Darum ist Kleidung aus zweiter Hand so groß in Mode
Auf dem Kinderkleidermarkt in Illerberg oder im Second-Hand-Laden in Illertissen: Gebrauchte Anziehsachen finden immer mehr Abnehmer.
Illertissen Gebrauchte Kleidung kaufen: Der Trend geht stetig nach oben. Was zieht immer mehr Menschen in Secondhand-Märkte oder -Läden? Und woher kommt eigentlich deren Ware? Einblicke und Antworten gewährten zwei Ortsbesuche – beim Kinderkleidermarkt in Illerberg und im neuen Illertisser Secondhand-Laden von Zita Kovacs.
„Noch nie waren so viele Leute da, wie dieses Mal.“Heidi Grathwohl, die Organisatorin des Kinderkleidermarktes muss es wissen. Schließlich gibt es die Veranstaltung in der örtlichen Mehrzweckhalle seit fast 30 Jahren. Die Motivation ihrer Kunden, darunter sehr viele Ausländer, beschreibt sie kurz und prägnant: „Sie wollen in erster Linie sparen und günstig und gut einkaufen.“
Was die 70-Jährige noch festgestellt hat: „Man sieht nicht mehr Armut als früher.“Was ihr jedoch auffällt, ist eine Verunsicherung der Menschen: „Sie sind vorsichtiger im Hinblick auf das, was im Winter kommt.“Nachhaltigkeit, ein Thema, das derzeit in aller Munde ist, spiele nur bei wenigen der Kunden eine Rolle, meint Heidi Grathwohl. „Bedürftigen ist das herzlich wurscht.“Man habe beim Markt auch gar keine Zeit, so etwas zu kommunizieren. Eine Besucherin, der das wichtig ist, ist Sabrina Zienel. „Ich habe drei Kinder im Alter von vier, sechs und acht Jahren“, erzählt die Sendenerin. Sie kaufe vieles gebraucht, wenn es gut erhalten sei. Die Kinder hätten kein Problem damit, auch nicht bei Spielsachen. „Ich gehe vier bis fünf Mal im Jahr auf solche Märkte.“Freilich sei Geld sparen auch ein Aspekt. „Meinem Patenkind und einer Freundin gebe ich die Klamotten und die Spielsachen weiter“, sagt sie.
Die Veranstaltung ist ein Geben und Nehmen. Kinder- und Damenkleidung, Spielsachen, Schuhe, Bücher, aber auch Fahrräder, Kinderbetten oder Kinderwagen, alles aus zweiter Hand, können hier von privat verkauft werden. „20 Prozent der Einnahmen aus dem Markt gehören uns, so wie es bei allen Kleidermärkten üblich ist“, erläutert Heidi Grathwohl, die das Kleidermarktteam des katholischen Frauenbundes Illerberg/Thal mit rund 120 Helferinnen und Helfer koordiniert. Dieses Geld werde an unterschiedliche Organisationen und Vereine gespendet. Nicht nur das. Denn in Illerberg wird auch ganz praktisch geholfen: „Leute, denen es nicht so gut geht, erhalten Gutscheine, mit denen sie bei uns einkaufen können“, erklärt Heidi Grathwohl. Sie spricht von einem Gesamtbetrag von 1800 Euro.
Aufgrund des Datenschutzes bei den Behörden erhalten die Veranstalter keine Namen bedürftiger Familien, Kinder oder Einzelpersonen. Also recherchieren sie auf anderen Wegen: Die Ehrenamtlichen haben eine Art Netzwerk aufgebaut, pflegen unter anderem Kontakte zu Kindergärten, zur Caritas, zum Helferkreis Asyl, zur „Tafel“: „Es gibt Leute, die die Not anderer mit dem Herzen sehen“, hebt Heidi Grathwohl hervor.
Das Prozedere für Verkäufer sieht so aus: „Jeder, der teilnehmen möchte, bekommt eine eigene Nummer“, resümiert die Organisatorin. Geachtet werde, „dass die Ware ordentlich und sauber ankommt.“Die Anzahl der Teile werde geprüft, die Kleidung nach Größen sortiert. „Es wird gründlich gearbeitet“, betont Heidi Grathwohl. Abends nach dem Markt wird an vier Kassen ausbezahlt, die restliche Ware zurückgegeben.
Szenenwechsel. In Illertissen hat Zita Kovacs vor Kurzem am Marktplatz einen Secondhand-Laden eröffnet. „Wir haben sehr viele Kunden, weil wir so billig sind“, betont sie. Jugendliche könnten sich von ihrem Taschengeld etwas kaufen, aber auch große Familien mit vielen Kindern oder hier lebende Ausländer schauten bei ihr vorbei. Sie erwähnt ebenfalls Interessentinnen und Interessenten, die etwas als Spende für Kinder beispielsweise in Afrika oder Kasachstan kaufen würden oder gegen Kinderarbeit in der Textilbranche seien. Für viele Deutsche sei es Tradition, Kleidung abzugeben, fährt die 42-Jährige fort. Beim Kauf wiederum schauten vor allem ältere Einheimische nach, aus was für Materialien das betreffende Stück gearbeitet sei, hat sie beobachtet. „Sie sind gute Qualität gewohnt.“„Für uns ist die Umwelt wichtig“, betont Zita Kovacs‘ Tochter Dorina, die auch mal im Geschäft mithilft. Das heißt konkret für sie: „Nicht wieder etwas neu kaufen und nichts im Internet bestellen.“Ihre Ware bekommt die Illertisserin aus London: „Wir kaufen sie in Ballen.“Einer wiege etwa 500 Kilo. Es handle sich um eine große Mischung unterschiedlicher Güteklassen. Gebügelt seien die Outfits nicht. Das übernimmt dann die 42-jährige Geschäftsinhaberin. Beschädigte, fleckige, gerissene Kleidung werde aussortiert, führt die gebürtige Ungarin aus. Schlechte Qualität würden sie nicht in den Verkauf bringen. „Es geht schließlich auch ums Geschäft“, betont Zita Kovacs.
Was Zita Kovacs motiviert hat, ein Geschäft zu eröffnen, fasst sie so zusammen: „Umweltschutz, Recycling, aber auch, um Familien in diesen Kriegszeiten zu unterstützen.“Mutter und Tochter leben im Übrigen ihr Geschäftsmodell. „Wir beide lieben Secondhand-Klamotten“, schmunzelt die 14-jährige Gymnasiastin. Sie pflegten eine Balance zwischen Gebrauchtem und Neuem.