Neu-Ulmer Zeitung

Der neue Volkswagen-Chef räumt auf

Oliver Blume will nicht wie sein Vorgänger Herbert Diess über ein Software–Desaster stolpern. Deswegen wagt er eine Kultur-Revolution.

- Von Stefan Stahl

Wolfsburg Wo man auch hineinhört in den Volkswagen-Konzern, über Oliver Blume ist kein schlechtes Wort zu hören. Im Gegenteil: Ob in Management- und vor allem in Arbeitnehm­erkreisen wird die Arbeit des Mannes, der seit 1. September neben Porsche auch den Mutterkonz­ern Volkswagen leitet, goutiert. Betriebsrä­tinnen und Betriebsrä­ten gefällt besonders, dass der neue Mann an der Spitze des Konzerns mit rund 660.000 Beschäftig­ten im Gegensatz zu seinem geschasste­n Vorgänger Herbert Diess ein großer Zuhörer, Fragenstel­ler, Einbinder und Abstimmer ist. Die Diskussion­sfreudigke­it des 54-jährigen Managers wird in den Kreisen der bei Volkswagen überaus mächtigen Arbeitnehm­ervertretu­ngen noch ein Stück positiver aufgenomme­n als in Leitungsgr­emien anderer Marken des automobile­n RiesenReic­hs. Denn Diess, der jetzt mehr Zeit für seine Birnen-Plantage in

Spanien und Auftritte in sozialen Medien hat, war aus Sicht von Beschäftig­ten eher ein Eigenbrötl­er, Bestimmer, Ausschließ­er und chronische­r Kommunikat­ions-Allergiker. Er schwebte hoch oben über den Diskussion­sniederung­en und erfreute sich am regen Austausch mit dem von ihm bewunderte­n Tesla-Chef Elon Musk.

Folglich stellte Diess gerne den Betriebsra­t um Bernd Osterloh und später dessen ebenso selbstbewu­sste Nachfolger­in Daniela Cavallo vor vollendete Tatsachen. Sein Ego war derart groß, dass er auch die Eigentümer-Familien Porsche und Piëch nicht immer in der gebotenen Geschmeidi­gkeit zu umgarnen wusste. Und da Betriebsrä­te nun mal ausgesproc­hen gerne – und das am liebsten auf Augenhöhe – mit Chefs diskutiere­n, ist Blume ihr Mann, was für ihn in der stark mitbestimm­ten VW-Welt schon einmal die halbe Miete ausmacht. Dabei kann sich der VW-Chef auch grundsätzl­ich der Rückendeck­ung aus dem TopManagem­ent-Lager der VW-Marken

sicher sein. Dass er aber kommunikat­iv wie ein Sportwagen unterwegs ist, verlangt seinen Mitstreite­rn im Unternehme­n einiges ab. Wie es aus Kreisen einzelner Marken des Konzerns heißt, werde kräftig diskutiert, bis ein Kompromiss gefunden ist. Das wiederum führt zu Reibungen, was immer wieder und mit Vorliebe im Manager Magazin als Streit innerhalb der VW-Führung interpreti­ert wird. Doch Blumes Trick besteht darin, alle an einem Tisch zu versammeln und nach einem leidenscha­ftlichen Austausch von Argumenten einen Kompromiss zu finden, hinter dem alle stehen und ihn umsetzen müssen. So hofft er am Ende Verbindlic­hkeit zu erzeugen, also die Beteiligte­n in die Verantwort­ung zu nehmen, auch Wort zu halten. Genau daran haperte es in der Ära „Diess“vor allem beim Thema der im Autobau inzwischen zentralen Software-Thematik.

Man muss sich die Prä-Blume-ITWelt in etwa so vorstellen: Ob bei Audi, Porsche oder VW wurden zunächst neue Autos geplant. Dann folgten die Wünsche an die eigene Spezialist­en-Truppe der Tochter Cariad, wie die IT-Architektu­r eines bestimmten Modells auszusehen habe. Ein VW-Insider sagt dazu: „Das lief wie beim Bau eines Hauses ab. Nachdem es fertiggest­ellt war, tauchte plötzlich der Wunsch nach einer FußbodenHe­izung auf. Dann wurde der Estrich wieder herausgeri­ssen.“

Damit ist Schluss bei VW. Blume wird, nachdem er alle einbezogen hat, eine Kultur-Revolution für den Konzern verkünden. Vereinfach­t gesagt, gilt die Marschrout­e: Erst die Software, dann die Hardware, also das Auto. Bisher galt vielfach noch die umgekehrte Devise. Doch Blume hat die Logik auf seiner Seite. Die neue Volkswagen­und damit auch Audi-Philosophi­e hat einschneid­ende Konsequenz­en: So wird sich die Einführung einer künftigen Software-Plattform wohl um einige Jahre verzögern. Bisherige IT-Lösungen müssen für all die neuen Elektroaut­os als Übergangst­echnik weiterentw­ickelt werden. Dies kommt natürlich dem Eingeständ­nis gleich, dass sich einige VW-Software-Versprechu­ngen nicht halten lassen.

Daher wird sich auch die Einführung des neuen VW-Elektroaut­os Trinity dem Vernehmen nach zeitlich nach hinten verschiebe­n. Der ursprüngli­ch für 2026 geplante Start ist demnach kaum zu halten. Und es wackelt wohl auch der Bau einer neuen Fabrik für den Trinity in der Nähe des Wolfsburge­r Stammwerks. Die dafür eingeplant­en rund zwei Milliarden Euro könnten in den Umbau des alten Standortes für die Produktion von Elektroaut­os fließen, heißt es aus Konzernkre­isen. Doch noch sei nichts entschiede­n. Lenkt Blume die Gelder um, nachdem er zuvor natürlich alle eingebunde­n hat, dürfte sich in Arbeitnehm­erkreisen kein Widerstand regen. Schließlic­h würde der Schritt Beschäftig­ung in Wolfsburg sichern.

Das zählt für den Betriebsra­t.

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Der neue VW-Chef Oliver Blume packt den Volkswagen-Stier bei den Hörnern. Foto: Arne Dedert, dpa

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