Unzufriedenheit mit dem Handynetz steigt
In Bayern kommt der Ausbau des Breitbandnetzes unter der Erde gut voran. Kritischer sieht es im Mobilfunk aus. Zwei neue Studien der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft zeigen, wo die Probleme liegen.
München Ob Handy oder Internet, der Bedarf nach schnellen Datennetzen steigt. Im Privaten sind es gestreamte Filme oder Videospiele, die die Übertragung größerer Datenmengen erfordern. In der Unternehmenswelt treiben Videokonferenzen die Entwicklung voran, aber auch Fernwartungen, Big-Data-Analysen oder Echtzeitanwendungen. Zwei neue Studien der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) zeigen nun, dass der Ausbau des Festnetzes in Richtung eines schnellen Breitbandnetzes gut vorankommt. Dagegen bestehen im Mobilfunk größere Probleme.
Im Mobilfunk sehen die Zahlen nur auf den ersten Blick gut aus. Derzeit sind rund 99,7 Prozent der Haushalte in Bayern mindestens mit einem leistungsfähigen LTENetz versorgt, berichtet die vbw in einer Studie zum „Versorgungsgrad der digitalen Infrastruktur in Bayern“, die diesen Mittwoch vorgestellt wird und unserer Redaktion vorab vorlag. „Verkehrswege oder die gesamte Fläche des Freistaates sind jedoch nicht vollständig abgedeckt“, heißt es darin. Rund ein Viertel der Landesfläche gelten als weiße oder graue Flecken mit schlechtem Empfang.
Eine Rolle spielt offenbar der lokale Widerstand gegen Handymasten: Die Autoren betrachteten gezielt 13 Orte, an denen der Zubau von Masten Protest hervorrief, darunter Sulzberg im Landkreis Oberallgäu. Das fast logische Ergebnis: „Die Messfahrten haben tatsächlich Streckenabschnitte identifiziert, auf denen der Mobilfunkempfang nur schlecht oder sogar gar nicht vorhanden ist.“Abgebrochene oder gar nicht erst zustande gekommene Gespräche waren die Folge.
„Nach wie vor melden die Unternehmen Einschränkungen beim Mobilfunk“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt unserer Redaktion. Zwar bessere sich die Situation spürbar, auch entlang der Autobahnen und ICEStrecken. „Deutlicher zum Tragen kommen die Schwächen mittlerweile vor allem auf Straßen außerhalb von Ortschaften sowie auf Regionalbahnstrecken, aber auch im Homeoffice“, erklärt Brossardt.
Obwohl das Mobilfunknetz ausgebaut wird, steigt deshalb die Unzufriedenheit in dem Bereich. „68 Prozent der Unternehmen bemängeln ein unzureichendes Mobilfunknetz“, sagt Brossardt. Dieser Wert aus der zweiten Studie zum „Breitbandbedarf der bayerischen Unternehmen 2022“liegt sogar deutlich über dem der erstmaligen Erhebung aus dem Jahr 2016 mit 43 Prozent. Dies sei sicherlich vor allem darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen immer häufiger auf schnelle mobile Datenverbindungen angewiesen sind. Die Nachfrage nach dem ultraleistungsfähigen 5G-Netz, das derzeit aufgebaut wird, steigt. „Schon 15 Prozent der Unternehmen geben an, bereits Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die 5G nutzen“, sagt Brossardt. 33 Prozent planten oder diskutierten dies. Er fordert deshalb, den Netzausbau voranzutreiben: „Insgesamt investieren die Unternehmen in aller Breite in anspruchsvolle digitale Anwendungen. Damit steigen auch die Ansprüche an die digitalen Netze immer weiter.“
Im Gegensatz zum Handy-Netz ist die Zufriedenheit mit der Festnetz-Anbindung größer. „Bayern ist im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich gut mit schnellen Breitbandanschlüssen versorgt, wobei die Städte besser angebunden sind als die ländlichen Regionen“, sagt Brossardt. Der Studie über die Versorgungssituation im Freistaat nach verfügen in der Stadt bereits 97,6 Prozent der Haushalte über Bandbreiten von mindestens 100 Mbit pro Sekunde, auf dem Land sind es 77,7 Prozent. Eine 100 Mbit-Leitung sollte bis zu vier Personen in einem Haushalt oder einer WG für das Surfen im Netz, Streamen und Arbeiten im Homeoffice problemlos reichen. Dabei kommen laut der Studie in der Stadt 87,4 Prozent der bayerischen Haushalte sogar auf Geschwindigkeiten von über 1000 Mbit pro Sekunde, auf dem Land sind es 27,1 Prozent. Erstaunlich ist, dass die Breitbandanbindung von Gewerbegebieten hinterherhinkt.
Der Ausbau könnte schneller gehen. Fortschritte sind dringend nötig, meint Jürgen Schuster. Er ist Geschäftsführer bei Corwese. Sein Unternehmen berät seit 13 Jahren bayernweit Kommunen in Sachen Breitbandausbau. Den Weg dahin beschreibt er in aller Kürze so: Eine Gemeinde kann sich von einem Anbieter Glasfaser legen lassen. Oder sich nach einem festgestellten Marktversagen – wenn sich also kein Unternehmen findet – von Freistaat und Bund fördern lassen. Welche Gemeinde wie viel bekommt, hängt an ihrer Größe und an ihrer Finanzstärke. Der Freistaat investiert seit Ende 2013 mehr als zwei Milliarden Euro Fördergelder in den Glasfaserausbau. Die Förderung ist laut Schuster auf acht Millionen Euro pro Kommune gedeckelt. Sofern der Ausbau die Landesmittel übersteigt, kann alternativ die Bundesförderung genutzt werden.
Hier nun setzt die Kritik des Corwese-Geschäftsführers an. Ziel der Bundesregierung ist es, ein modernes Highspeed-Netz für alle Haushalte, Unternehmen, Schulen und Krankenhäuser zu schaffen. Dafür läuft das sogenannte „Graue-Flecken-Programm“. Im vergangenen Oktober waren die seit 2015 aufgesetzten 17 Milliarden vollständig ausgeschöpft. Als Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) die Förderung aussetzte, war die Kritik groß. Derzeit erarbeitet sein Haus eine neue Förderrichtlinie, auf deren Grundlage neue Anträge eingereicht werden können. Ziel sei es, diese im ersten Quartal dieses Jahres in Kraft zu setzen. Für die Gigabit-Förderung, so heißt es weiter, sollen künftig jährlich rund drei Milliarden Euro Bundesmittel bereitgestellt werden.
Schuster meint, dass der Austausch mit dem Bund „schwierig und aufwendig“sei. Die Folge: „Manche Kommunen müssen daher erheblich in Vorleistungen gehen; es dauert oft Jahre, bis endlich Geld fließt.“Der Fachmann lobt hingegen die Bayernförderung, die „eingespielt und klar strukturiert“sei. Auch der vbw-Hauptgeschäftsführer sieht die bayerischen Programme als Vorteil: „Das bayerische Breitbandförderprogramm und die Gigabit-Förderung in Bayern tragen signifikant zur Verbesserung der Glasfaserversorgung in Bayern bei“, sagt Bertram Brossardt.