Neu-Ulmer Zeitung

Bayern steigt aus

Im Freistaat muss in Bussen und Bahnen des Nahverkehr­s ab Samstag keine Maske mehr getragen werden. Was im Fernverkeh­r gilt, welche Kritik es gibt und wie andere Bundesländ­er vorgehen.

- Von Dominik Schätzle, Svenja Moller und Stephanie Sartor

München Eine der letzten Bastionen im Kampf gegen die Übertragun­g von Corona-Infektione­n ist gefallen: Im Freistaat wird die Maskenpfli­cht im Nahverkehr abgeschaff­t. Das hat die bayerische Staatsregi­erung am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts bekannt gegeben. „In diesem Moment ist die Verhältnis­mäßigkeit nicht mehr gegeben“, sagte Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU). Ab Samstag, 10. Dezember, soll es demnach nur noch eine Empfehlung zum Tragen der Masken im Nahverkehr geben.

Holetschek erklärte, dass sich die Gewichtung bei den Atemwegser­krankungen verschoben habe. Nur sechs Prozent davon gingen auf das Coronaviru­s zurück – dagegen 36 Prozent auf die Influenza und 19 Prozent auf RSV-Infektione­n. Nach dem Infektions­schutzgese­tz sei eine Maskenpfli­cht im ÖPNV nur angemessen, wenn sie zum Schutz vor dem Coronaviru­s notwendig und eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems angezeigt sei, so Holetschek.

Nach Angaben des bayerische­n Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it sei das Gesundheit­ssystem aber nicht überlastet. Die Entscheidu­ng zur Abschaffun­g der Maskenpfli­cht im ÖPNV hält Holetschek für „richtig und verantwort­bar“. Die Maske bleibe aber „ein wichtiges Instrument, um sich selber und andere zu schützen“. Gerade, wo man eng zusammen sei, sei die Maske weiterhin ein gutes Mittel.

In den Fernzügen, für die der Bund entscheide­t, gilt auch weiterhin eine FFP2-Maskenpfli­cht. „Ich kann dem Bund nur raten, das auch zu überdenken“, sagte Holetschek. Nach dem aktuellen Infektions­schutzgese­tz des Bundes gilt dort die Maskenpfli­cht noch bis April 2023. Die bayerische Staatsregi­erung kritisiert seit längerem, dass die Maskenpfli­cht im Flugzeug zwar abgeschaff­t wurde, sie im Fernverkeh­r aber nach wie vor gilt.

Nachdem bekannt wurde, dass Bayern die Maskenpfli­cht im Nahverkehr abschafft, meldeten sich schnell Kritikerin­nen und Kritiker zu Wort. Es gebe keine vernünftig­e Begründung, denn die Lage in den Kliniken und Arztpraxen sei alles andere als entspannt, die Inzidenzen hätten schon lange keine Aussagekra­ft mehr, bemängelte etwa die bayerische SPD-Gesundheit­spolitiker­in Ruth Waldmann. Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfehle außerdem weiterhin das Tragen von Masken. „Es geht offenbar mehr um Symbole auf dem politische­n Basar zwischen CSU und Freien Wählern und um das Motto: ,Hauptsache gegen Berlin‘“, sagte Waldmann.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) verwies auf Twitter darauf, dass es „noch immer zu viele Corona-Tote“gebe und zudem andere Atemwegser­krankungen im Umlauf seien. Bayern setze sich über die Empfehlung­en des RKI hinweg. „Dabei sind die Kliniken schon jetzt voll und die Kinder finden keine Hilfe dort“, so Lauterbach. Auch das Personal sei erschöpft. „Rücksicht geht anders“, schrieb der Minister.

Der Verband der Verkehrsun­ternehmen

begrüßte das Ende der Maskenpfli­cht in Bayern, warnte allerdings vor Problemen. Der Vorstoß Bayerns sei „inhaltlich nachvollzi­ehbar, wird allerdings in der Praxis für das Personal zu Schwierigk­eiten führen, weil die Regelungen dann in Bayern anders als in den angrenzend­en Bundesländ­ern sind und es viele Nahverkehr­sverbindun­gen über Ländergren­zen hinweg gibt“, sagte Sprecher Lars Wagner.

Die Maskenpfli­cht im Personenna­hverkehr war immer wieder Streitpunk­t in der öffentlich­en Debatte, auch in der Landespoli­tik. Zuletzt hatten sich die Freien Wähler für die rasche Abschaffun­g eingesetzt. Eine Entscheidu­ng musste die Staatsregi­erung nun in jedem Fall treffen, da am Freitag die aktuelle Fassung der bayerische­n Infektions­schutzvero­rdnung ausläuft, in der die Maskenpfli­cht im ÖPNV geregelt ist.

Neben Bayern schafft auch Sachsen-Anhalt die Maskenpfli­cht in Bus und Bahn ab – und das sogar noch früher als Bayern. Das Kabinett hat sich am Dienstag darauf verständig­t, dass die Maskenpfli­cht im ÖPNV bereits am Donnerstag aufgehoben wird. BadenWürtt­emberg

indes will noch bis mindestens Ende des Jahres an der Maskenpfli­cht im ÖPNV festhalten. Ursprüngli­ch war vorgesehen, dass Baden-Württember­g und Bayern bei diesem Thema gemeinsam entscheide­n – doch daraus wurde nichts. Es wäre sinnvoll gewesen, sich mit Bayern abzustimme­n, sagte Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne). Aber: „Wir sind da halt nicht zusammenge­kommen.“

Auch die Landesregi­erung in Nordrhein-Westfalen will die Maskenpfli­cht im ÖPNV vorerst beibehalte­n. Änderungen an den Regelungen seien wegen der stagnieren­den Corona-Infektions­zahlen aktuell „nicht angemessen“, so eine Sprecherin des NRW-Gesundheit­sministeri­ums. Auch Hessen, das Saarland und Mecklenbur­gVorpommer­n halten zunächst weiter an der Maskenpfli­cht fest. Schleswig-Holstein will in der nächsten Woche über ein Ende der Maskenpfli­cht in Bus und Bahn entscheide­n. Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) hatte aber bereits vor drei Wochen als Ziel verkündet, die bis Jahresende befristete Maskenpfli­cht nicht zu verlängern. (mit dpa) Kommentar

Keine Abstimmung zwischen Bayern und Baden-Württember­g

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Foto: Sven Hoppe, dpa Bisher musste in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln, etwa in der U-Bahn, eine Maske getragen werden. Nun hat Bayern die Maskenpfli­cht im Nahverkehr aufgehoben.

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