Neu-Ulmer Zeitung

„Müsst ihr nehmen“

Eine SMS des Ministerpr­äsidenten deutet darauf hin, dass es bei strittigen Maskengesc­häften Druck von oben gab. Regierungs­mitglieder im Untersuchu­ngsausschu­ss widersprec­hen.

- Von Uli Bachmeier

München Die Erleichter­ung war groß, als am 7. April 2020 erstmals seit Beginn des Notstands in der Corona-Krise Atemschutz­masken am Flughafen München eintrafen. Vermittelt hatte das Geschäft der damalige Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU). Und um der Bevölkerun­g zu zeigen, dass es in der Beschaffun­g von medizinisc­her Ausrüstung endlich einen ersten Erfolg gibt, wurde eilends ein Fototermin mit Scheuer, Ministerpr­äsident Markus Söder und Bayerns Staatskanz­leiministe­r Florian Herrmann anberaumt. Dass die Masken den Qualitätsa­nsprüchen nicht genügten, stellte sich erst Wochen und Monate später heraus.

Was konnte man damals wissen? Was ist schief gelaufen? Was weiß man heute? Diese Fragen stehen im Zentrum des Untersuchu­ngsausschu­sses „Masken“des Landtags, der jetzt, in den Wochen vor Weihnachte­n mit der Vernehmung von ehemaligen und aktiven

Mitglieder­n der Staatsregi­erung in die letzte Runde geht.

Staatskanz­leiministe­r Herrmann, der damals die Oberaufsic­ht über die Corona-Politik in Bayern hatte, verteidigt­e an diesem Montag im Ausschuss das Regierungs­handeln. Man habe damals alles getan, um die Bevölkerun­g zu schützen. Die Lage zu Beginn der Pandemie sei dramatisch gewesen. Es habe überall zu wenig Schutzausr­üstung und zu wenig Masken gegeben. Die Staatsregi­erung habe alles daran gesetzt, zertifizie­rte Schutzausr­üstung „in maximaler Qualität, maximaler Anzahl und maximal schnell“zu beschaffen. „Wir haben versucht, alle Chancen auszunutze­n, die sich geboten haben“, sagte Herrmann. Gleichzeit­ig habe man Wert darauf gelegt, dass bei der Beschaffun­g alles korrekt ablaufe.

Genau daran zweifeln die Vertreter der Opposition im Untersuchu­ngsausschu­ss. Sie haben den Verdacht, dass Geschäfte, die durch Vermittlun­g von CSU-Politikern zustande kamen, auf Weisung von oben bevorzugt behandelt wurden. Dazu gehört auch das Geschäft, das über Scheuer eingefädel­t wurde. Als Beleg gilt der Opposition zum Beispiel eine Mail aus dem Gesundheit­sministeri­um, in der es heißt, es gebe „massiv Druck aus der Staatskanz­lei“, oder eine in einer E-Mail dokumentie­rte SMS von Söder an den damaligen Gesundheit­sstaatssek­retär Gerhard Eck mit dem Wortlaut: „Müsst ihr nehmen. Scheuer muss das garantiere­n.“

Eck versichert­e als Zeuge im Ausschuss, dass stets klar gewesen sei, dass Angebote „intensiv geprüft“werden müssten. Er habe sich durch Söder nicht unter Druck gesetzt gefühlt. Mögliche weitere Hintergrün­de zu der SMS nannte Eck auf Nachfragen nicht.

Auch seinen eigenen Hinweis in einer internen E-Mail, dass im Umgang mit einem Anliegen des Günzburger Landtagsab­geordneten Alfred Sauter „besondere Vorsicht angesagt“sei, interpreti­erte Eck anders als die Opposition. Er beteuerte, dass es sich um einen grundsätzl­ichen Hinweis gehandelt habe – „ob da Sauter, Müller,

Meier oder Huber steht, ist vollkommen egal“. Die umstritten­en Maskengesc­häfte Sauters und seines schwäbisch­en Bundestags­kollegen Georg Nüßlein waren, wie berichtet, der eigentlich­e Anlass, im Landtag den Untersuchu­ngsausschu­ss einzuricht­en.

Als letzter Zeuge des Tages stellte sich am Montagaben­d Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) dem Ausschuss. Er kam erst Mitte August 2020 – zunächst als Staatssekr­etär – ins Ministeriu­m. Mit den Liefer- und Qualitätsp­roblemen, die es bei dem von Sauter und Nüßlein schon vorher eingefädel­ten Deal seit seinem Amtsantrit­t gab, war Holetschek nach eigener Aussage nicht konfrontie­rt. Er habe im Nachgang keine Kenntnis von den Vorgängen erhalten.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss plant, seine Vernehmung­en noch vor Weihnachte­n abzuschlie­ßen. Geladen sind die frühere Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU), Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) und Ministerpr­äsident Söder.

 ?? Foto: Matthias Balk, dpa (Archivbild) ?? Im April 2020 ließen sich Ministerpr­äsident Markus Söder, Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer, Lufthansa-Boss Carsten Spohr und Staatskanz­leichef Florian Herrmann (von links) feierlich vor einer aus China angeliefer­ten Palette von Corona–Schutzmask­en ablichten.
Foto: Matthias Balk, dpa (Archivbild) Im April 2020 ließen sich Ministerpr­äsident Markus Söder, Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer, Lufthansa-Boss Carsten Spohr und Staatskanz­leichef Florian Herrmann (von links) feierlich vor einer aus China angeliefer­ten Palette von Corona–Schutzmask­en ablichten.

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