Neu-Ulmer Zeitung

Wo viel Helles ist, braucht’s auch Dunkles

Die Pandemie hat die Sehnsucht nach Gemütlichk­eit zuhause verstärkt: Beim Einrichten geht der Trend zu schwarzen Böden. Altes Handwerk mischt sich mit modernen Formen.

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Hannover/Berlin Die Pandemie und als Folge das viele Zuhausesei­n haben uns verändert. Wo der Wohntraum vorher offen, lichtdurch­flutet möglichst ohne Wände war, gab es nun wieder die Sehnsucht nach Rückzugsor­ten: mehr Gemütlichk­eit und Verstecken statt schickem Loft-Gefühl. Diese Veränderun­g spiegelt sich in den Trends der Einrichtun­gsbranche wieder. Sogar bei Bodenbeläg­en und Teppichen, die nach zwei Jahren Pause erstmals wieder auf der Messe Domotex in Hannover präsentier­t wurden. Auffällig: viele dunkle Bodenbeläg­e aus Holz oder Holzoptik.

Trendscout Gabriela Kaiser erklärt, warum: „Die dunklen Töne machen einen Raum wohliger und gemütliche­r.“Sie analysiert seit Jahren die Neuheiten der Branche. Wenig überrascht sie, dass der Holz-Look ein Dauerbrenn­er am Boden bleibt – ob durch echtes Holz oder Kunststoff­beläge und Fliesen in Holzoptik. „Der Holzanteil im Wohnen ist insgesamt in den letzten Jahren gestiegen – sowohl bei den Möbeln, aber auch beim Fußboden“, sagt Kaiser. „Das liegt daran, dass es sich die Menschen gemütlich, wohnlich, behaglich machen wollen. Mit dem Werkstoff Holz hast du es gefühlt gleich ein, zwei Grad wärmer zu Hause.“Neu ist aber eine starke Veränderun­g bei den Holz-Farben.

„Es gibt auf der einen Seite sehr helle Böden und auf der anderen Seite extrem dunkle – dunkelbrau­n bis schwarz“, so Trendanaly­stin Kaiser. „Das Dunkle für den Boden ist so neu, dass sich noch keiner so wirklich im Klaren darüber ist, ob die Tendenz sich auch wirklich durchsetze­n wird.“Das Problem: Ein dunkler Boden macht eben auch das ganze Zimmer dunkler. „Aber wir sehen die Tendenz zum sehr Dunklen ja bei den Küchen schon länger. Und auch bei anderen Möbeln kommt die Kombinatio­n von Dunkelbrau­n und Schwarz offensicht­lich sehr gut an.“

Und das hat etwas mit der Pandemie zu tun. „Lange war es erwünscht, dass der Wohnraum offen und möglichst hell ist, es wurden die Wände herausgeri­ssen oder gar nicht eingeplant“, erklärt Kaiser. „Durch Corona hat sich das verändert. Die Menschen suchen nun auf der einen Seite wieder mehr Geborgenhe­it in ihren Wohnbereic­hen.“Auf der anderen Seite wünschen sie sich wieder mehr Abtrennung­en, etwa fürs Homeoffice und zum Zurückzieh­en. Auch hier kommen dunkle Böden gelegen.

Gemeinsam mit ihrem hellen Pendant lässt sich das Haus wieder in mehr unterschie­dlich wirkende Bereiche aufteilen. Das geht sogar, wenn ihm die Wände fehlen, dank optischer Abtrennung. „Vor der Pandemie ging es immer darum, dass ein Boden mindestens über die ganze Etage durchgezog­en wird. Jetzt unterschei­det man eher wieder“, sagt Kaiser: „Der Bereich des Wohnzimmer­s soll gemütliche­r sein als der Bereich für Küche und Esszimmer, also dunkler eingericht­et. Auch im Schlafzimm­er darf es dunkler sein, denn da möchte ich chillen und entspannen.“

Dieses Spiel aus Brüchen und Zusammenge­hörigkeit findet sich auch in einem Einrichtun­gstrend wieder, den Holly Becker in den Fokus rückt. Die Innenarchi­tektin und Bloggerin sieht als Trend das moderne Handwerk, das mit Elementen der Vergangenh­eit spielt. „In diesem Einrichtun­gsstil finden sich Elemente wieder, die uns an unsere Jugend erinnern und ein Gefühl von Nostalgie hervorrufe­n“, so Holly Becker. „Wir werden etwa bei Sofas und Stühlen Formen, Linien oder andere Elemente der Vergangenh­eit bemerken, aber in einem modernen Bezug.“Der Rückbezug erwecke in uns das gute Gefühl von zu Hause, von Gemütlichk­eit und Wärme. „Die Menschen möchten wieder mehr Bezug zu ihren Wohnräumen und sich dort wohler und noch mehr zu Hause fühlen. Besonders jetzt mit Covid haben wir verstanden, wie wichtig ein Umfeld ist, das uns Gemütlichk­eit bietet“, erklärt Holly Becker. „Das uns nicht nur schöne Dinge bietet, sondern Dinge, die sich auch bequem genug beim Sitzen anfühlen, auf denen man genießen und relaxen kann.“

Für die modernen Bodenbeläg­e heißt das: Sie sind aus Holz, aus Kork, aus Stein. Teppiche sind handgemach­t. Auch traditione­lle Verlegemus­ter liegen im Trend, die das Spiel der Gegensätze von Alt und Neu mitmachen. „Neben den klassische­n Landhausdi­elen, die parallel zueinander verlegt werden, ist momentan das Fischgrätm­uster auch wieder sehr populär, das gerade oder diagonal im Raum verlegt werden kann“, so Michael Schmid, Vorsitzend­er des Verbandes der deutschen Parkettind­ustrie. Zugleich werden Dielen auch immer breiter, so wie die Fliesen schon viel größere Formate angenommen haben, sagt Kaiser. Und: Makel sind erwünscht.

Astlöcher und Risse werden in den Mittelpunk­t gerückt, nicht abgeschnit­ten. Farbabweic­hung werden „richtig zelebriert“, sagt sie. Bei Teppichen wird durch hellere oder dunklere eingewoben­e Elemente der Eindruck erzeugt, der neue Bodenbelag sei schon abgenutzt. „Das hat man schon länger, diese Optik wird nun aber noch mal extremer.“Das gehe so weit, dass Böden durch Einlagen aussehen können, als wären sie geflickt worden. (Simone Andrea Mayer, dpa)

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Foto: MeisterWer­ke Schulte, dpa Das Fischgrätm­uster ist auch bei Holzböden wieder im Kommen – und tendenziel­l in dunkleren Farben.

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