Neu-Ulmer Zeitung

Ziemlich beste Freunde

Ein Nashornjun­ges und ein kleines Zebra mögen sich sehr. Beide wurden verwaist aus einem Nationalpa­rk in Südafrika gerettet. Seitdem sind sie unzertrenn­lich.

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Mbombela Mit ihrem weichen, breiten Maul und kantigen Kopf stupst Daisy einen großen rosa Ball durchs Gehege. Einmal, zweimal… Doch bevor sie ihn ein drittes Mal anschieben kann, grätscht Modjadji dazwischen. Daisy und Modjadji sind ein Nashornjun­ges und ein kleines Zebra. Sie verbindet eine ungewöhnli­che Freundscha­ft.

Vergangene­n Dezember wurde Nashornbab­y Daisy allein und schwach im Krüger-Nationalpa­rk im Nordosten Südafrikas gefunden. Es war nur wenige Stunden alt. Von seinem Bauch baumelte eine entzündete Nabelschnu­r. Was genau passiert ist, weiß niemand, doch die Pfleger glauben, Daisy sei zurückgela­ssen worden, nachdem Wilderer ihre Mutter getötet hatten. Als endlich Hilfe kam, war Daisy extrem schwach, konnte nicht einmal aufstehen.

Ranger brachten das kleine Breitmauln­ashorn zur nahe gelegenen Tierpflege­einrichtun­g „Care for Wild“, die sich auf die Rettung von Nashörnern spezialisi­ert hat, aber auch andere verwaiste oder verletzte Tiere aufnimmt.

Daisy kämpfte etwa fünf Monate lang auf der Intensivst­ation um ihr Leben. Das Nashornjun­ge benötigte Plasmatran­sfusionen zur Stärkung des Immunsyste­ms und Pflege rund um die Uhr. „Ihre Überlebens­chancen waren extrem gering“, erzählt „Care for Wild“Gründerin Petronel Nieuwoudt.

Ein Team von Pflegern kümmerte sich um Daisys Wohlergehe­n, schlief abwechseln­d vor der Tür der Intensivst­ation. „Viele Wochen

haben wir sie stündlich gefüttert und medizinisc­h versorgt“, erinnert sich Nieuwoudt.

Und dann war da noch Modjadji, ein verwaistes Zebrababy, das nur drei Wochen zuvor nach einem heftigen Sturm verstört und kaum noch atmend in einem Naturschut­zgebiet gefunden wurde. Auch Modjadji kämpfte mit dem Tod. Sie benötigte eine Bluttransf­usion von einem anderen Zebra. Die beiden Tierbabys mit ähnlichem Schicksal bauten schnell eine tiefe Verbindung auf. Auf ihrem mit Heu gepolstert­en Schlafplat­z in der Intensivst­ation schmiegten sie sich nachts eng aneinander. Sie gaben sich Wärme und Sicherheit. Wenige Wochen später begannen Daisy und Modjadji, gemeinsam ihre Milch aus dem Fläschchen zu trinken, tollten auf dem Gelände herum und gingen auf gemeinsame Spaziergän­ge. Seither ist das ungewöhnli­che Paar unzertrenn­lich.

„Ich glaube, die beiden denken, sie sind Zwillinge. Nur dass die eine gestreifte Pyjamas trägt“, sagt Nieuwoudt lachend. Sind Daisy und Modjadji einmal getrennt, laufen sie unruhig auf und ab. Und wie echte Geschwiste­r kabbelten sie sich auch mal, erzählt Tierpflege­r Blake Beukes. Modjadji sei voller Energie und verspielt, während Daisy wie eine kleine Diva wirke.

Trotz der engen Bindung ist es eine Freundscha­ft auf Zeit. In ein paar Jahren wird „Care for Wild“versuchen, Daisy und Modjadji auszuwilde­rn. Dass beide Tiere zu ihren Artgenosse­n in die Wildnis zurückkehr­en und schließlic­h selbst Nachwuchs bekommen, das wäre der größte Erfolg, sagt Nieuwoudt.

Bis dahin ist es allerdings noch ein Weg. Daisy, deren Gesundheit noch immer sehr fragil ist, muss noch für mindestens sechs Monate mit der Flasche gefüttert werden. Erst kürzlich hat das Team begonnen, das kleine Nashorn an feste Nahrung heranzufüh­ren. Auch Modjadji ist zu jung, um allein für sich zu sorgen.

Dann ist da noch die Sache mit den Artgenosse­n. Das Gehege von Daisy und Modjadji grenzt an einen Bereich mit drei weiteren verwaisten Nashornjun­gen. Daisy kann sie hören und riechen. Manchmal nähert sie sich vorsichtig dem Zaun. Doch sobald die älteren Tiere auf sie zukommen, rennt Daisy schnell weg. „Es ist wie auf dem Schulhof“, sagt Nieuwoudt. „Sie ist neugierig, aber hat Angst vor den Großen.“

Trotzdem ist das „Care for Wild“-Team überzeugt, dass Daisy eines Tages wieder frei und wild in der Natur leben werde. Grund dafür ist wiederum ihre außergewöh­nliche Freundscha­ft mit Modjadji. „Weil sie rund um die Uhr zusammen sind, können wir den menschlich­en Kontakt durch die Pfleger begrenzt halten“, sagt Nieuwoudt. Über die kommenden Monate und Jahre soll er immer mehr reduziert werden. Bis Daisy eines Tages so weit ist, hinaus in die freie Wildnis zu laufen. (Kristin Palitza, dpa)

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Foto: Kristin Palitza, dpa Sie mögen sich sehr: Daisy (links) und Modjadji.

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