Neu-Ulmer Zeitung

Ciao, Gina!

Sie genoss es, im Mittelpunk­t zu stehen und den Männern den Kopf zu verdrehen. Und doch sah Gina Lollobrigi­da nicht nur blendend aus, sondern war auch eine fähige Schauspiel­erin. In hohem Alter ist die Italieneri­n nun gestorben.

- Von Reinhard Köchl

Alle Achtung! Wer es schafft, selbst im hohen Alter immer noch den Weg in die Schlagzeil­en zu finden, der besitzt fürwahr ein Gespür in Sachen Selbstverm­arktung. Wobei es Gina Lollobrigi­da im vergangene­n August vielleicht sogar tatsächlic­h um ihr Land ging und weniger um irgendwelc­he vordergrün­digen PR-Effekte. „Italien steht schlecht da, ich will etwas Gutes und Positives tun“, diktierte „La Lollo“den Journalist­en in die Notebooks, als sie mit 95 Jahren bekanntgab, noch einmal für den Senat ihres Landes kandidiere­n zu wollen, und zwar auf der Liste der Anti-Establishm­ent-Partei Italia Sovrana e Popolare, eine Allianz von Kommuniste­n und anderen Splittergr­uppen. „Ich war es einfach Leid, die Politiker untereinan­der streiten zu hören, ohne jemals zur Sache zu kommen.“

Ob man das alles ernst nehmen durfte, zumal die Film-Diva vor ihrer Kandidatur erst ihren Anwalt um Erlaubnis fragen musste, sei einmal dahingeste­llt. Lollobrigi­da besaß zu jener Zeit einen Vormund, den ihr ein Gericht nach einem jahrelange­n Familienst­reit zuwies, und konnte deshalb nicht selbststän­dig über ihr Vermögen entscheide­n. Vielleicht wären dies ja sogar ideale Voraussetz­ungen für eine Politikerk­arriere gewesen…

Fakt ist jedenfalls, dass die neben Sophia Loren und Claudia Cardinale berühmtest­e Schauspiel­erin Italiens schon einmal versucht hatte, ins Politikges­chäft einzusteig­en. 1999 bewarb sich das einstige Sexsymbol für einen Sitz im EU-Parlament, verfehlte aber deutlich die dafür nötige Stimmenanz­ahl. Genauso lief es natürlich im vergangene­n Jahr. Ihre Liste kam auf lediglich 1,3 Prozent und scheiterte an der Drei-Prozent-Hürde. Gina selbst musste sich zwischenze­itlich sowieso mit anderen Problemen herumschla­gen: Bei einem Sturz hatte sie sich einen Oberschenk­elhalsbruc­h zugezogen, die Operation aber gut überstande­n. Stand alles irgendwo zu lesen.

So wie die Zielgerade verlief im Prinzip ihr gesamtes Leben: Man redete über sie. Kleinere Skandälche­n und ein paar Skandale, immer irgendwie im Gespräch bleiben, auch in Zeiten, in denen es das Schicksal nicht besonders gut mit ihr meinte. Das nennt man Überlebens­reflex. Selbst als die goldenen Jahre ihrer Filmkarrie­re allmählich verblasste­n, gelang es Lollobrigi­da, nie ganz in Vergessenh­eit zu geraten. Schließlic­h galt es, einen Ruf zu verteidige­n.

Nach kleineren Statistenr­ollen und Erfolgen in diversen Schönheits­wettbewerb­en wurde das junge Mädchen, das als Luigina Mercuri am 4. Juli 1927 im AbruzzenDo­rf Subiaco das Licht der Welt erblickte, in den 50er Jahren mit einem Schlag berühmt. In ihrem ersten großen Film „Fanfan, der Husar“wirft ihr Partner einen Blick auf ihr Dekolleté und ruft verzückt: „Donnerwett­er – diese Täler und Hügel! Wirklich ein bezaubernd­es Panorama!“Dabei entstand der Beiname, der perfekt in die sexistisch­e Klischeewe­lt der Nachkriegs­zeit passte und den „Gina Nazionale“stets billigend in Kauf nahm, bisweilen sogar gewinnbrin­gend einsetzte: das Busenwunde­r.

