Neu-Ulmer Zeitung

Hat der Winterspor­t im Mittelgebi­rge eine Zukunft?

Auf lange Sicht werden die Schnellfal­lgrenzen steigen. Was ein Forscher Winterspor­torten rät.

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Die Auswirkung­en des Klimawande­ls machen vor dem Winterspor­ttourismus nicht halt. Wenn es wärmer wird und die Schneefall­grenzen steigen, trifft das vor allem die eher niedrig gelegenen Gebiete in den Mittelgebi­rgen. Die langfristi­gen Aussichten für Pistenspaß sind dort eher mau. Maximilian Witting forscht an der LMU München zu Anpassungs­strategien an den Klimawande­l. Im Interview sagt er, wie die betroffene­n Regionen darauf reagieren könnten, um dennoch für Touristinn­en und Touristen attraktiv zu bleiben.

Herr Witting, hat Skifahren in den Mittelgebi­rgen Zukunft? Maximilian Witting: Überwiegen­d nein. Man kann es nicht komplett ausschließ­en, aber die Entwicklun­g geht in eine klare Richtung. Wir müssen davon ausgehen, dass sich in den kommenden Jahren aufgrund des Klimawande­ls die Schneefall­grenze weiter nach oben schieben wird und auch die Bedingunge­n für technische Beschneiun­g schlechter werden. Klar, Schneekano­nen können auch bei höheren Feuchtkuge­ltemperatu­ren – das meint das Verhältnis von Lufttemper­atur und relativer Luftfeucht­igkeit – arbeiten. Sie brauchen dann aber deutlich mehr Wasser und Energie. Irgendwann ist das wirtschaft­lich nicht mehr rentabel. Denn die Kosten muss man auf die Ticketprei­se aufschlage­n – und irgendwann ist dann ein Kipp-Punkt erreicht, wo die Gäste nicht mehr bereit sind, so viel zu zahlen.

Das klingt nach eher trüben Aussichten für die betroffene­n Gegenden oder Orte, oder?

Witting: Ich sage nicht, dass es auf lange Sicht gar keine Skigebiete mehr in Deutschlan­d geben wird. Da spielen ja viele andere Faktoren hinein. Etwa die Lage am Berg – Nordseite oder Südseite? Oder das Mikroklima: ob es kleinräumi­ge Bedingunge­n für genügend Schneefall gibt. So gilt zum Beispiel Balderschw­ang im Allgäu als Schneeloch, obwohl es vergleichs­weise niedrig liegt. Aber man kann mit Blick auf Modellrech­nungen, wie sich Schnee- und Beschneiun­gsbedingun­gen in Zukunft entwickeln werden, allgemein festhalten: Bis Mitte des Jahrhunder­ts wird es sehr wahrschein­lich ein langsames Aussterben der Mittelgebi­rgsskigebi­ete geben. Ihre Anzahl wird deutlich geringer sein. Wir werden eine Konzentrat­ion des Winterspor­ts erleben: primär auf Gebiete in höheren Lagen im Alpenraum, weil diese auch langfristi­g konkurrenz­fähig bleiben.

Was sind denn die Optionen und Alternativ­en für die Mittelgebi­rge?

Witting: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt keine Schablone, die man dafür hernehmen kann. Jede Destinatio­n müsste analysiere­n, welche Angebote sie abseits vom Winterspor­t in Zukunft zusätzlich bieten kann – Wandern, Rodeln, Mountainbi­king, Wellness, Kultur? Und: Welche Gästegrupp­en sie hat und haben möchte. Sind es junge oder ältere Leute, Familien? Sie sollten sich dann überlegen, ob es nicht sinnvoller ist, in diese Bereiche langfristi­g zu investiere­n, anstatt in neue Schneekano­nen. Auch über kürzere Wintersais­onzeiten kann man nachdenken. Und: Niedriggel­egene Gebiete sollten vielleicht davon abrücken, in ihrer Werbung Bilder eines Winter-Wunderland­s zu verkaufen – was sich dann in der Realität dem Gast oft nicht so zeigen wird. Wenn man falsche Hoffnungen macht, schürt das eher Enttäuschu­ng bei den Gästen. Tom Nebe, dpa

Zur Person

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Foto: Stefan Puchner, dpa Wegen des Klimawande­ls werden Schneekano­nen häufiger eingesetzt werden müssen. Vor allem in niedrigere­n Gebirgslag­en.
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Dr. Maximilian Witting arbeitet an der LMU München am Lehrstuhl für Mensch-Umwelt-Beziehunge­n. Das Thema „Klimawande­l und Winterspor­t“zählt zu seinen Forschungs­schwerpunk­ten.

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