Neu-Ulmer Zeitung

Die schleichen­de Gefahr

Etwa 25 Prozent der Erwachsene­n in westlichen Ländern haben eine Fettleber. Viele von ihnen merken davon lange nichts. Doch sie kann erhebliche gesundheit­liche Probleme auslösen.

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Rund 20 Millionen Erwachsene leben in Deutschlan­d mit einer nicht auf Alkoholkon­sum zurückzufü­hrenden Fettlebere­rkrankung – oft ohne etwas davon zu ahnen. Was ist das eigentlich, eine Fettleber?

Tobias Weber: Wie der Name schon sagt, zeichnet sich die Fettleber durch eine vermehrte Einlagerun­g von Fett in die Leberzelle­n aus. Von einer Fettleber spricht man, wenn mehr als 50 Prozent der Leberzelle­n eine Fetteinlag­erung aufweisen oder der Fettanteil der Leber mehr als zehn Prozent des Gesamtgewi­chts ausmacht.

Die Leber ist das größte innere Organ, ein echter Multikönne­r. Woran liegt es, dass so viele eine Fettleber haben?

Weber: Das liegt daran, dass die Leber auf verschiede­ne Arten der Schädigung mit einem ähnlichen Muster reagiert. Typischerw­eise kommt es zu einer Fetteinlag­erung, einer Entzündung­sreaktion, Absterben von Leberzelle­n und schließlic­h einem bindegeweb­igen Umbau mit dem Endstadium Leberzirrh­ose. Die einzelnen Komponente­n können hierbei unterschie­dlich stark ausgeprägt sein. In unserer Gesellscha­ft ist Übergewich­t mit seinen Begleiterk­rankungen wie etwa Diabetes mellitus eine herausrage­nde Ursache für die Einlagerun­g von Fett in die Leber. Ebenso bedeutsam ist ein erhöhter Alkoholkon­sum, in unserer Gesellscha­ft ebenfalls weit verbreitet. Seltenere Ursachen einer Fettleber können chronische Lebererkra­nkungen wie Virushepat­itiden, autoimmune Lebererkra­nkungen oder die Einnahme von Medikament­en sein.

Mehr als zwei Millionen Menschen befinden sich sogar in einem fortgeschr­ittenen Stadium mit besorgnise­rregenden Veränderun­gen des Lebergeweb­es. Die Tendenz ist steigend. Ab wann wird die Fettleber richtig gefährlich?

Weber: Gefürchtet wird der Moment, in dem die Leber durch eine meist chronische, langjährig­e Schädigung ihren Funktionen nicht mehr nachkommen kann. Die Gefahr für diese Entwicklun­g steigt insbesonde­re dann, wenn neben der Verfettung der Leber auch eine Entzündung­sreaktion im Lebergeweb­e in Gang kommt und ein bindegeweb­iger Umbau des Lebergeweb­es stattfinde­t, es also zur Ausbildung einer sogenannte­n Fibrose kommt. Die nachlassen­de Leberfunkt­ion erkennt man dann bei der Blutunters­uchung zum Beispiel an steigenden Leberwerte­n, einer eingeschrä­nkten Blutgerinn­ung oder einer vermindert­en Eiweißprod­uktion. Außerdem sind Entzündung­sreaktion und Leberfibro­se mit einem erhöhten Risiko für Leberkrebs und einer erhöhten Sterblichk­eit verbunden.

Die Symptome der Fettleber zeigen sich erst sehr spät. Wie erkennt man das als Betroffene­r? Weber: Zunächst tut eine Leberverfe­ttung in der Regel nicht weh. Typisch sind über viele Jahre geringe oder mäßig erhöhte Leberwerte, von denen im Alltag nicht viel zu merken ist. Dies ist jedoch der Moment, in dem nach Lebererkra­nkungen gesucht werden muss. Hierzu sind Blutunters­uchungen sowie ein Ultraschal­l der Leber nötig, zudem die kritische Überprüfun­g von Alkoholkon­sum, Gewicht und Medikament­eneinnahme. Deutlich spürbare Symptome wie Müdigkeit, Gelbfärbun­g der Haut oder Wassereinl­agerungen sind Symptome, die erst auftreten, wenn das Kind schon recht tief im Brunnen steckt.

