Wie setze ich meine Rechte als Passagier durch?
Geht bei Flugreisen etwas schief, erhalten Reisende oft eine Entschädigung. Ihre Ansprüche können sie viel länger geltend machen, als viele denken. Doch wie kommt man an sein Geld? Experten geben Rat.
Mittlerweile ist es wieder relativ bedenkenlos möglich, Flugreisen zu buchen. Doch die Nachwehen der Pandemie zeigen sich im Luftverkehr deutlich: Immer wieder müssen Airlines Flüge streichen, Passagiere stranden an Flughäfen und es bleiben tausende Koffer liegen. 2023 soll es auch nicht wesentlich besser werden. Was aber tun, wenn der Flug annulliert und das Gepäck verschwunden ist? Passagiere sollten ihre Rechte kennen – zwei Expertinnen für Fluggastrecht sagen, wie sie diese auch durchsetzen können.
• Was kann ich im Vorhinein tun, um Flug-Chaos zu vermeiden?
Es ist empfehlenswert, NonstopFlüge zu buchen. Die sind meist teurer, aber weniger störungsanfällig. Es besteht immerhin kein Risiko, dass Gepäck oder Passagiere bei einer Zwischenlandung stranden. Zudem ist es ratsam, Flüge zu wählen, die früh am Tag starten. Wie aus Daten der Fluggesellschaften hervorgeht, kommt es zu späteren Tageszeiten eher zu Verspätungen. Wichtig ist, am Reisetag informiert zu bleiben, rät Julia Zeller, Reiserechtsexpertin der
Verbraucherzentrale. „Ist der Flug pünktlich, besteht die Verbindung noch? Wo ist der Notfall-Kontakt zu Airline oder Reiseveranstalter? Und ganz wichtig: Rechtzeitig am Flughafen sein und genug Puffer einplanen, falls die Sicherheitskontrollen länger dauern.“
• Was kann ich vorbeugend gegen Gepäckverlust tun?
Wer sichergehen will, kann nur mit Handgepäck reisen. Das spart Zeit, weil der Check-in wegfällt. Gleichzeitig ist das Risiko des Verlusts geringer. Kann man auf Frachtgepäck nicht verzichten, sollte man für ein paar Tage Kleidung und Hygieneartikel ins Handgepäck packen. Wer zu zweit reist, kann das Gepäck in den Koffern auch mischen und profitiert, falls nur ein Gepäckstück abhandenkommt. Wichtig ist, Koffer zu kennzeichnen, so Reiseexpertin Zeller: „Schwarze Koffer hat jeder. Markiere ich meinen mit einem farbigen Tuch, erkenne ich ihn leichter.“Auch ein Anhänger mit Heimat- und Zieladresse ist hilfreich.
• Was tun, wenn mein Gepäck verloren gegangen ist?
Sich sofort bei der Fluggesellschaft melden, rät Verbraucherschützerin
Zeller – entweder am Schalter oder telefonisch. „Dabei ist auch wichtig zu erfragen, inwieweit die Airline für ersatzweise gekaufte Kleidung und Hygieneartikel aufkommt.“Anschließend bleiben den Reisenden sieben Tage, um Ansprüche auf Entschädigung wegen Schäden zu erheben und 21 Tage, um Entschädigung für verlorenes Gepäck zu fordern.
• Welche Entschädigung steht mir zu, wenn mein Flug sich verspätet? Kommen Flugreisende mehr als drei Stunden später als geplant an, stehen ihnen nach EU-Recht 250 bis 600 Euro Entschädigung zu, erklärt Claudia Brosche, Expertin für Fluggastrechte bei Flightright. Sollte sich die Verspätung über die Nacht hinausziehen, haben Reisende Anspruch auf eine Unterkunft.
• Welche Ansprüche habe ich, wenn der Flug gestrichen wird?
Wird ein Flug weniger als 14 Tage vor Abflug annulliert, kann Passagieren gemäß EU-Recht ebenfalls eine Entschädigung zwischen 250 und 600 Euro zustehen. Daneben haben Reisende die Wahl, ob sie die Ticketkosten zurückerstattet bekommen wollen oder eine Ersatzbeförderung wünschen, sagt Flugrechtsexpertin
Brosche. „Entscheiden Sie sich für die Rückzahlung des Flugtickets, hat die Airline Ihnen das Geld bar oder per Überweisung zurückzuzahlen.“Nur wenn Passagiere schriftlich zustimmen, dürfe die Fluggesellschaft einen Gutschein als Ersatz für die Tickets ausstellen.
• Muss ich mich sofort melden, um meine Rechte gegenüber Airlines durchzusetzen?
„Unabhängig vom Ticketpreis können Ansprüche auf Entschädigung laut EU-Recht bis zu drei Jahre lang rückwirkend geltend gemacht werden“, so Expertin Brosche. Viele Fluggäste informieren sich erst später über ihre Rechte und werden dann tätig.
• Wie verhält es sich bei Pauschalreisen?
Wurde der Flug mit Hotel als Pauschalreise gebucht, sollte man bei allen Flug- oder Gepäckproblemen sofort den Reiseveranstalter informieren, erklärt Zeller: „Er muss im Akutfall für Ersatzflüge sorgen, den Gepäckverlust mitverantworten und bei späterer Anreise auch dem Hotel Bescheid geben.“Im Anschluss steht den Reisenden in vielen Fällen eine Minderung des Reisepreises zu, die sie anhand von
Belegen mit einem Forderungsschreiben geltend machen können.
• Welche Beweispflichten habe ich, um Ansprüche geltend zu machen? Die Dokumentation ist wichtig, sagt Reiserechtsexpertin Zeller: „Am besten hält man verspätete oder annullierte Flüge mit einem Handyfoto von der Anzeigetafel fest.“Auch ihre Bordkarten sollten Passagiere unbedingt behalten, um ihre Ansprüche zu rechtfertigen. Bei Gepäck unbedingt die Aufkleber mit der Trackingnummer behalten, bis alle Koffer da sind.“
• Inwieweit können Fluggast-Portale helfen?
Anbieter wie Flightright helfen, Rechte gegenüber Airlines durchzusetzen, erklärt Verbraucherschützerin Zeller. Der Service der Onlineportale ist zwar zunächst kostenlos, im Erfolgsfall werden aber bis zu 30 Prozent Provision einbehalten. „Möchte ich die Angelegenheit schnell vom Tisch haben, bietet sich das an. Man sollte aber genau abwägen, wie hoch die Provision ist“, rät Zeller. Handle es sich um einen klaren Fall wie einen annullierten Flug, könne es sich lohnen, im Alleingang Ansprüche geltend zu machen.