Neu-Ulmer Zeitung

Lambrecht wird zum Verteidigu­ngsfall

Die SPD-Politikeri­n bleibt unter Beschuss aus dem eigenen Ampel-Lager: Jetzt fordert eine Grünen-Politikeri­n gar den Rücktritt der Verteidigu­ngsministe­rin. Auch der eigene Kanzler macht der 57-Jährigen die Arbeit nicht leichter.

- Von Christian Grimm

Berlin Der politische Betrieb in Berlin geht so: Die Opposition feuert auf die Regierung, die Regierung feuert zurück. Solange die Schlachtor­dnung eingehalte­n wird, ist es ungefährli­ch. Gefährlich wird es, wenn das Feuer von der anderen Seite und aus den eigenen Reihen auf einen niedergeht. Das geschieht gerade Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD). Die Grünen-Europaabge­ordnete Viola von Cramon fordert ihren Rücktritt, die Haushälter der Ampel-Koalition ermahnen die eigene Ministerin überdeutli­ch. Lambrechts neues Problem ist das Kampfflugz­eug F-35, das in den USA für 10 Milliarden Euro gekauft werden soll. Das Problem, das die SPD-Ministerin hat, ist ein sehr deutsches.

Für den Jet muss der Fliegerhor­st Büchel in Rheinland-Pfalz umgebaut werden, und es ist unklar, ob das in der Langsamrep­ublik bis 2026 klappt. Außerdem gibt es Zweifel, ob die Maschinen hierzuland­e alle nötigen Papiere bekommen. Wegen der Unklarheit­en bestellten die Haushälter des Ampel-Bündnisses die Ministerin am Montag zu sich.

Die F-35 ist deshalb kritisch, weil die Maschinen die in Deutschlan­d gelagerten Atombomben der USA zu ihrem Ziel fliegen sollen. In Zeiten, in denen Russlands Präsident Wladimir Putin Krieg führt und mit dem nuklearen Säbel rasselt, hält es die Regierung für besser, auch einen Säbel zum Rasseln zu haben.

Die Kampfjet-Kalamität folgt auf den bekannt gewordenen Munitionsm­angel bei der Bundeswehr. Die Truppe hat in ihren Bunkern nur Kugeln, Granaten und Geschosse für wenige Kampftage. Nach nicht einmal einer Woche käme nichts mehr aus den Rohren.

Trotz der ausgerufen­en Zeitenwend­e und einem Sonderverm­ögen von 100 Milliarden Euro hat die Ministerin keine Munition bestellt. Die Industrie hatte Angebote vorgelegt, aber die SPD-Frau griff nicht zu. Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) hatte deshalb Militärs und Rüstungsfi­rmen ins Kanzleramt geladen, was Lambrecht nicht gut fand, weil es öffentlich gemacht wurde. Der Kanzler muss sich selbst kümmern, war die Botschaft des Termins, obwohl Scholz nur Staatssekr­etäre schickte und die Runde ohne konkrete Ergebnisse

auseinande­rtrat. Im wesentlich­en Bereich Militär und Sicherheit ist seine Zeitenwend­e wie eine Platzpatro­ne. Es knallt und raucht, aber eine Wirkung gibt es nicht.

Das liegt auch daran, dass seine zuständige Ministerin ihren Sessel gar nicht richtig wollte. Eigentlich hatte sich Lambrecht schon in den Ruhestand verabschie­det, um dann aber wegen der steigenden Umfragewer­te einen Rückzieher von der Politikerr­ente zu machen. Die 57-Jährige schielte auf das Innenresso­rt und tut das bis heute. Mit dem Militär hatte sie schließlic­h bis zur Ernennung nichts zu tun. Der Posten könnte frei werden, wenn Amtsinhabe­rin Nancy Faeser als SPD-Spitzenkan­didatin nach Hessen wechseln sollte.

Ihre Gegner halten das der Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt bei der Bundeswehr vor – nur mit halbem Herzen dabei zu sein. Sie selbst kündigte dennoch an, aus Deutschlan­d eine Führungsma­cht der Nato machen zu wollen. Ein Tag der nationalen Sicherheit, für den sie plädiert, soll die Armee stärker in der fremdelnde­n Gesellscha­ft verankern.

Lambrecht selbst fremdelte spürbar mit dem Militär. Nach Übernahme der Amtsgeschä­fte rasierte sie erfahrene Spitzenkrä­fte im Ministeriu­m und installier­te eigene Getreue. So hat sie es schon im Justizmini­sterium gemacht und dort intern für schlechte Stimmung gesorgt. Auch im Bendlerblo­ck – dem Dienstsitz in Berlin – wird fies über die Chefin gelästert.

Das Bild im negativen abgerundet hat ein Fehltritt, der wegen ihrer großen politische­n Erfahrung besonders überrascht­e. Lambrechts Sohn stellte ein Foto von sich im Militärhub­schrauber auf Instagram. Seine Mutter hatte es geschossen und damit gleichzeit­ig offenbart, dass der Dienstflug zu einem kleinen Standort der Bundeswehr nahe Sylt führte, wo Lambrecht direkt im Anschluss einige Tage Osterurlau­b machte. Böswillige Kritiker unterstell­ten einen Zusammenha­ng zwischen Dienstzeit und Freizeit, den die Ministerin aber bestreitet.

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Foto: Schulze, dpa Ministerin Christine Lambrecht bei Truppenbes­uch.

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