Bauarbeiter gesteht sexuelle Übergriffe
Das Amtsgericht Neu-Ulm verurteilt einen 42-Jährigen, der während einer Tätigkeit in Weißenhorn eine 13-Jährige geküsst und sie unsittlich berührt hat.
Neu-Ulm/Weißenhorn Die Taten liegen mittlerweile vier Jahre zurück, belasten die Geschädigte aber noch immer so stark, dass sie in psychotherapeutischer Behandlung ist. Am Montag ist das Urteil gegen den Mann gefallen, der nach Ansicht des Gerichts das Mädchen sexuell belästigt und in insgesamt fünf Fällen sexuell missbraucht hat. Ein Geständnis des 42-Jährigen wirkte sich strafmildernd aus.
Laut Anklage war der Mann im Jahr 2018 als Bauarbeiter an der Sanierung des Mehrfamilienhauses in Weißenhorn beteiligt, in dem das Mädchen wohnte. Er und seine Kollegen sollen zunächst hinterhergepfiffen haben, wenn sich das Mädchen mit einer Nachbarin traf, um gemeinsam zur Schule zu gehen oder wenn beide zurückkamen.
In der Folgezeit soll der Angeklagte gezielt den Kontakt gesucht und obszöne Gesten mit der Zunge gemacht haben. Auf erste leichtere Berührungen folgte laut Anklage am 13. Geburtstag des Mädchens ein Kuss auf den Mund. Darüber hinaus hat er der Minderjährigen demnach ebenfalls gegen ihren Willen in fünf Fällen über der Kleidung an das Gesäß, die Brüste und den Intimbereich gefasst.
In einer ersten Verhandlung im Sommer 2021 hatte der Bauarbeiter bestritten, sie unsittlich berührt zu haben. Das Mädchen habe gesagt, dass es 17 Jahre alt werde, berichtete er. Er habe der Schülerin ein Bussi auf die Wange gegeben. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit schilderte die Geschädigte damals vor Gericht, wie sie die Begegnungen erlebt hatte. Doch die Verteidigerin des Mannes hatte Zweifel an ihren Erzählungen und war der Ansicht, dass die Jugendliche nur etwas vormacht. Auf Antrag der Rechtsanwältin holte das Gericht ein aussagepsychologisches Gutachten über die Jugendliche ein.
In der Verhandlung am Montag blieb der heute 17-Jährigen und ihrer Mutter eine weitere Aussage erspart. Hinter verschlossenen Türen
führten Richter Bernhard Lang, die Staatsanwältin, die Verteidigerin des Angeklagten und die Rechtsanwältin, welche die Jugendliche und ihre Mutter vertrat, ein Rechtsgespräch. Daraus ging hervor, dass der Angeklagte, der verheiratet ist und inzwischen eine 14 Monate alte Tochter hat, zu einem Geständnis im Sinne der Anklage bereit sei. Als Strafrahmen wurde eine Freiheitsstrafe zwischen einem und eineinhalb Jahren auf Bewährung gesetzt. Denkbar sei zudem eine Geldauflage zugunsten der Geschädigten. Alle Beteiligten stimmten dem Verständigungsvorschlag zu.
Ihr Mandant räume die geschilderten Vorwürfe vollumfänglich ein, teilte die Verteidigerin anschließend mit. Auf die Frage des Richters nach den Motiven der Taten wollten der Mann und die
Rechtsanwältin aber keine Antwort geben. Auf die Vernehmung der Geschädigten und ihrer Mutter konnte dennoch verzichtet werden, als Zeuginnen sagten noch zwei Polizistinnen aus. Eine von ihnen hatte die Anzeige im Juni 2020 aufgenommen, die andere hatte den Fall anschließend betreut. Gemeldet hatte das Mädchen die Vorfälle erst, nachdem es das Erlebte während eines Klinikaufenthaltes einem Arzt anvertraut hatte.
Dass fast zwei Jahre vergingen, bis die Taten angezeigt wurden, ließ die beauftragte Gutachterin aber nicht an der Glaubwürdigkeit der Geschädigten zweifeln. Die Diplom-Psychologin schilderte vor Gericht ihre Vorgehensweise bei der Erstellung ihres aussagepsychologischen Gutachtens über die 16-Jährige. Die Schilderungen der Jugendlichen seien detailliert, widerspruchsfrei und nachvollziehbar, sagte sie. So etwas zu konstruieren ohne eine existierende Erinnerung sei schwierig. Die Steigerung bei den vorgeworfenen Taten von Pfiffen über leichte Berührungen bis zu einem Kuss und unsittlichen Berührungen seien „delikttypische Handlungsbeschreibungen“. Die Gutachterin schlussfolgerte: „Diese Aussage hätte sie sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausdenken können.“
Die Staatsanwältin forderte nach der Beweisaufnahme eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung, die Verteidigerin hielt ein Jahr auf Bewährung für angemessen. Einig waren sich beide darin, die Geldauflage auf 36 Monatsraten zu je 50 Euro, also insgesamt 1800 Euro, festzusetzen. Richter Bernhard Lang verurteilte den Bauarbeiter schließlich zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die der Mann aber nicht antreten muss, wenn er sich drei Jahre lang nichts mehr zuschulden kommen lässt. Außerdem muss er die genannte Summe an das Mädchen zahlen, die Kosten des Verfahrens tragen, sowie die Auslagen, die für die Nebenklage entstanden sind.
Die Anwältin der 17-Jährigen und ihrer Mutter wertete die Taten als Nachweis einer pädophilen Neigung des Angeklagten. Der Richter widersprach: Allgemeine pädophile Züge erkenne das Gericht bei dem Angeklagten nicht. Vor den Taten in Weißenhorn sei der Mann dahin gehend nicht in Erscheinung getreten und seither habe es auch keine einschlägigen Vorfälle mehr gegeben, sagte Land. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.