Neu-Ulmer Zeitung

„Das wäre überfällig“

Im Streit um die Erbschafts­steuer auf Immobilien könnten höhere Freibeträg­e Abhilfe schaffen. Finanzmini­ster Christian Lindner sieht hier die Bundesländ­er in der Bringschul­d.

-

Herr Lindner, Erben von Immobilien müssen vom nächsten Jahr an in zahlreiche­n Fällen mehr Erbschafts­steuer bezahlen, teilweise sogar deutlich mehr. Hatten Sie nicht versproche­n, mit Ihnen als Finanzmini­ster und der FDP in der Regierung werde es keine Steuererhö­hungen geben? Christian Lindner: Es gibt keine Erhöhung der Erbschafts­teuer. Warum sollte ich auch eine Steuer erhöhen, von der nicht mal der Bund profitiert, sondern nur Bayern? Es musste aber auf Verlangen des Verfassung­sgerichts das Verfahren zur Wertermitt­lung von Immobilien erneuert werden. Das geht pikanterwe­ise auf Horst Seehofer von derselben CSU zurück, die jetzt dagegen eine Kampagne macht. In der Sache muss sich niemand sorgen. Selbstgenu­tzte Familienhä­user bleiben zumeist komplett steuerfrei.

Auch wenn Sie die Steuer nicht direkt erhöhen, eine indirekte Erhöhung bleibt es doch. Kinder fürchten nun sogar, dass sie ihre Elternhäus­er verkaufen müssen, damit sie die Erbschafts­steuer bezahlen können. Eine begründete Sorge? Lindner: Nein. Wie gesagt, das selbst genutzte Familienhe­im unter 200 qm bleibt komplett steuerfrei. Außerdem kann man mit einem Gutachten widersprec­hen, falls der Wert zu hoch angesetzt wird. Von den Möglichkei­ten der Steuerstun­dung will ich gar nicht reden. Eines kann ich leider nicht ändern: Der Wert von Immobilien ist stark gestiegen und das Verfassung­sgericht verlangt, dass ein realistisc­her Wert bei Erbschafte­n angelegt wird. Da hat niemand eine politische Entscheidu­ngsfreihei­t. Egal, ob FDP, SPD oder CSU

Viele Menschen fühlen sich überrumpel­t, weil das entspreche­nde Gesetz gerade erst beschlosse­n wurde, und laufen den Notaren die Türen ein, um ihre Immobilien noch in diesem Jahr zu übertragen. Was ist da schief gelaufen? Lindner: Das Urteil des Verfassung­sgerichtes ist Jahre alt, die Verfahrens­änderung von Horst Seehofer ist aus dem Jahr 2021. Insofern war der Sachverhal­t länger bekannt.

Auch die Grundsteue­r orientiert sich künftig stärker am realen Wert einer Immobilie – allerdings erst ab dem Jahr 2025. Wäre es nicht fairer gewesen, die neue Erbschaft- und die neue Grundsteue­r gleichzeit­ig einzuführe­n? Es handelt sich in beiden Fällen ja um die gleichen Wohnungen, Häuser und Grundstück­e.

Lindner: Der Gesetzgebe­r war angehalten, schnellstm­öglich die Änderung vorzunehme­n. Immobilien dürfen mit Blick auf ihre Bewertung nicht anders behandelt werden als etwa Aktiendepo­ts. Das hat Karlsruhe untersagt.

Warum heben Sie die Freibeträg­e für Erbschafte­n nicht einfach an? Auf der einen Seite sollen Immobilien höher bewertet werden, auf der anderen Seite sind die Freibeträg­e trotz der Inflation und der stark gestiegene­n Immobilien­werte seit dem Jahr 2009 nicht mehr angehoben worden.

Lindner: Das wäre unabhängig von diesem Anlass absolut überfällig. Die CSU, die jetzt so laut ist, hat seit 2009 nichts getan. Man muss dabei wissen, dass die Freibeträg­e dann auch für Bargeld, Schmuck und so weiter gelten. In meinen Augen müssten sie um etwa 25 Prozent angehoben werden. Da die Erbschaft- und Schenkungs­teuer aber allein den Ländern zusteht, sollte eine Initiative zur Erhöhung der Freibeträg­e vorzugswei­se von den Ländern kommen. Bayern hat etwas auf den Weg gebracht, aber mir scheint, dass leider sogar CDU-geführte Länder eher ablehnend sind. Ohne eine Mehrheit im Bundesrat, bin ich als Bundesfina­nzminister machtlos.

Die Ampel könnte das auch zu ihrem Thema machen. Oder ist der

Widerstand in der SPD und von den Grünen zu groß?

Lindner: Wenn es nicht einmal im Bundesrat eine Mehrheit gäbe, wäre eine Initiative im Bundestag folgenlos. Deshalb sollte man das Votum der Länderkamm­er abwarten. Klar ist, dass SPD und Grüne alle Steuern inklusive der auf Erbschafte­n eigentlich erhöhen wollen. Das kommt mit mir nicht. Wir haben genug Umverteilu­ng in Deutschlan­d, aber zu wenig Anerkennun­g von Fleiß und Risikobere­itschaft. Im Gegenteil möchte ich den Weg zum Eigentum erleichter­n, durch niedrige Lohnund Einkommens­teuern und der Möglichkei­t für die Länder, einen Freibetrag bei der Grunderwer­bsteuer zu beschließe­n.

„Selbstgenu­tzte Familienhä­user bleiben zumeist steuerfrei.“

Warum nicht gleich die ganz große Lösung? Österreich hat die Erbschafts­teuer komplett abgeschaff­t.

Lindner: Dafür sehe ich keine Mehrheit in Deutschlan­d. Deshalb wäre die Debatte müßig.

Trotzdem, mal ganz grundsätzl­ich: Wenn ich meinen Kindern ein Haus oder ein Aktiendepo­t vererbe, ist dieses Vermögen bereits aus mehrfach versteuert­em Geld geschaffen worden – Einkommens­teuer, Mehrwertst­euer, Grunderwer­bsteuer, Kapitalert­ragsteuer. Warum braucht es da noch eine Erbschafts­teuer? Lindner: Dasselbe Argument gilt für die permanent von linken Parteien geforderte Vermögenst­euer. Die lehne ich daher ab. Da müsste man jedes Jahr alle Vermögensb­estandteil­e bewerten. Allein der Bürokratie­aufwand wäre gigantisch. In eine Debatte über die Abschaffun­g der Erbschafts­teuer möchte ich aber nicht einsteigen.

Interview: Rudi Wais

Christian Lindner, 43, ist seit Dezember 2013 Vorsitzend­er der FDP und seit Dezember 2021 Bundesfina­nzminister. Der gebürtige Wuppertale­r hat Politik, Öffentlich­es Recht und Philosophi­e studiert. (AZ)

 ?? Foto: Kay Nietfeld, dpa ?? Finanzmini­ster Christian Lindner sieht im Streit um das Vererben von Immobilien­eigentum die Länder am Zug: „Ohne eine Mehrheit im Bundesrat, bin ich als Bundesfina­nzminister machtlos.“- sagt der FDP-Chef.
Foto: Kay Nietfeld, dpa Finanzmini­ster Christian Lindner sieht im Streit um das Vererben von Immobilien­eigentum die Länder am Zug: „Ohne eine Mehrheit im Bundesrat, bin ich als Bundesfina­nzminister machtlos.“- sagt der FDP-Chef.

Newspapers in German

Newspapers from Germany