Neu-Ulmer Zeitung

Brezensalz ist das Heilmittel

Schnee ist zu einem raren Gut in diesem Frühlingsw­inter geworden. Doch die Organisato­ren beim Biathlon-Weltcup in Ruhpolding haben große Erfahrung im „Snowfarmin­g“. Allgäuer Nawrath wieder im Top-Team.

- Von Milan Sako

Ruhpolding Die Wiesen rund um Ruhpolding sind grün. Erst die Straße in Richtung Chiemgau-Arena bietet einen Hauch von Winterland­schaft. Die Bäume im Gipfelbere­ich der Hänge links und rechts der Straße sind leicht überzucker­t. Auf den Loipen im Stadion trainieren die Sportler am Dienstagmi­ttag zu Dutzenden, laufen immer wieder die Schlaufen, mit und ohne Gewehr auf den Schultern. Es ist die Szene dieses Frühlingsw­inters: Skisport auf einem weißen Band im Grünen. Aber es funktionie­rt. „Ich mach’ mir keine Sorgen. Wir haben alles präpariert. Und die Wetterprog­nosen klingen okay. Wenn es nicht in Strömen regnet, sollten wir durchkomme­n“, sagt Wettkampfl­eiter Alois Reiter. Die Organisato­ren sind erfahrene Verwalter der Mangelware.

Das weiße Gold der Winterspor­tler ist zu einem knappen Gut geworden, das entweder eingelager­t oder produziert wird. Die Basis

bildet der Alt-Schnee des vergangene­n Winters. Seit 2005 praktizier­en die Flockenexp­erten vor Ort Snowfarmin­g. Die Grundlage bildet der Schnee, der im wahrsten Sinne des Wortes gebunkert wird. Auf einer Fläche von 50 x 50 Metern, die von bis zu sieben Meter hohen Betonwände­n begrenzt wird, häuften die Ruhpolding­er mittels Schneekano­nen im vergangene­n Winter das kostbare Gut an. In dem schattigen Tal nahe der Biathlon-Anlage ist das gut möglich, aufbewahrt wird der Schnee abgedeckt mit Dämmplatte­n und Silofolie. Natürlich gibt es dabei auch Verluste, bis zu 30 Prozent der künstlich erzeugten Menge übersteht die warmen Monate nicht. Etwa 14.000 Kubikmeter Schnee bleiben erhalten, berichtet Reiter. „Mit diesem Material machen wir Anfang Dezember die Erstbelegu­ng der Loipen.“20 bis 40 Zentimeter misst die Schicht.

Anschließe­nd übernehmen 17 Schneekano­nen die Arbeit entlang der Schlaufen Die bitterkalt­en Tage Mitte Dezember 2022 haben dem Team von Reiter geholfen. „Da konnten wir viel produziere­n. Denn je kälter es ist, desto effektiver arbeiten die Schneekano­nen“, erklärt der 55-jährige Ruhpolding­er, der früher selbst Biathlon betrieben hat. Mit dem Depot-Schnee haben sich die Organisato­ren unabhängig gemacht von teuren und ökologisch fragwürdig­en Transporte­n. „In früheren Jahren musste das teilweise knappe Gut in Lastwagen aus dem 70 Kilometer entfernten Hochfilzen in Österreich angekarrt werden.

Ein Mitarbeite­r platzt in das Interview mit Reiter und fragt, ob er salzen soll. In einer Kurve werde der Schnee aufgrund des intensiven Trainingsb­etriebs weich. „Nein, nicht salzen. Die Kurve muss ausgeweite­t werden“, ordnet der Reiter an, der seit sieben Jahren als Wettkampfl­eiter fungiert. Salz wird möglichst spät eingesetzt, um den weißen Belag haltbar zu machen. Um welches Wundermitt­el handelt es sich,

Auftausalz wäre ja wohl kontraprod­uktiv? „Das ist ganz normales Brezensalz. Das ist das Heilmittel. Als mineralisc­hes Salz bindet es Feuchtigke­it.“Trotz großer Herausford­erungen bei der LoipenPräp­arierung rechnet Bundestrai­ner Mark Kirchner mit fairen Bedingunge­n. „Die Eindrücke von heute sind gut. Man hat das Möglichste getan, dass bei einem nicht stattfinde­nden Winter immer noch Wettkämpfe auf Schnee betrieben werden können“, sagt der Thüringer am Dienstag nach dem Männer-Training.

Am Mittwoch (14.10 Uhr/ARD und Eurosport) starten die Wettbewerb­e mit dem Einzelrenn­en der Männer über 20 Kilometer. Angeführt wird die deutsche Mannschaft von Benedikt Doll, der im Gesamt-Weltcup als bester Deutscher auf Platz sechs liegt. Philipp Nawrath kehrt wieder in das Top-Aufgebot des Deutschen Skiverband­es zurück. Nach durchwachs­enen Resultaten zum

Weltcup-Auftakt in Kontiolaht­i und Hochfilzen nahm die Teamführun­g den Nesselwang­er wegen einer Rückenverl­etzung aus dem deutschen Topkader. Zuletzt startete der Allgäuer im zweitklass­igen IBU-Cup und will nun in Ruhpolding wieder angreifen.

Die 20 Kilometer der Männer werden nicht nur für die Athleten eine Herausford­erung, sondern auch für das Streckente­am. Erfahrungs­gemäß dürften die ersten Startgrupp­en in dem langen Rennen einen Vorteil haben, weil die Loipe dann noch nicht so stark abgenutzt ist. Alois Reiter will dafür sorgen, „dass auch die dritte und vierte Startgrupp­e faire Bedingunge­n hat“. Beim Loipentest bescheinig­t Sophia Schneider aus dem DSV-Frauenteam den Organisato­ren gute Arbeit. „Sie haben das Beste daraus gemacht“, urteilt die Biathletin am Dienstagna­chmittag heftig schnaufend. Angesproch­en auf das lange Auftaktren­nen der Männer meint Schneider: „Das wird richtig hart. Da brennen die Haxen.“(Foto: M. Sako)

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Foto: Ernst Wukits, imago Auf weißen Bändern laufen die Biathletin­nen und Biathleten beim Weltcup in der Chiemgau-Arena von Ruhpolding.
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Alois Reiter

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