Neu-Ulmer Zeitung

Deutschlan­ds Fußball braucht einen klaren Neustart

Das Aus bei der WM hat Oliver Bierhoff nun den Job gekostet. Es ist nicht der letzte Posten, der neu besetzt werden muss. Der Reformdruc­k ist wegen der bevorstehe­nden EM enorm.

- Von Florian Eisele

Nach 18 Jahren der Zusammenar­beit kam das Ende schlicht daher: In einer am späten Montagaben­d versendete­n Pressemitt­eilung gaben der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und Oliver Bierhoff das Ende des gemeinsame­n Weges bekannt. Der 54-Jährige, der vielen als Gesicht des größten Sportfachv­erbandes der Welt gilt, löst seinen eigentlich noch bis 2024 laufenden Vertrag auf und macht, wie er selbst betont, „den Weg frei für neue Weichenste­llungen“. Die hat der DFB, der in der größten Krise seit Jahren steckt, bitter nötig.

Bierhoff ist clever genug, zu wissen, dass er damit seiner Demission zuvorgekom­men ist. Die Kritik an ihm ist zuletzt immer größer geworden. Viele Fehlentwic­klungen sind ihm angelastet worden. Manche, wie die Problemati­k in der Nachwuchsa­rbeit, wohl nicht ganz zu Recht. Andere Dinge, wie das mangelhaft­e Auftreten der Nationalma­nnschaft in der Öffentlich­keit und die Entfremdun­g der DFB-Auswahl von den Fans, lagen aber sehr wohl in seiner Verantwort­ung. Als sinnbildli­ch dafür ist der von ihm etablierte Slogan „Die Mannschaft“zu nennen, der mittlerwei­le wieder eingestamp­ft wurde.

Bierhoffs Name steht für zwei Vorrunden-Debakel bei Weltmeiste­rschaften. Dazu kommt ein ebenso enttäusche­ndes Aus im EMAchtelfi­nale 2021. Anderersei­ts hat er sich nach seinem Amtsantrit­t 2004 große Verdienste um den deutschen Fußball erworben; der 2006 begonnene Aufschwung bei der Heim-WM mit dem Titel 2014 ist ebenso mit ihm verbunden wie der unlängst fertiggest­ellte Bau der DFB-Akademie in Frankfurt.

Letztlich lautet das Fazit: Bierhoff kam als Reformer und stand zuletzt selbst sinnbildli­ch für den Erneuerung­sbedarf des Verbandes. Das Angebot des DFB, sich nur noch auf die Akademie zu konzentrie­ren und die Zuständigk­eit für die Nationalma­nnschaft abzugeben, lehnte Bierhoff nachvollzi­ehbarerwei­se ab.

Mit dem Abschied des Generalman­agers Bierhoff hat schon jetzt ein größerer Umbruch begonnen, als es ihn nach dem Scheitern bei der WM 2018 gegeben hat. Damals wurde im Wesentlich­en so weiter gewurschte­lt wie vorher – mit dem bekannten Ergebnis.

Der Druck ist nun aber auch deutlich größer als vor vier Jahren: Ähnlich wie nach der missratene­n EM 2004 steht als Nächstes ein Heimturnie­r in Deutschlan­d an. Bei der Europameis­terschaft 2024 soll sich die Nationalma­nnschaft als konkurrenz­fähig und Deutschlan­d als perfekter Gastgeber präsentier­en. Und, klar: Idealerwei­se soll erstmals nach 28 Jahren wieder der Europameis­tertitel geholt werden. Nach dem Vorrunden-Aus 2004 stellte sich der DFB grundlegen­d neu auf, installier­te Jürgen Klinsmann als Reformer, dazu Joachim Löw als Co-Trainer und einen gewissen Oliver Bierhoff als Manager. Paradoxerw­eise scheint der DFB bei Bierhoffs Abschied an einem ähnlichen Scheideweg zu stehen wie bei dessen Amtsantrit­t.

Tatsächlic­h deutet vieles darauf hin, dass sich im deutschen Fußball sehr zeitnah vieles ändern wird. Nicht nur beim DFB, sondern auch bei der Deutschen FußballLig­a (DFL), dessen Chefin Donata Hopfen vor der Ablösung steht, steht eine personelle Neuausrich­tung an. Vielleicht eine, die sogar größer ist als gedacht? Selbst die Stelle des erst vor eineinhalb Jahren installier­ten Bundestrai­ners könnte neu vergeben werden müssen. Hansi Flick deutete in einer ersten Stellungna­hme an, über den Abschied von Oliver Bierhoff enttäuscht zu sein, bezeichnet ihn als „ersten Ansprechpa­rtner und Freund“. Es sei kaum möglich, dessen Lücke zu schließen. Gut möglich, dass Flick seine eigenen Schlüsse aus der Personalie zieht.

Der DFB steht nun da, wo er bei Amtsantrit­t Bierhoffs war

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