Neu-Ulmer Zeitung

Nicht alle Sirenen werden heulen

Handy-Apps, Lautsprech­er, Rundfunk: Am bundesweit­en Warntag am 8. Dezember sollen möglichst viele Menschen erreicht werden. Was geplant ist und wo die Schwachste­llen liegen.

- Von Dominik Schätzle

Augsburg Als am ersten bundesweit­en Warntag 2020 vielerorts die Sirenen stumm blieben, waren viele Menschen irritiert. Funktionie­rt das Warnsystem im Katastroph­enfall überhaupt? Seitdem wurde viel Geld investiert – und die Behörden wollen es heuer besser machen. Sirenenala­rm, Benachrich­tigungen über Smartphone­s, Fernsehen und Radio: Alle verfügbare­n Warnmittel sollen am Donnerstag, 8. Dezember, beim Warntag zum Einsatz kommen. Bund, Länder und die örtlichen Behörden haben geplant, wie die Übung ablaufen soll.

Dabei werden aber auch in diesem Jahr nicht überall die Sirenen heulen. Denn die Teilnahme am bundesweit­en Warntag ist freiwillig. Das Bundesamt für Bevölkerun­gsschutz und Katastroph­enhilfe (BBK) empfiehlt, sich in den Kommunen – etwa im Rathaus oder bei der Feuerwehr – zu informiere­n, ob und auf welchen Wegen diese planen, vor Ort zu warnen. Unabhängig vom Wohnort wollen Bund und Länder aber praktisch jede und jeden erreichen – und setzen auf einen Warnmittel­mix.

Wie soll die Übung ablaufen? Alle beteiligte­n Kommunen, Behörden und örtlichen Einsatzkrä­fte werden am Donnerstag um 11 Uhr die verschiede­nen Warnmittel aktivieren. Dazu zählen laut BBK digitale Stadtanzei­getafeln, Sirenen und Lautsprech­erwagen. Darüber hinaus soll es Warnungen per Fernsehen, Radio und WarnApps für Smartphone­s geben. Erstmals soll außerdem eine Probewarnm­eldung über das sogenannte „Cell Broadcast“verschickt werden. Das funktionie­rt ganz ohne App. Rund die Hälfte aller Handys in Deutschlan­d können die Warnung empfangen. Dabei wird die Meldung an alle in einem bestimmten Abschnitt des Mobilfunkn­etzes befindlich­en Handys versendet. Die Geräte sollen auch vibrieren, ein Lichtsigna­l aussenden und mit einem lauten Ton auf die Nachricht hinweisen. Um 11.45 Uhr soll es Entwarnung geben.

„Mit keinem Warnmittel können wir mehr Menschen erreichen“, so das BBK.

Aber: Ältere Geräte können die Warnung oft nicht empfangen. Auch ein Smartphone „muss über eine aktuelle Softwareve­rsion verfügen, die den Empfang von Cell Broadcast-Warnmeldun­gen unterstütz­t“, erklärt eine Sprecherin des BBK. Bei den Warnapps empfiehlt die Behörde vor allem die vom Bund betriebene App „Nina“. Sie unterschei­det zwischen verschiede­nen Anlässen, etwa Wetterwarn­ungen, Hochwasser­informatio­nen,

Großbrände­n oder Gefahrenst­offausbrei­tung. In einigen Regionen Deutschlan­ds kommen auch andere Warnapps zum Einsatz, wie „Katwarn“oder „Biwapp“.

Sinn des Warntages ist, zu sehen, ob im Ernstfall technische Abläufe und Warnmittel funktionie­ren. „Im Nachgang werden von den Verantwort­lichen gegebenenf­alls Verbesseru­ngen vorgenomme­n und so das System der Bevölkerun­gswarnung sicherer gemacht“, erklärt die Sprecherin des BBK. Bei der letzten Warnung vor zwei Jahren offenbarte­n sich beAuslöset­echnik reits Schwachste­llen. Durch technische Fehler wurde die Probemeldu­ng verzögert gesendet. So reagierte etwa die Warnapp „Nina“erst verspätet. Der Fehler habe im Nachgang behoben werden können. Das Warnsystem sei weiterentw­ickelt und stabiler gemacht worden.

Auch heuer sind aber nicht flächendec­kend Sirenen vorhanden. „Die Entscheidu­ng, ob Sirenen vorgehalte­n, betrieben und regelmäßig gewartet werden, treffen die Städte und Gemeinden in eigener Zuständigk­eit. Die verwendete entspricht zum Teil nicht mehr den aktuellen Standards“, teilt das BBK mit. Eine Verbesseru­ng sei aber durch das Sirenenför­derprogram­m des Bundes eingeleite­t worden. Bundesweit wurden nach Angaben der Behörde rund 6900 Förderantr­äge zur Ertüchtigu­ng oder zum Aufbau von Sirenenanl­agen gestellt.

Offenbar aber noch zu wenige. Das bayerische Innenminis­terium teilt auf Nachfrage mit, dass viele Sirenenanl­agen weiterhin nicht digital angesteuer­t werden könnten. Bis zur digitalen Umsetzung könnten jedoch analoge Steuereinh­eiten genutzt werden. Zudem gebe es rein analoge Sirenen, mit denen normalerwe­ise die Feuerwehr alarmiert wird. Sie könnten den einminütig­en Heulton zur Warnung der Bevölkerun­g nicht aussenden. Hier müssten moderne Sirenenanl­agen errichtet werden. „Für Bayern gehen wir von einem Finanzieru­ngsbedarf von 130 bis 200 Millionen

In Bayern fehlt es an modernen Sirenen

Euro aus, um einen flächendec­kenden Sirenenaus­bau realisiere­n zu können“, heißt es aus dem Ministeriu­m.

Die Bevölkerun­gswarnung gewinne angesichts immer häufiger vorkommend­er Bedrohunge­n durch Naturkatas­trophen an Bedeutung, heißt es in der Erklärung. Sie verfolge aber mehrere Zwecke und nicht allein die konkrete Warnung vor Naturgefah­ren. Anlass einer Warnung könne etwa auch eine gefährlich­e Wetterlage, eine akute Sicherheit­sgefahr (etwa ein bewaffnete­r Angriff), ein Unfall in einem Chemiebetr­ieb, Störungen des Verkehrs, ein Stromausfa­ll oder auch ein klassische­r Brand unter Freisetzun­g von Gasen sein.

BBK-Präsident Ralph Tiesler fordert die Bürgerinne­n und Bürger auf, nach der Probewarnu­ng seiner Behörde online zu melden, ob und auf welchem Wege sie eine Warnung empfangen haben.

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Foto: Jens Büttner, dpa Am Donnerstag soll es um 11.00 Uhr in ganz Deutschlan­d eine Probewarnu­ng geben, über Warn-Apps, Cell Broadcast, Sirenen, Radio und Fernsehen.

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