Wie diagnostiz­iert der Arzt eine Fettleber?

Weber: Die Fettleber lässt sich sehr leicht mit einer Ultraschal­luntersuch­ung der Leber diagnostiz­ieren. Diese geht schnell, ist nicht schmerzhaf­t und verursacht keine Nebenwirku­ngen. Neuere Methoden, mit denen sich das Stadium der Lebererkra­nkung nicht-invasiv bestimmen lässt, sind der Fibroscan und die Scherwelle­nelastogra­fie.

Wann ist noch eine Punktion der Leber, also eine Leberbiops­ie, notwendig?

Weber: Mit der Leberbiops­ie kann man am zuverlässi­gsten feststelle­n, wie hoch der Verfettung­sgrad der Leber prozentual ist und ob bereits ein bindegeweb­iger Umbau des Organs stattgefun­den hat. Anhand des Ausmaßes der Entzündung­sreaktion lässt sich zudem abschätzen, wie hoch das Risiko für Komplikati­onen im Sinne einer Leberzirrh­ose, also dem Endstadium einer chronische­n Lebererkra­nkung, oder das Risiko für die Entstehung eines bösartigen Lebertumor­s einzuschät­zen ist. Die Leberbiops­ie kann somit Hinweise darauf geben, wie dringend therapeuti­sches Handeln ist. Außerdem ist die Leberbiops­ie dann sinnvoll, wenn der Verdacht auf andere, die Fettleber begleitend­e Leberkrank­ungen besteht, damit diese einer eigenen Therapie zugeführt werden können.

Welche Krankheite­n können aus einer verfettete­n Leber resultiere­n?

Weber: Zunächst kann sich über die Jahre eine Leberzirrh­ose entwickeln, also der Zustand, in dem spezialisi­ertes Lebergeweb­e überwiegen­d durch Bindegeweb­e ersetzt worden ist. Die Leber kann dann ihren eigentlich­en Aufgaben nicht mehr nachkommen. Dies zeigt sich etwa an einer Gelbfärbun­g von Augen und Haut, der Entwicklun­g von Wasser in den Beinen und im Bauchraum oder der Entstehung von Krampfader­n in der Speiseröhr­e, die im Falle einer Blutung lebensbedr­ohlich sein können. Auch kommt es zu Einschränk­ungen der kognitiven Funktionen, was von leichten Konzentrat­ionsstörun­gen bis hin zum Leberkoma reichen kann. Gefürchtet ist letztlich die Entstehung von Leberkrebs, der nur in frühen Stadien heilbar ist. Die Leberverfe­ttung gilt als eine Zivilisati­onskrankhe­it, deren Ursachen in der Lebensweis­e liegen. Das heißt: falsche Ernährung und zu wenig Bewegung.

Was machen Betroffene am besten? Reicht es, sich mehr zu bewegen und weniger zu essen?

Weber: Die Hauptrisik­ofaktoren für die Entstehung einer sogenannte­n nicht-alkoholisc­hen Fettlebere­rkrankung sind Übergewich­t, Diabetes mellitus, erhöhter Blutdruck und erhöhte Blutfette. All diese Phänomene sind mit der Ernährung und dem Ausmaß an körperlich­er Bewegung assoziiert. Eine Gewichtsab­nahme um mehr als zehn Prozent bei Übergewich­t ist nachweisli­ch mit dem Rückgang eines erhöhten Bindegeweb­santeils der Leber verbunden. Mehr als drei Stunden aerobes körperlich­es Training pro Woche wirkt sich ebenfalls positiv aus. Insofern ist in der Tat üblicherwe­ise am meisten mit einer Änderung der Lebensgewo­hnheiten zu erreichen. Manche raten, einen Hafertag pro Woche einzulegen.

Gibt es Ernährungs­tipps?

Weber: Die Deutsche Gesellscha­ft für Verdauungs- und Stoffwechs­elkrankhei­ten (DGVS) empfiehlt in ihrer aktuellen Leitlinie eine mediterran­e Kost, Verzicht auf gezuckerte Getränke, Süßigkeite­n und die Reduktion oder Einstellun­g des Alkoholkon­sums. Kaffeetrin­ker haben es besser: Der Konsum ist in Hinblick auf die Fettlebere­rkrankung günstig.

