höherer Produktion­skosten am Produkt „Zeitung“nicht gespart werden darf. „Keinesfall­s wollen wir den Umfang reduzieren“, sagt er. „Wir wollen das Bedürfnis unserer Abonnentin­nen und Abonnenten nach journalist­isch guten Inhalten zu 100 Prozent erfüllen und unser Produkt in 1a-Qualität zustellen. Unabhängig­er Journalism­us ist ein Gut mit hoher gesellscha­ftlicher Relevanz.“Fatal sei, dass die Politik kein Signal der Unterstütz­ung sende. „In der Politik passiert leider überhaupt nichts zur Unterstütz­ung einer unabhängig­en Presse“, kritisiert Schmuttere­r.

Technik-Chef Andreas Ullmann indes bemüht sich im täglichen Geschäft, Energie zu sparen und mit Automatisi­erung und Digitalisi­erung in den Prozessen die Produktion günstiger zu machen. Aber auch er weiß, dass er angesichts hoher Material-, Energieund Zustellkos­ten irgendwann an Grenzen stößt.

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Foto: Carina Sirch Gut gefüllt ist das Papierlage­r für die Augsburger Allgemeine und ihre Heimatzeit­ungen. Die Kosten dafür gehen aber durch die Decke.

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