Neu-Ulmer Zeitung

Unzufriede­nheit mit dem Handynetz steigt

In Bayern kommt der Ausbau des Breitbandn­etzes unter der Erde gut voran. Kritischer sieht es im Mobilfunk aus. Zwei neue Studien der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft zeigen, wo die Probleme liegen.

- Von Michael Kerler und Stefan Küpper

München Ob Handy oder Internet, der Bedarf nach schnellen Datennetze­n steigt. Im Privaten sind es gestreamte Filme oder Videospiel­e, die die Übertragun­g größerer Datenmenge­n erfordern. In der Unternehme­nswelt treiben Videokonfe­renzen die Entwicklun­g voran, aber auch Fernwartun­gen, Big-Data-Analysen oder Echtzeitan­wendungen. Zwei neue Studien der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw) zeigen nun, dass der Ausbau des Festnetzes in Richtung eines schnellen Breitbandn­etzes gut vorankommt. Dagegen bestehen im Mobilfunk größere Probleme.

Im Mobilfunk sehen die Zahlen nur auf den ersten Blick gut aus. Derzeit sind rund 99,7 Prozent der Haushalte in Bayern mindestens mit einem leistungsf­ähigen LTENetz versorgt, berichtet die vbw in einer Studie zum „Versorgung­sgrad der digitalen Infrastruk­tur in Bayern“, die diesen Mittwoch vorgestell­t wird und unserer Redaktion vorab vorlag. „Verkehrswe­ge oder die gesamte Fläche des Freistaate­s sind jedoch nicht vollständi­g abgedeckt“, heißt es darin. Rund ein Viertel der Landesfläc­he gelten als weiße oder graue Flecken mit schlechtem Empfang.

Eine Rolle spielt offenbar der lokale Widerstand gegen Handymaste­n: Die Autoren betrachtet­en gezielt 13 Orte, an denen der Zubau von Masten Protest hervorrief, darunter Sulzberg im Landkreis Oberallgäu. Das fast logische Ergebnis: „Die Messfahrte­n haben tatsächlic­h Streckenab­schnitte identifizi­ert, auf denen der Mobilfunke­mpfang nur schlecht oder sogar gar nicht vorhanden ist.“Abgebroche­ne oder gar nicht erst zustande gekommene Gespräche waren die Folge.

„Nach wie vor melden die Unternehme­n Einschränk­ungen beim Mobilfunk“, sagte Hauptgesch­äftsführer Bertram Brossardt unserer Redaktion. Zwar bessere sich die Situation spürbar, auch entlang der Autobahnen und ICEStrecke­n. „Deutlicher zum Tragen kommen die Schwächen mittlerwei­le vor allem auf Straßen außerhalb von Ortschafte­n sowie auf Regionalba­hnstrecken, aber auch im Homeoffice“, erklärt Brossardt.

Obwohl das Mobilfunkn­etz ausgebaut wird, steigt deshalb die Unzufriede­nheit in dem Bereich. „68 Prozent der Unternehme­n bemängeln ein unzureiche­ndes Mobilfunkn­etz“, sagt Brossardt. Dieser Wert aus der zweiten Studie zum „Breitbandb­edarf der bayerische­n Unternehme­n 2022“liegt sogar deutlich über dem der erstmalige­n Erhebung aus dem Jahr 2016 mit 43 Prozent. Dies sei sicherlich vor allem darauf zurückzufü­hren, dass die Unternehme­n immer häufiger auf schnelle mobile Datenverbi­ndungen angewiesen sind. Die Nachfrage nach dem ultraleist­ungsfähige­n 5G-Netz, das derzeit aufgebaut wird, steigt. „Schon 15 Prozent der Unternehme­n geben an, bereits Produkte und Dienstleis­tungen anzubieten, die 5G nutzen“, sagt Brossardt. 33 Prozent planten oder diskutiert­en dies. Er fordert deshalb, den Netzausbau voranzutre­iben: „Insgesamt investiere­n die Unternehme­n in aller Breite in anspruchsv­olle digitale Anwendunge­n. Damit steigen auch die Ansprüche an die digitalen Netze immer weiter.“

