Auto-Zulieferer unter Druck
Die Autohersteller schreiben hohe Gewinne. Das ist aber nur eine Seite von Deutschlands wichtigster Industrie. Die Zulieferer müssen schauen, wo sie bleiben. In unserer Region sind bereits Betriebe insolvent.
Augsburg Auf den ersten Blick scheint die Welt in der deutschen Autoindustrie in bester Ordnung zu sein. Die großen Autobauer fahren satte Gewinne ein. MercedesBenz verdiente im dritten Quartal zum Beispiel vor Zinsen und Steuern 5,2 Milliarden Euro, BMW und VW sind ebenfalls erfolgreich. Doch das Bild täuscht. Genauso bedeutend ist die große Zahl an Zuliefer-Betrieben. Und diese warnen, mit dem Rücken zur Wand zu stehen.
In unserer Region kam es in jüngster Zeit zu einigen Insolvenzen. Im Juli war zum Beispiel der Zulieferer Borscheid und Wenig aus Diedorf bei Augsburg zahlungsunfähig. Borscheid und Wenig stellt Kunststoffteile für Autos her, zum Beispiel Motorabdeckungen. Im Oktober 2022 hat dann der Zulieferer Borgers Insolvenz angemeldet, der in Ellzee und Krumbach Standorte betreibt. Bereits 2021 war im baden-württembergischen Dietenheim nahe Illertissen der Zulieferer Räuchle Präzision zum zweiten Mal insolvent. Wie kommt es, dass die einen dicke Renditen einfahren und die anderen in die roten Zahlen geraten?
Joachim Exner ist Insolvenzverwalter für Borscheid und Wenig. Er kennt die Branche gut und ist alles andere als beruhigt. „Die ZulieferBetriebe werden seit Anfang 2020 von einer Ausnahmesituation in die nächste gejagt“, beschreibt er die Problemlage. Die schwierige Situation begann mit der CoronaKrise 2020. „Im Lockdown hatten die Betriebe zwei bis drei Monate geschlossen, die Abrufzahlen der Autohersteller blieben häufig unter den Erwartungen. Staatliche Hilfen konnten die Verluste im Jahr 2020 nur zum Teil kompensieren“, beschreibt es Exner. Anfang 2021 kam der Halbleiter-Mangel hinzu, erneut stornierten die Hersteller Aufträge. Die Situation wiederholte sich, als mit dem UkraineKrieg Kabelbäume fehlten.
Insbesondere hat der UkraineKrieg 2022 aber zu massiv steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Material geführt. „Das Eigenkapital der Unternehmen ist angegriffen, Liquiditätsreserven fehlen nach zwei Krisenjahren“, beschreibt Exner die Folgen für die Zulieferer. „Die gesamte ZulieferBranche befindet sich in diesem Spannungsfeld.“Wie aber sieht es in gesunden Betrieben aus?
Ein neues Gebäude, zukunftsfähige Produkte: Bühler Motor ist ein großer Hersteller für Elektromotoren und Pumpen. Das Unternehmen aus Nürnberg hat ein großes Werk in Monheim im Kreis DonauRies. Marc Furtwängler führt es in fünfter Generation und macht sich Sorgen darüber, dass den Zulieferern nicht genug Geld bleibt, um die Transformation zur Elektromobilität zu stemmen.
Aus seiner Sicht sind die Zulieferer gegenüber den großen Herstellern im Nachteil – in der Branche OEM genannt. Denn Lieferkettenprobleme und Chip-Mangel treffen zwar auch Mercedes, BMW & Co. Die Hersteller können aber leichter reagieren, indem sie die Chips erstens in gewinnträchtige Varianten einbauen. „Damit verdienen sie gutes Geld“, sagt Furtwängler. Zweitens könnten die Hersteller leichter die Preise für die Fahrzeugkäufer und Leasing-Nehlieferern mer anheben. Da hilft es, dass Rabattschlachten in der Größenordnung von zehn bis 20 Prozent der Vergangenheit angehörten.
