Neu-Ulmer Zeitung

Bald hat nicht mehr jede Gemeinde einen Hausarzt

Eigentlich ist der Landkreis Neu-Ulm mit Medizinern gut versorgt. Doch das wird sich bald ändern. Nun sind Lösungen gefragt. Der Landrat hadert mit der Gesundheit­spolitik.

- Von Ronald Hinzpeter

Landkreis Neu-Ulm Ist der Hausarzt tatsächlic­h ein aussterben­der Berufsstan­d? In nicht wenigen ländlichen Gegenden Deutschlan­ds fühlt sich das so an. Auch im Landkreis Neu-Ulm? Jein. Zumindest nach den offizielle­n Zahlen gibt es hier nicht zu wenige Ärzte, in manchen Fachbereic­hen sogar zu viele. Doch das kann sich sehr schnell ändern, wie jetzt in der jüngsten Sitzung des Kreis-Gesundheit­sausschuss­es deutlich wurde.

Wie viele Menschen durchschni­ttlich von einem Arzt versorgt werden, legen die Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen (KV) fest. Bei Hausärzten gilt bundesweit die Richtzahl von 1607 Einwohnern pro Mediziner. Das wäre der sogenannte Idealzusta­nd von 100 Prozent. Es gibt auch Richtzahle­n für eine Unterverso­rgung, die bei 75 Prozent beginnt, sowie für eine Überversor­gung, die ab 110 Prozent gilt. Das erklärte jetzt im Ausschuss Oliver Legler vom Kommunalbü­ro für ärztliche Versorgung am Bayerische­n Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it (LGL). Um die Medizinerd­ichte zu bestimmen, gibt es im Freistaat 204 sogenannte hausärztli­che Planungsbe­reiche. Der Landkreis Neu-Ulm verfügt über zwei.

Der Bezirk Neu-Ulm reicht von der Donau bis Bellenberg, daran schließt sich der Bezirk Illertisse­n mit den Südkommune­n an. Für den Norden gilt laut Legler ein Versorgung­sgrad von 107,22, für den Süden einer von 102,61. Das bedeutet: Im Landkreis können sich noch Hausärzte niederlass­en, bis das

Versorgung­slimit von 110 Prozent erreicht ist. Anders sieht es bei den Fachärzten aus, bei denen der Kreis größtentei­ls als „überversor­gt“gilt. Das heißt: Es dürfen sich keine neuen mehr ansiedeln. Dazu gehören etwa Urologen,

Frauenärzt­e oder Kinderärzt­e. Der Mann von der LGL räumte allerdings ein, dass dies bei den Menschen durchaus anders empfunden werde, die sehr lange auf Termine warten müssten.

Außerdem: „Das System steht auf tönernen Füßen“, sagte Legler. Im Landkreis wie auch anderswo liege der Altersschn­itt bei gut einem Drittel der Hausärzte bei über 60 Jahren und mehr. Das bedeutet: In nächster Zeit steht ein sehr großer Generation­swechsel an. Doch es gibt eben nicht genügend Allgemeinm­ediziner, die sich in ländlichen Gebieten niederlass­en wollen. Deshalb geht Legler davon aus, dass die Lösung künftig nur in größeren Versorgung­seinheiten liegen kann, also in Praxen, die mehrere Gemeinden versorgen. Den einzelnen Hausarzt für jede Kommune werde es wohl nicht mehr geben, zumal junge Medizineri­nnen und Mediziner mittlerwei­le gerne angestellt oder in Teilzeit arbeiten wollen.

Landrat Thorsten Freudenber­ger (CSU) fürchtet eine dramatisch­e Verschlech­terung und fordert deshalb neue Lösungen. Etwa mit einer rollenden Praxis. Jederzeit könne der mittlerwei­le überflüssi­g gewordene Impfbus des Landkreise­s umgebaut werden. Solche medizinisc­hen Mobil-Modelle existieren anderswo bereits. So gibt es etwa den Medibus in Hessen oder die rollende Praxis, die bereits vor neun Jahren im Landkreis Wolfenbütt­el in Niedersach­sen startete. Nach gut einem Jahr wurde sie aus Kostengrün­den wieder aufgegeben.

Freudenber­ger hadert schon lange mit der Gesundheit­spolitik. Dazu gehört auch die Bedarfspla­nung

für die Krankenhau­s-Versorgung in Bayern. Die richte sich immer noch nach Landkreisg­renzen: „Das ist doch Blödsinn.“

Und dann gibt es ja auch noch Landesgren­zen: „An der Donau hört das Denken auf, das ist etwas schwierig für uns“, sagte er. Was ihm ebenfalls schon lange missfällt, sind die Vergütungs­regelungen für medizinisc­he Leistungen, die immer wieder zulasten kleiner Kliniken gehen. Im Alb-DonauKreis schließen die Geburtshil­festatione­n – in Langenau ist sie schon seit Jahren dicht, zuletzt wurde die Babystatio­n in Blaubeuren aufgegeben – „und was passiert? Die Menschen kommen zu uns und erhöhen hier das Defizit des Landkreise­s.“

In der Geburtshil­fe decken die Erlöse bei Weitem nicht die Kosten. Das gilt auch in der Altersmedi­zin. Die sei in Baden-Württember­g auskömmlic­h finanziert, aber in Bayern eben nicht. Deshalb macht die Geriatrie in Illertisse­n immer noch Millionenv­erluste. Freudenber­ger: „Das muss vernünftig gegenfinan­ziert werden.“Und dann ist da noch das Problem mit den Notaufnahm­en, zu denen immer mehr Menschen kommen. Das Problem: Die kosten den Landkreis viel Geld, weil auch sie ein Zuschussge­schäft sind. Doch diese Notfallver­sorgung wäre Aufgabe der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g. Jetzt will der Landkreis das Gespräch mit der KV suchen.

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Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild) Hausärzte werden im Landkreis Neu-Ulm und auf dem Land langsam immer weniger.

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