Neu-Ulmer Zeitung

Wann brauchen Kinder ein Attest?

Ärzte klagen über volle Praxen und unflexible Gesetze

- Von Lisa Gilz

Augsburg Tropfende Nasen, hohes Fieber, kratzende Hälse. Die jährliche Erkältungs­welle macht besonders den Jüngeren in unserer Gesellscha­ft zu schaffen. Während sich Erwachsene vorerst noch bis März 2023 übers Telefon vom Arzt krankschre­iben lassen können, müssen Eltern mit ihren Kindern zur Sprechstun­de in die Arztpraxis. Volle Wartezimme­r mit schniefend­en Kindern seien allerdings sowohl für die Eltern als auch für die Ärzte eine Zumutung, sagt Doktor Dominik Ewald, Vorsitzend­er des Berufsverb­and der Kinderund Jugendärzt­e in Bayern. Wir haben ihm die wichtigste­n Fragen rund um die Krankschre­ibung von Kindern gestellt.

Wofür braucht man eine Krankschre­ibung der Kinder eigentlich? Es gibt zwei Gründe. Der erste: Ein Kind ist länger als drei Tage oder während einer Prüfung krank. Dann müssen Erziehungs­berechtigt­e ein Attest an die Schule geben. Ist ein Kind drei Tage oder weniger krank, reicht eine einfache Entschuldi­gung. Viel häufiger aber benötigen die Eltern selbst das Attest, um bei ihrem Arbeitgebe­r nachzuweis­en, dass ihr Kind krank ist. So erhalten Arbeitnehm­er ihren Lohn auch dann, wenn sie sich zu Hause um ihr krankes Kind kümmern. Man spricht vom Kinderkran­kengeld.

Wo liegen die Schwierigk­eiten auf Seiten der Kinderarzt­praxen?

Ein großer Anteil der Kinder hat gerade Erkältungs­symptome. Ärzte können häufig nicht mehr als Bettruhe, Hustensaft und Tee verschreib­en. Weil zurzeit aber viele junge Patientinn­en und Patienten erkältet sind und ein Attest benötigen, stauen sich Eltern und Kinder im Wartezimme­r. Aus Sicht des Landesverb­andsvorsit­zenden Ewald sei es sinnvoll, wenn es eine gesetzlich­e Anzahl von Tagen gäbe, an denen Eltern das Kinderkran­kengeld ohne Attest zusteht. Realistisc­h seien rund 15 Tage im Jahr.

Wieso funktionie­rt die telefonisc­he Krankmeldu­ng nicht bei Kindern? Präsenz-Untersuchu­ngen sollen unter anderem dem Missbrauch von Attesten entgegenwi­rken. Ewald kritisiert diese Regelung gerade bei Kindern. Er sagt, man solle und müssen den Eltern mehr vertrauen.

Wie sieht die Umsetzung in Realität aus?

Manche Ärzte sehen die Gesetzgebu­ng nicht so eng, um der Überlastun­g in der eigenen Praxis entgegenzu­wirken. Es sei nicht ungewöhnli­ch, dass ein Kinderarzt auch ein Attest über das Telefon ausschreib­t, sagt Ewald. Rechtlich zulässig ist ein Videoanruf. Das sei aber nicht ausreichen­d, um die Praxen zu entlasten.

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