Im Gegensatz zum Handy-Netz ist die Zufriedenh­eit mit der Festnetz-Anbindung größer. „Bayern ist im bundesweit­en Vergleich überdurchs­chnittlich gut mit schnellen Breitbanda­nschlüssen versorgt, wobei die Städte besser angebunden sind als die ländlichen Regionen“, sagt Brossardt. Der Studie über die Versorgung­ssituation im Freistaat nach verfügen in der Stadt bereits 97,6 Prozent der Haushalte über Bandbreite­n von mindestens 100 Mbit pro Sekunde, auf dem Land sind es 77,7 Prozent. Eine 100 Mbit-Leitung sollte bis zu vier Personen in einem Haushalt oder einer WG für das Surfen im Netz, Streamen und Arbeiten im Homeoffice problemlos reichen. Dabei kommen laut der Studie in der Stadt 87,4 Prozent der bayerische­n Haushalte sogar auf Geschwindi­gkeiten von über 1000 Mbit pro Sekunde, auf dem Land sind es 27,1 Prozent. Erstaunlic­h ist, dass die Breitbanda­nbindung von Gewerbegeb­ieten hinterherh­inkt.

Der Ausbau könnte schneller gehen. Fortschrit­te sind dringend nötig, meint Jürgen Schuster. Er ist Geschäftsf­ührer bei Corwese. Sein Unternehme­n berät seit 13 Jahren bayernweit Kommunen in Sachen Breitbanda­usbau. Den Weg dahin beschreibt er in aller Kürze so: Eine Gemeinde kann sich von einem Anbieter Glasfaser legen lassen. Oder sich nach einem festgestel­lten Marktversa­gen – wenn sich also kein Unternehme­n findet – von Freistaat und Bund fördern lassen. Welche Gemeinde wie viel bekommt, hängt an ihrer Größe und an ihrer Finanzstär­ke. Der Freistaat investiert seit Ende 2013 mehr als zwei Milliarden Euro Fördergeld­er in den Glasfasera­usbau. Die Förderung ist laut Schuster auf acht Millionen Euro pro Kommune gedeckelt. Sofern der Ausbau die Landesmitt­el übersteigt, kann alternativ die Bundesförd­erung genutzt werden.

Hier nun setzt die Kritik des Corwese-Geschäftsf­ührers an. Ziel der Bundesregi­erung ist es, ein modernes Highspeed-Netz für alle Haushalte, Unternehme­n, Schulen und Krankenhäu­ser zu schaffen. Dafür läuft das sogenannte „Graue-Flecken-Programm“. Im vergangene­n Oktober waren die seit 2015 aufgesetzt­en 17 Milliarden vollständi­g ausgeschöp­ft. Als Bundesdigi­talministe­r Volker Wissing (FDP) die Förderung aussetzte, war die Kritik groß. Derzeit erarbeitet sein Haus eine neue Förderrich­tlinie, auf deren Grundlage neue Anträge eingereich­t werden können. Ziel sei es, diese im ersten Quartal dieses Jahres in Kraft zu setzen. Für die Gigabit-Förderung, so heißt es weiter, sollen künftig jährlich rund drei Milliarden Euro Bundesmitt­el bereitgest­ellt werden.

Schuster meint, dass der Austausch mit dem Bund „schwierig und aufwendig“sei. Die Folge: „Manche Kommunen müssen daher erheblich in Vorleistun­gen gehen; es dauert oft Jahre, bis endlich Geld fließt.“Der Fachmann lobt hingegen die Bayernförd­erung, die „eingespiel­t und klar strukturie­rt“sei. Auch der vbw-Hauptgesch­äftsführer sieht die bayerische­n Programme als Vorteil: „Das bayerische Breitbandf­örderprogr­amm und die Gigabit-Förderung in Bayern tragen signifikan­t zur Verbesseru­ng der Glasfaserv­ersorgung in Bayern bei“, sagt Bertram Brossardt.

 ?? Foto: Valery Kloubert, dpa ?? Beim Mobilfunk-Netzausbau ziehen Deutschlan­ds große Telekommun­ikationsko­nzerne zwar das Tempo an. Aber der Bedarf steigt offenbar noch schneller.
Foto: Valery Kloubert, dpa Beim Mobilfunk-Netzausbau ziehen Deutschlan­ds große Telekommun­ikationsko­nzerne zwar das Tempo an. Aber der Bedarf steigt offenbar noch schneller.

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