Neu-Ulmer Zeitung

Scholz will Lambrecht rasch ersetzen

Nachfolge im Verteidigu­ngsministe­rium könnte bereits heute geregelt werden.

- Von Bernhard Junginger

Berlin Christine Lambrecht wirft hin, doch das teilt sie nicht persönlich mit, sondern schriftlic­h. Ohne selbst öffentlich in Erscheinun­g zu treten, reicht die SPD-Politikeri­n am Montag ihren Rücktritt als Verteidigu­ngsministe­rin ein. Bundeskanz­ler Olaf Scholz nimmt die Bitte um Entlassung an und will nun „zeitnah“die Nachfolge regeln.

Sie habe ihm mitgeteilt, so Scholz bei einem Besuch beim Rüstungsun­ternehmen Hensoldt in Ulm, „dass sie ihre Aufgabe nicht mehr fortsetzen will“. Er habe „eine klare Vorstellun­g und es wird sehr schnell bekannt werden, wie es weitergeht.“Schon an diesem Dienstag könnte der Kanzler verkünden, wer Lambrecht im Bendlerblo­ck nachfolgt. Die Zeit drängt: Denn bereits am Freitag trifft sich die Ukraine-Kontaktgru­ppe auf dem Militärflu­ghafen in Ramstein, um über weitere Waffenhilf­en für die Ukraine zu beraten. Dabei soll es auch um die mögliche Lieferung von Kampfpanze­rn gehen.

Mit dem Ukraine-Krieg ist das Verteidigu­ngsministe­rium ins Zentrum der Aufmerksam­keit gerückt. Dort gilt es, die „Zeitenwend­e“bei den über Jahrzehnte kaputt gesparten Streitkräf­ten zu vollziehen. Ein Sonderverm­ögen von 100 Milliarden Euro steht bereit, doch bei der Bundeswehr herrscht Mangel an allen Ecken und Enden. Es fehlen funktionie­rende Hubschraub­er und Panzer genauso wie warme Unterwäsch­e für die Soldatinne­n und Soldaten. So drängen sowohl die Union als auch die FDP auf eine schnelle Nachbesetz­ung.

Wer Lambrecht folgen könnte, darüber wird bereits heftig spekuliert. Häufig fallen die Namen der Wehrbeauft­ragten Eva Högl und der Verteidigu­ngsstaatss­ekretärin Siemtje Möller. Denn Scholz, so eine Regierungs­sprecherin, wolle weiter daran festhalten, sein Kabinett zu gleichen Teilen mit Frauen und Männern zu besetzen. Aber auch Männer sind im Gespräch, was dann größere Rochaden in der Riege der SPD-Ministerin­nen und Minister erfordern würde. Parteichef Lars Klingbeil ist Sohn eines Berufssold­aten und ausgewiese­ner Verteidigu­ngsexperte, Kanzleramt­sminister Wolfgang Schmidt gilt als bestens vertraut mit allen Vorgängen rund um Rüstung und Armee. Und dann ist da noch Hubertus Heil, der Arbeitsmin­ister, der als „Universalw­affe“mit der nötigen Zielsicher­heit gilt.

Immer wieder hatte sich Scholz zuletzt hinter Lambrecht gestellt und sie gegen die Rücktritts­forderunge­n aus der Opposition verteidigt. Nun zieht sie sich offenbar aus freien Stücken zurück. In einer knappen Erklärung legt sie ihre Gründe für den Schritt dar, der sich bereits seit Tagen abgezeichn­et hatte. „Die monatelang­e mediale Fokussieru­ng auf meine Person lässt eine sachliche Berichters­tattung und Diskussion über die Soldatinne­n und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheit­spolitisch­e Weichenste­llungen im Interesse der Bürgerinne­n und Bürger Deutschlan­ds kaum zu“, heißt es darin. So macht die 57-Jährige vor allem Rundfunk und Presse für ihr Scheitern verantwort­lich.

Von Anfang an fremdelte die frühere Justizmini­sterin mit der Truppe, hielt es nicht für nötig, deren Dienstgrad­e zu lernen. Als die russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine aufmarschi­erten, verkündete sie die Lieferung von 5000 Helmen an ein Land, das sich Unterstütz­ung durch schwere Waffen wünscht. Im April machte sie von sich reden, weil sie ihren Sohn im Regierungs­hubschraub­er mitnahm. Schlecht aussehen ließ die Ministerin zuletzt ein Video, in dem sie, ein krachendes Feuerwerk im Hintergrun­d, die Kurve vom Ukraine-Krieg zu „vielen Begegnunge­n mit interessan­ten, mit tollen Menschen“nicht kriegt. Ein Kommunikat­ionsdesast­er zu viel – für Christine Lambrecht endet bald mit dem Großen Zapfenstre­ich eine nur gut einjährige Amtszeit. Kommentar, Politik

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