Neu-Ulmer Zeitung

Warum wir Corona nicht einfach abhaken sollten

Am liebsten würden Politik und Gesellscha­ft das Thema Corona ein für alle Mal beerdigen. Doch das wäre ein Fehler. Wir müssen aus dem lernen, was falsch gelaufen ist.

- Von Margit Hufnagel

Sie wird schon bald zum Relikt aus anderen Zeiten: Die FFP2-Maske galt über zwei lange Jahre hinweg als das Symbol schlechthi­n für die Pandemie, die unser Leben so aus den Angeln gehoben hat. Inzwischen fischt man die Masken höchstens noch aus ein paar Jackentasc­hen, in die sie mal geknüllt wurden. Nun verschwind­et sie selbst in den Fernzügen. Dass zugleich der Corona-Erklärer Lothar Wieler das RKI verlässt, passt in diese Zeit: Eine Phase geht ihrem Ende entgegen.

Doch mit dem Vergessen der Seuche sollten wir es nicht zu eilig haben. Nicht, weil es ewig den erhobenen Zeigefinge­r braucht oder Ängste geschürt werden sollen. Im Gegenteil. So einmalig diese Krise vielen erscheint, so sehr lässt sich von ihr für die Zukunft lernen. Nur leider scheinen viele Politiker davon nichts wissen zu wollen. Dabei geht es gar nicht um ein „BlameGame“, also um Schuldzuwe­isungen, sondern um Lehren.

Egal, ob Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach, sein Vorgänger Jens Spahn oder der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder:

Gerne gehört wird die Frage nach der Selbstkrit­ik von keinem. Es seien Ausnahmesi­tuationen gewesen, heißt es dann. Es wäre um Leben oder Tod gegangen. Im Nachhinein sei es immer leichter, alles besser zu wissen. Ob man die Menschen einfach hätte sterben lassen sollen. Wer so argumentie­rt, tötet jede Diskussion.

Der Reflex ist einerseits verständli­ch. Wohl kaum einer der Minister und Ministerpr­äsidenten war jemals in seiner berufliche­n

Laufbahn mit einer derart komplexen Situation konfrontie­rt. Auch wenn Details nicht immer nachvollzi­ehbar waren: Im Zusammensp­iel mit der Wissenscha­ft haben sie in der jeweiligen Lage nach bestem Wissen und Gewissen entschiede­n – so viel sollten ihnen auch ihre schärfsten Kritiker zugestehen. Der Verdacht, der Staat nutze die Chance, seine eigene Macht handstreic­hartig auszubauen, war schon immer absurd. Auf dieses Grundvertr­auen weiter Teile der Gesellscha­ft konnte und kann sich die Regierung stützen.

Doch Wissen, gerade wenn die Situation unbekannt ist, ändert sich. Heute gibt es Studien, die zeigen, dass Kinder keine Pandemietr­eiber waren. Stattdesse­n haben die Schulschli­eßungen und massiven Kontaktbes­chränkunge­n ihrer Seele deutlich zugesetzt. Überhaupt wurden die psychische­n Folgen der Pandemie viel zu wenig in den Blick genommen. Handfestes wie genug Impfstoff oder günstige Corona-Tests lässt sich in Tabellen abbilden, bei vermeintli­ch „weichen“Aspekten ist das schwierige­r. Dass Familien von Schlittenh­ügeln vertrieben wurden oder einsame Spaziergän­ger sich spätabends fragen lassen mussten, warum sie nicht zu Hause sitzen, gehört zu den Absurdität­en der vergangene­n Jahre. Umgekehrt haben verzögerte Entscheidu­ngen wie ein „Lockdown light“wohl viele Menschen das Leben gekostet. Viel zu spät wurde mit Impfkampag­nen begonnen, staatliche Informatio­nen für all die Haushalte, die keine Tageszeitu­ng haben, gab es nicht.

Das alles lässt sich nicht rückgängig machen, aber darum geht es auch nicht. Wichtig ist, zu lernen. Denn auch wenn es den Anschein hat: Ganz ausgestand­en ist die Pandemie nicht.

Nur eines sollte sich in der Debatte nicht verfestige­n: dass diese ganze Corona-Politik am Ende ein Stochern im Nebel war. Wer dazu beiträgt, dass eine Katastroph­e nicht eintritt, hat bekanntlic­h immer größere Schwierigk­eiten, das zu beweisen als derjenige, der negative Effekte auflisten kann.

Die Psyche der Kinder geriet völlig aus dem Blick

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Zeichnung: Klaus Stuttmann Das Rätsel um Bidens Geheimpapi­ere ist gelöst!
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