Bayern steigt aus
Im Freistaat muss in Bussen und Bahnen des Nahverkehrs ab Samstag keine Maske mehr getragen werden. Was im Fernverkehr gilt, welche Kritik es gibt und wie andere Bundesländer vorgehen.
München Eine der letzten Bastionen im Kampf gegen die Übertragung von Corona-Infektionen ist gefallen: Im Freistaat wird die Maskenpflicht im Nahverkehr abgeschafft. Das hat die bayerische Staatsregierung am Dienstag nach der Sitzung des Kabinetts bekannt gegeben. „In diesem Moment ist die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Ab Samstag, 10. Dezember, soll es demnach nur noch eine Empfehlung zum Tragen der Masken im Nahverkehr geben.
Holetschek erklärte, dass sich die Gewichtung bei den Atemwegserkrankungen verschoben habe. Nur sechs Prozent davon gingen auf das Coronavirus zurück – dagegen 36 Prozent auf die Influenza und 19 Prozent auf RSV-Infektionen. Nach dem Infektionsschutzgesetz sei eine Maskenpflicht im ÖPNV nur angemessen, wenn sie zum Schutz vor dem Coronavirus notwendig und eine Überlastung des Gesundheitssystems angezeigt sei, so Holetschek.
Nach Angaben des bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sei das Gesundheitssystem aber nicht überlastet. Die Entscheidung zur Abschaffung der Maskenpflicht im ÖPNV hält Holetschek für „richtig und verantwortbar“. Die Maske bleibe aber „ein wichtiges Instrument, um sich selber und andere zu schützen“. Gerade, wo man eng zusammen sei, sei die Maske weiterhin ein gutes Mittel.
In den Fernzügen, für die der Bund entscheidet, gilt auch weiterhin eine FFP2-Maskenpflicht. „Ich kann dem Bund nur raten, das auch zu überdenken“, sagte Holetschek. Nach dem aktuellen Infektionsschutzgesetz des Bundes gilt dort die Maskenpflicht noch bis April 2023. Die bayerische Staatsregierung kritisiert seit längerem, dass die Maskenpflicht im Flugzeug zwar abgeschafft wurde, sie im Fernverkehr aber nach wie vor gilt.
Nachdem bekannt wurde, dass Bayern die Maskenpflicht im Nahverkehr abschafft, meldeten sich schnell Kritikerinnen und Kritiker zu Wort. Es gebe keine vernünftige Begründung, denn die Lage in den Kliniken und Arztpraxen sei alles andere als entspannt, die Inzidenzen hätten schon lange keine Aussagekraft mehr, bemängelte etwa die bayerische SPD-Gesundheitspolitikerin Ruth Waldmann. Das Robert-Koch-Institut (RKI) empfehle außerdem weiterhin das Tragen von Masken. „Es geht offenbar mehr um Symbole auf dem politischen Basar zwischen CSU und Freien Wählern und um das Motto: ,Hauptsache gegen Berlin‘“, sagte Waldmann.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwies auf Twitter darauf, dass es „noch immer zu viele Corona-Tote“gebe und zudem andere Atemwegserkrankungen im Umlauf seien. Bayern setze sich über die Empfehlungen des RKI hinweg. „Dabei sind die Kliniken schon jetzt voll und die Kinder finden keine Hilfe dort“, so Lauterbach. Auch das Personal sei erschöpft. „Rücksicht geht anders“, schrieb der Minister.
Der Verband der Verkehrsunternehmen
begrüßte das Ende der Maskenpflicht in Bayern, warnte allerdings vor Problemen. Der Vorstoß Bayerns sei „inhaltlich nachvollziehbar, wird allerdings in der Praxis für das Personal zu Schwierigkeiten führen, weil die Regelungen dann in Bayern anders als in den angrenzenden Bundesländern sind und es viele Nahverkehrsverbindungen über Ländergrenzen hinweg gibt“, sagte Sprecher Lars Wagner.
Die Maskenpflicht im Personennahverkehr war immer wieder Streitpunkt in der öffentlichen Debatte, auch in der Landespolitik. Zuletzt hatten sich die Freien Wähler für die rasche Abschaffung eingesetzt. Eine Entscheidung musste die Staatsregierung nun in jedem Fall treffen, da am Freitag die aktuelle Fassung der bayerischen Infektionsschutzverordnung ausläuft, in der die Maskenpflicht im ÖPNV geregelt ist.
Neben Bayern schafft auch Sachsen-Anhalt die Maskenpflicht in Bus und Bahn ab – und das sogar noch früher als Bayern. Das Kabinett hat sich am Dienstag darauf verständigt, dass die Maskenpflicht im ÖPNV bereits am Donnerstag aufgehoben wird. BadenWürttemberg
indes will noch bis mindestens Ende des Jahres an der Maskenpflicht im ÖPNV festhalten. Ursprünglich war vorgesehen, dass Baden-Württemberg und Bayern bei diesem Thema gemeinsam entscheiden – doch daraus wurde nichts. Es wäre sinnvoll gewesen, sich mit Bayern abzustimmen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Aber: „Wir sind da halt nicht zusammengekommen.“
Auch die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen will die Maskenpflicht im ÖPNV vorerst beibehalten. Änderungen an den Regelungen seien wegen der stagnierenden Corona-Infektionszahlen aktuell „nicht angemessen“, so eine Sprecherin des NRW-Gesundheitsministeriums. Auch Hessen, das Saarland und MecklenburgVorpommern halten zunächst weiter an der Maskenpflicht fest. Schleswig-Holstein will in der nächsten Woche über ein Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn entscheiden. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte aber bereits vor drei Wochen als Ziel verkündet, die bis Jahresende befristete Maskenpflicht nicht zu verlängern. (mit dpa) Kommentar
Keine Abstimmung zwischen Bayern und Baden-Württemberg