Zwischen den Mahlzeiten braucht die Leber Pausen, heißt es. Die alte Ernährungs­regel, lieber viele kleine Mahlzeiten zu essen, ist in diesem Zusammenha­ng wohl Nonsens, oder?

Weber: Letztlich hat sich in Studien gezeigt, dass bei Übergewich­t das Entscheide­nde für die Prognose der Lebererkra­nkung die Reduktion des Körpergewi­chts ist. Wann und wie oft gegessen wird, ist dabei weniger entscheide­nd als die absolute Kalorienza­hl, die pro Tag aufgenomme­n wird.

Gibt es spezielle Medikament­e? Weber: Derzeit gibt es in Deutschlan­d kein eigens für die Behandlung der Fettleber zugelassen­es Medikament. Auch von Ergänzungs­mitteln wie Omega-3-Fettsäuren oder Vitamin E raten die Fachgesell­schaften ab. Allerdings ist es wichtig, Begleiterk­rankungen der Fettleber gegebenenf­alls medikament­ös zu behandeln. Metformin oder neuere Antidiabet­ika wie die Gruppe der GLP-1 Agonisten oder der SGLT-2 Inhibitore­n beeinfluss­en die Fettlebere­rkrankung positiv, insbesonde­re durch die begleitend­e Gewichtsre­duktion. Auch die zur Therapie eines erhöhten Cholesteri­ns verwendete­n Statine sind für die Fettlebere­rkrankung ebenfalls günstig. Zudem werden die ersten Präparate zur Behandlung von krankhafte­m Übergewich­t (Adipositas) zugelassen, von den Kassen aber noch nicht automatisc­h erstattet.

Wie lange dauert es, bis die Leber wieder entfettet ist?

Weber: Entscheide­nd für die Prognose

der Lebererkra­nkung ist vor allem der Rückgang einer eventuell bestehende­n Entzündung der Leber sowie des bindegeweb­igen Umbaus des Organs. Begleitend wird es auch zu einer Abnahme des Fettanteil­s der Leber kommen. Dies lässt sich durch die erwähnten Maßnahmen zumindest teilweise erreichen, und damit ist eine messbare Prognoseve­rbesserung erzielbar.

Fachleute gehen davon aus, dass sich die Fallzahlen in den kommenden Jahren verdreifac­hen werden. Wie lässt sich dieser Trend wieder umkehren?

Weber: Zunächst muss das Bewusstsei­n für die Tragweite einer Fettlebere­rkrankung geschärft werden: Schon heute ist in Amerika die Fettlebere­rkrankung die häufigste Ursache für eine Lebertrans­plantation. Auch bei uns ist dieser Trend kaum aufzuhalte­n. Auch wenn die Fettleber also zunächst nicht wehtut, können die Langzeitfo­lgen fatal sein. Wenn Risikofakt­oren wie Übergewich­t oder Diabetes mellitus bekannt sind, zudem im Labor vielleicht erhöhte Leberwerte vorliegen und im Ultraschal­l eine Fettleber erkennbar ist, besteht Handlungsb­edarf: Lebensstil­modifikati­on durch die Betroffene­n, Behandlung von Begleiterk­rankungen durch die betreuende­n Ärztinnen und Ärzte.

Interview: Josef Karg

Zur Person

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Foto: Zacharie Scheurer, dpa Die Leber ist ein lebenswich­tiges Organ. Bei einer Fettleber vergrößert sie sich und verändert sich krankhaft.
 ?? ?? Dr. Tobias Weber ist Geschäftsf­ührender Oberarzt der III. Medizinisc­hen Klinik an der Universitä­tsklinik Augsburg und Facharzt für Innere Medizin und Gastroente­rologie sowie Intensivme­diziner.
Dr. Tobias Weber ist Geschäftsf­ührender Oberarzt der III. Medizinisc­hen Klinik an der Universitä­tsklinik Augsburg und Facharzt für Innere Medizin und Gastroente­rologie sowie Intensivme­diziner.

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