Die Zulieferer finden sich in einer kargeren Welt wieder: „Die meisten Zuliefer-Betriebe leben vom Volumen. Werden weniger, aber teure Autos gebaut, verlieren Zulieferer folglich Aufträge“, erklärt Furtwängler. „Hier kann es leicht um die Hälfte des Umsatzes gehen“, sagt er. „Durch die Pandemie, Lieferketten-Probleme, die Verwerfungen durch den Krieg in der Ukraine und der auch daraus resultierenden Inflation kommt es, dass viele Zulieferer derzeit kein Geld verdienen. Damit fällt es ihnen schwerer, die Hauptaufgaben der Transformation zu finanzieren“, warnt er. Der jüngste 8-Prozent-Tarifabschluss der IG Metall ist zwar gut für die Beschäftigten, kommt aus Firmensicht aber als Kostenfaktor hinzu. Experten bestätigen die Schilderung.
Auto-Experte Stefan Bratzel erklärt die Differenz zwischen hohen Gewinnen bei den Autobauern und der schwierigen Lage bei den Zu
damit, dass die Nachfrage nach Autos – trotz der Krisen – insgesamt schon noch hoch sei. Die wenigen knappen Teile, etwa die Chips, seien von den Herstellern auf die höherwertigen Fahrzeuge fokussiert worden. Es wurden mehr teure Autos gebaut. „Zudem“, sagt Bratzel, „wurden die Preise erhöht und weniger Rabatte gegeben. Das führt in der Summe, auch dieses Jahr, zu den enormen Gewinnen bei den Herstellern.“
Die Lage der Zulieferer sei deutlich schlechter, sagt der Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Denn deren Geschäft sei von der Stückzahl getrieben: „Wenn die weniger Teile verkaufen, weil trotz hoher Nachfrage insgesamt weniger Autos verkauft werden, dann wirkt sich das negativ auf die Gewinne aus.“Teilweise hätten es Zulieferer geschafft, etwas höhere Preise herauszuhandeln, aber eben nicht in dem Maße, wie ihre Kosten gestiegen seien. Und so was kompensiere eben auch nicht komplett die Absatzrückgänge. „Insofern ist die Bilanz von den Zulieferern sehr viel schlechter, weil sie die Kosten nicht weitergeben können.“Zugleich sind die Zulieferer sehr von den kurzfristigen Ansagen der Autobauer abhängig: „Wenn die sagen, jetzt haben wir weniger Nachfrage, bleiben Zulieferer erst mal auf ihren Teilen sitzen.“Was wieder Geld kostet. Denn Zulieferer müssen wiederum ihre Zulieferer bezahlen und dafür Kredite aufnehmen. Führt in der Summe zu den viel zitierten Liquiditätsengpässen.
Die Zulieferer schlagen nun Alarm: „Wenn die OEMs nicht stärker ihren Zulieferern helfen, werden viele Unternehmen diese Krise nicht unbeschadet überstehen“, warnt Furtwängler. Auch Exner wirbt dafür, den Zulieferern entgegenzukommen. „Die Frage ist, ob die Zulieferer ihre gestiegenen Kosten weitergeben können. Hierfür bräuchte es Zugeständnisse der Autohersteller“, sagt er.
Denn Substanz und Know-how haben die Betriebe. Exner sieht für Borscheid und Wenig eine mögliche gute Zukunft: „Wir sind derzeit im Investorenprozess, dieser verläuft vielversprechend.“Das Ziel sei es, das Unternehmen im ersten Quartal 2023 zu veräußern.
Für manchen Zulieferer könnte es auch eine Option sein, sich Richtung USA zu orientieren. Die locken mit ihrem hierzulande hochumstrittenen Inflation Reduction Act (IRA) Firmen – unter anderem mit Steuervorteilen im Autobereich. Auto-Experte Bratzel rechnet damit, dass Zulieferer Investitionsentscheidungen zugunsten der USA treffen werden. „Es gibt schon jetzt viele, die außerhalb der EU investieren. Der IRA ist hier ein wichtiges Motiv. Die Zulieferer müssen schauen, wo sie bleiben“, meint er. Nur könne natürlich nicht jeder mal eben in den USA investieren, vor allem Mittelständler nicht. Bratzel warnt daher: „Hinzu kommt, dass die Produktionsbedingungen im Wettbewerbsvergleich sich weiter verschlechtern. Wir haben ohnehin schon Höchstpreise bei der Energie. Wir müssen aufpassen, dass nicht noch mehr Produktion abwandert.“
Bratzel blickt zudem verhalten auf das kommende Auto-Jahr: „Die Anzeichen stehen auf Rezession, die Stückzahlen werden zurückgehen, die Unsicherheit in der Energiefrage wird bleiben.“