Neu-Ulmer Zeitung

Guter Trash bringt Cash

- Von Stefan Stahl

Das wahre Leben ist oft trashig, eben banal, seicht, trivial. Wer ehrlich ist, steht dazu und räumt offen ein, öfter das Dschungelc­amp mit seinen Ekel-Prüfungen zu sehen, als sich mit dem „Ekel“, also dem Hauptroman des Existenzia­lismus von Jean-Paul Sartre, abzumühen. Untersuchu­ngen zeigen: Jeder dritte Konsument des Banal-TV hat Abi, jeder vierte ist Akademiker. Von wegen Unterschic­htenFernse­hen, liebe Oberschich­t!

Dabei ist die Freude am TrashGlotz­en psychologi­sch wertvoll, wenn man taz-Kolumnist Volkan Agar folgt. Der Feuilleton­ist versichert, manche schauten Seicht– Fernsehen, um die eigene Unvollkomm­enheit und die erlebten Zumutungen des Lebens kurz zu vergessen. Und wie schreibt der Journalist so schön: „Die Banalität des Angeschaut­en wird im Gegensatz zur anstrengen­den Komplexitä­t der Welt als erleichter­nd erlebt.“Das Befreiende an Sendungen wie dem Dschungelc­amp sei eben im Gegensatz zum echten Leben, ergänzt Autorin Anja Rützel, dass man ungeniert gaffen könne. Und das, ohne sich bei Nachbarn durch den Vorgarten zu schleichen oder gar als ekliger Voyeur zu gelten.

Guter Trash, mit dem Sender wie RTL Cash machen, will gekonnt sein und kostet erst mal richtig Cash, um mehr als vier Millionen Menschen zu Gafferinne­n und Gaffern zu erziehen. Kluge Personalen­tscheidung­en sind hier wie bei jeder erfolgreic­hen Unternehmu­ng existenzie­ll. Dann gelingen Trash-Sternstund­en, wenn etwa das Model Tessa Bergmeier trotz tierischer Ekel-Attacken ihre vegane Gesinnung nicht verrät und fast zärtlich in die Kameras haucht: „Ich tue dir nicht weh, mein kleiner Krebs, kleine Kakerlake in meinem Gesicht.“Selten war mehr Respekt vor der Schöpfung zu sehen. Dem Trash-Musterstüc­k steht derzeit ein denkbar misslungen­es, weil unfreiwill­ig-peinliches gegenüber. So wollte die scheidende Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht sicher mit besten Vorsätzen Neujahrsgr­üße an das Volk per Video senden. Die Politikeri­n ließ sich aber mit wehenden Haaren filmen, während Raketen und Böller gezündet wurden. Sie sprach über die Ukraine und war kaum zu verstehen, als wollte Lambrecht sagen: „Ich bin eine Politikeri­n, holt mich hier raus.“Der Wunsch wird ihr nach dem sonderbare­n Trash erfüllt. Sie muss das Berliner Ministerca­mp verlassen.

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