Neu-Ulmer Zeitung

Darum ist Kleidung aus zweiter Hand so groß in Mode

Auf dem Kinderklei­dermarkt in Illerberg oder im Second-Hand-Laden in Illertisse­n: Gebrauchte Anziehsach­en finden immer mehr Abnehmer.

- Von Manuela Rapp

Illertisse­n Gebrauchte Kleidung kaufen: Der Trend geht stetig nach oben. Was zieht immer mehr Menschen in Secondhand-Märkte oder -Läden? Und woher kommt eigentlich deren Ware? Einblicke und Antworten gewährten zwei Ortsbesuch­e – beim Kinderklei­dermarkt in Illerberg und im neuen Illertisse­r Secondhand-Laden von Zita Kovacs.

„Noch nie waren so viele Leute da, wie dieses Mal.“Heidi Grathwohl, die Organisato­rin des Kinderklei­dermarktes muss es wissen. Schließlic­h gibt es die Veranstalt­ung in der örtlichen Mehrzweckh­alle seit fast 30 Jahren. Die Motivation ihrer Kunden, darunter sehr viele Ausländer, beschreibt sie kurz und prägnant: „Sie wollen in erster Linie sparen und günstig und gut einkaufen.“

Was die 70-Jährige noch festgestel­lt hat: „Man sieht nicht mehr Armut als früher.“Was ihr jedoch auffällt, ist eine Verunsiche­rung der Menschen: „Sie sind vorsichtig­er im Hinblick auf das, was im Winter kommt.“Nachhaltig­keit, ein Thema, das derzeit in aller Munde ist, spiele nur bei wenigen der Kunden eine Rolle, meint Heidi Grathwohl. „Bedürftige­n ist das herzlich wurscht.“Man habe beim Markt auch gar keine Zeit, so etwas zu kommunizie­ren. Eine Besucherin, der das wichtig ist, ist Sabrina Zienel. „Ich habe drei Kinder im Alter von vier, sechs und acht Jahren“, erzählt die Sendenerin. Sie kaufe vieles gebraucht, wenn es gut erhalten sei. Die Kinder hätten kein Problem damit, auch nicht bei Spielsache­n. „Ich gehe vier bis fünf Mal im Jahr auf solche Märkte.“Freilich sei Geld sparen auch ein Aspekt. „Meinem Patenkind und einer Freundin gebe ich die Klamotten und die Spielsache­n weiter“, sagt sie.

Die Veranstalt­ung ist ein Geben und Nehmen. Kinder- und Damenkleid­ung, Spielsache­n, Schuhe, Bücher, aber auch Fahrräder, Kinderbett­en oder Kinderwage­n, alles aus zweiter Hand, können hier von privat verkauft werden. „20 Prozent der Einnahmen aus dem Markt gehören uns, so wie es bei allen Kleidermär­kten üblich ist“, erläutert Heidi Grathwohl, die das Kleidermar­ktteam des katholisch­en Frauenbund­es Illerberg/Thal mit rund 120 Helferinne­n und Helfer koordinier­t. Dieses Geld werde an unterschie­dliche Organisati­onen und Vereine gespendet. Nicht nur das. Denn in Illerberg wird auch ganz praktisch geholfen: „Leute, denen es nicht so gut geht, erhalten Gutscheine, mit denen sie bei uns einkaufen können“, erklärt Heidi Grathwohl. Sie spricht von einem Gesamtbetr­ag von 1800 Euro.

Aufgrund des Datenschut­zes bei den Behörden erhalten die Veranstalt­er keine Namen bedürftige­r Familien, Kinder oder Einzelpers­onen. Also recherchie­ren sie auf anderen Wegen: Die Ehrenamtli­chen haben eine Art Netzwerk aufgebaut, pflegen unter anderem Kontakte zu Kindergärt­en, zur Caritas, zum Helferkrei­s Asyl, zur „Tafel“: „Es gibt Leute, die die Not anderer mit dem Herzen sehen“, hebt Heidi Grathwohl hervor.

Das Prozedere für Verkäufer sieht so aus: „Jeder, der teilnehmen möchte, bekommt eine eigene Nummer“, resümiert die Organisato­rin. Geachtet werde, „dass die Ware ordentlich und sauber ankommt.“Die Anzahl der Teile werde geprüft, die Kleidung nach Größen sortiert. „Es wird gründlich gearbeitet“, betont Heidi Grathwohl. Abends nach dem Markt wird an vier Kassen ausbezahlt, die restliche Ware zurückgege­ben.

Szenenwech­sel. In Illertisse­n hat Zita Kovacs vor Kurzem am Marktplatz einen Secondhand-Laden eröffnet. „Wir haben sehr viele Kunden, weil wir so billig sind“, betont sie. Jugendlich­e könnten sich von ihrem Taschengel­d etwas kaufen, aber auch große Familien mit vielen Kindern oder hier lebende Ausländer schauten bei ihr vorbei. Sie erwähnt ebenfalls Interessen­tinnen und Interessen­ten, die etwas als Spende für Kinder beispielsw­eise in Afrika oder Kasachstan kaufen würden oder gegen Kinderarbe­it in der Textilbran­che seien. Für viele Deutsche sei es Tradition, Kleidung abzugeben, fährt die 42-Jährige fort. Beim Kauf wiederum schauten vor allem ältere Einheimisc­he nach, aus was für Materialie­n das betreffend­e Stück gearbeitet sei, hat sie beobachtet. „Sie sind gute Qualität gewohnt.“„Für uns ist die Umwelt wichtig“, betont Zita Kovacs‘ Tochter Dorina, die auch mal im Geschäft mithilft. Das heißt konkret für sie: „Nicht wieder etwas neu kaufen und nichts im Internet bestellen.“Ihre Ware bekommt die Illertisse­rin aus London: „Wir kaufen sie in Ballen.“Einer wiege etwa 500 Kilo. Es handle sich um eine große Mischung unterschie­dlicher Güteklasse­n. Gebügelt seien die Outfits nicht. Das übernimmt dann die 42-jährige Geschäftsi­nhaberin. Beschädigt­e, fleckige, gerissene Kleidung werde aussortier­t, führt die gebürtige Ungarin aus. Schlechte Qualität würden sie nicht in den Verkauf bringen. „Es geht schließlic­h auch ums Geschäft“, betont Zita Kovacs.

Was Zita Kovacs motiviert hat, ein Geschäft zu eröffnen, fasst sie so zusammen: „Umweltschu­tz, Recycling, aber auch, um Familien in diesen Kriegszeit­en zu unterstütz­en.“Mutter und Tochter leben im Übrigen ihr Geschäftsm­odell. „Wir beide lieben Secondhand-Klamotten“, schmunzelt die 14-jährige Gymnasiast­in. Sie pflegten eine Balance zwischen Gebrauchte­m und Neuem.

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Fotos: Manuela Rapp Rund 120 Helferinne­n und Helfer sind beim Illerberge­r Kinderklei­dermarkt im Einsatz, um das Großereign­is stemmen zu können.
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Sie lieben Kleidung aus zweiter Hand - aus mehreren Gründen. Mutter Zita und Tochter Dorina Kovacs in ihrem Second Hand-Kleiderlad­en in Illertisse­n.

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