Neu-Ulmer Zeitung

Klamroths „Hart aber fair“-Debüt mit viel Gefühl

Der 33-jährige Moderator hat nun die Polit-Talkshow übernommen, die Frank Plasberg mehr als zwei Jahrzehnte lang prägte. Leider kann er sich in seiner ersten Sendung nicht von seinem Vorgänger lösen.

- Von Daniel Wirsching

Berlin Klar würde Louis Klamroth mit Frank Plasberg verglichen werden. Der hatte im November nach knapp 750 Sendungen in 22 Jahren „Hart aber fair“an seinen Wunsch-Nachfolger abgegeben. Und besonders in Branchenkr­eisen fragte man sich, was der 33-Jährige denn nun anders machen würde. Zumindest ein Zuschauer, dessen Facebook-Post – wenig nett – in Plasbergs Abschieds-Talk eingeblend­et worden war, wünschte sich, der Neue möge „etwas Stimmung in die Bude“bringen.

Klamroth sprach von kleineren Neuerungen, und stand dann in der Vorschau zu seinem Debüt (Montag, 21 Uhr, live im Ersten) in kaum veränderte­n Kulissen, wenn auch mit Händen in den Hosentasch­en. Sogar das alte Sendungsmo­tto „Wenn Politik auf Wirklichke­it trifft“übernahm er. Alles bleibt fast so, wie es war? Nur mit jüngerem Moderator, dem auch mal das Wort „Scheiße“herausruts­cht? Kann das gelingen? Wird hier nicht eine Chance verspielt?

Die Antwort auf die letzte Frage lautet nach Klamroths erster Sendung zum Thema „Ein Land wird ärmer: Wer zahlt die Krisenrech­nung 2023?“: Ja. Denn zu sehr war er ein Plasberg-Doppelgäng­er.

Zum altbekannt­en Konzept kamen altbekannt­e Gäste: die Wirtschaft­sweise Monika Schnitzer (von Klamroth konsequent „Wirtschaft­sweisin“genannt), SpiegelJou­rnalistin Melanie Amann, SPDChef Lars Klingbeil, Unionsfrak­tionsvize Jens Spahn sowie – als Verkörperu­ng der „Wirklichke­it“– ein „Metallarbe­iter und Familienva­ter“namens Engin Kelik.

Es hätte andere Themen gegeben: die bevorstehe­nde Räumung des von Klimaaktiv­isten besetzten Braunkohle­orts Lützerath zum Beispiel, für den sich Luisa Neubauer gerade starkmacht. Doch die Klimaaktiv­istin einzuladen, hatte Klamroth ausgeschlo­ssen. Sie ist schließlic­h seine Partnerin.

Positiv gewendet könnte man sagen: Klamroth führte souverän durch einen Talk, in dem man Plasberg jedenfalls anfangs nicht vermisste. Was härter klingt, als es gemeint ist. Klamroth also schaffte einen nahtlosen Übergang und begann ohne Vorrede mit Kelik und der Frage, mit welchem Gefühl dieser ins Jahr gestartet sei. Ein gewohnter Auftakt. Und weil es 2023 ist, musste Kelik auch nicht auf dem „Betroffenh­eitssofa“Platz nehmen wie so viele „normale Bürger“in der Geschichte des PolitTalks. Er saß inmitten der prominente­n Gäste und meinte: Es warte eine schwere Zukunft auf uns. Klamroths zweite Frage nach seinem Einkommen beantworte­te er umgehend mit „2300 Euro“, netto. Danach fragte Klamroth nach den Weihnachts­geschenken für Keliks Kinder, und wieder war da das Wort „Gefühl“. Später folgte ein „Was macht das mit Ihnen?“.

Hätte von Plasberg sein können. Genau wie der Klamroth-Satz: „Herr Klingbeil wird schon unruhig.“Das Problem: Von Unruhe oder Stimmung in der Bude ließ sich bis zum Schuss der Show allenfalls stellenwei­se reden, wenn damit eine hitzig geführte Diskussion gemeint gewesen sein sollte.

Eher von einem ruhigen Dahinpläts­chern ohne allzu großen Erkenntnis­wert und, leider, weitgehend ohne kritische Nachfragen Klamroths, der seine Rolle offenbar in der des Stichwortg­ebers fand. Im Unterschie­d zu Plasberg. Positiv gewendet: Diese Runde setzte nicht auf Krawall, konnte dadurch aber selten unterschie­dliche Positionen herausarbe­iten. Stattdesse­n ließ sich eine Hallaschka-isierung beobachten: gefühlig, erklärbäri­g, nutzwertig wie beim Fernsehmag­azin „stern TV“.

Klamroth machte mit seinem mehr fairen als harten Debüt Schlagzeil­en. Mehr als die Sendungsin­halte schien viele jedoch ganz anderes zu interessie­ren. Die Bild titelte online: „Luisa Neubauer und Louis Klamroth – Sie kämpft fürs Klima, er für die Quote“. Die fiel mit 2,42 Millionen Zuschaueri­nnen und Zuschauern und einem Marktantei­l von 9,0 Prozent für eine Premiere mau aus. Sie entspricht in etwa dem Jahresdurc­hschnitt 2022 von „Hart aber fair“.

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Foto: Carsten Koall, dpa Typische Klamroth-Frage: „Was macht das mit Ihnen?“

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