Karlsruhe gibt EU-Schulden seinen Segen
Verfassungsgericht erlaubt trotz Bedenken Brüsseler Aufbaufonds
Karlsruhe Voll überzeugt ist das Bundesverfassungsgericht nicht, als es die deutsche Beteiligung am milliardenschweren Corona-Aufbaufonds der EU für rechtens erklärt. „Trotz gewichtiger Bedenken“, wie Vizepräsidentin Doris König bei der Urteilsverkündung betont. Ganz deutlich wird das auch daran, dass ein Verfassungsrichter ausschert: Peter Müller sieht sich nicht in der Lage, die Entscheidung seiner sechs Kolleginnen und Kollegen mitzutragen.
Aus seiner Sicht – und aus jener der Kritiker – öffnet das Aufbauprogramm mit dem Namen „Next Generation EU“Tür und Tor für eine Transferunion, in der Staaten die Schulden anderer begleichen. Das Gericht hat zwei Verfassungsbeschwerden gegen jenes Gesetz zurückgewiesen, mit dem der Bundestag einer deutschen Beteiligung an dem Fonds zustimmte.
Für die Mehrheit des Zweiten Senats war entscheidend, dass die Schulden eine Ausnahme bleiben und einen bestimmten Zweck verfolgen sollen. Zudem sei die Ermächtigung zur Kreditaufnahme in der Höhe sowie zeitlich begrenzt. Sehr wichtige Anmerkungen, sagt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Brüssel. „Das muss sehr sorgfältig für die europäische wie die nationale Haushaltspolitik analysiert werden.“Andreas Audretsch von den Bundestags-Grünen erklärt: „Das Urteil stärkt die Handlungsfähigkeit der EU in Zeiten der Krise.“
Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) bezeichnet die Entscheidung dagegen als „besorgniserregend“: Das höchste deutsche Gericht habe einen neuen Kurs eingeschlagen. „Es ist nicht mehr wie früher der Garant für die Wahrung der Verfassungsidentität und die Einhaltung der deutschen Haushaltssouveränität.“
Das Aufbauprogramm soll den EU-Staaten helfen, nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Dafür macht die EUKommission erstmals in ihrer Geschichte im großen Stil Schulden. Es geht berücksichtigt man die Inflation um ein Volumen inzwischen mehr als 800 Milliarden Euro. (dpa)