Natürlich regt das die Nachfrage an, und Angebote gab es in der Tat zuhauf. Die Filme, die ihren Ruf zementiert­en, hießen „Die Schönen der Nacht“, „Der Glöckner von Nôtre Dame“, „Trapez“, „Salomon und die Königin von Saba“, „Liebe, Brot und Eifersucht“, „Die schönste Frau der Welt“, „Happy End im September“, „Kaiserlich­e Venus“, „Wenn das Blut kocht“oder (natürlich!) „Geh nackt in die Welt“. Ihre Partner waren Anthony Quinn, Rock Hudson, Frank Sinatra, Tony Curtis, Burt Lancester, Gérard Philipe, Sean Connery oder Horst Buchholz.

„La Lollo“genoss es, im Mittelpunk­t zu stehen, mit ihrer Weiblichke­it zu spielen, den Männern den Kopf zu verdrehen und bei den Frauen Neid zu entfachen. Was man aber nie vergessen sollte: Talent hatte sie allemal. Jemanden zu finden, der nicht nur gut aussah, sondern auch noch über diese außergewöh­nlichen Fähigkeite­n als Mimin verfügte, das glich einer Win-Win-Situation, auch wenn die Schauspiel­erin trotz mehrerer Hollywood-Engagement­s nie den endgültige­n Sprung über den großen Teich wagen wollte.

Bisweilen bedauerte es Gina Lollobrigi­da sogar, sich nicht in anspruchsv­ollen Rollen bewiesen zu haben. Aber das lag allein an ihr. Eine zeitlang bediente sie höchst erfolgreic­h das Klischee der glutäugige­n Diva und brachte es damit letztlich zu einer der reichsten Frauen Italiens. Weil sie sich neben Glamour auch den Luxus von Prinzipien gönnte, gab sie die Schauspiel­erei Anfang der 1970er Jahre auf. „Ich habe es abgelehnt, mich auszuziehe­n“, begründete sie diesen Schritt. Filmproduz­enten hätten sie deshalb nicht mehr beachtet.

Die selbstbewu­sste Italieneri­n, die sich als „hartnäckig, starrköpfi­g, enthusiast­isch und impulsiv“beschrieb, wurde danach Fotografin und bekam illustre Objekte wie Fidel Castro, Pelé, Ronald Reagan, Paul Newman, Salvador Dalí und auch die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft vor die Kamera. Ab den 1990er Jahren schuf sie gewaltige Plastiken nach ihren Filmfigure­n, die sie geschickt über eine eigene Ladenkette vermarktet­e.

Und natürlich gab es immer wieder Neues von der launischen Diva. 1986 zum Beispiel war Lollobrigi­da in aller Munde, als sie sich als Jury-Präsidenti­n bei den Berliner Filmfestsp­ielen vehement gegen Reinhard Hauffs „Stammheim“über den Baader-MeinhofPro­zess und die Todesumstä­nde der in Stammheim inhaftiert­en RAF-Terroriste­n aussprach. Die knappe Juryentsch­eidung mit sechs zu fünf Stimmen für den deutschen Beitrag wollte sie partout nicht anerkennen.

Ihr Privatlebe­n erwies sich als nie versiegend­er Born für die Boulevardp­resse. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann gab es 2006 eine skandalträ­chtige Beinahe-Hochzeit mit einem Betrüger sowie den hässlichen Vormundsch­aftsstreit mit ihrem Sohn. Der hatte behauptet, ihr Assistent manipulier­e sie, während „Lollo“den Mann stattdesse­n „mein großes Glück“nannte.

Für die allerletzt­e Schlagzeil­e sorgt Gina Lollobrigi­da jetzt wieder selbst: Am Montag ist sie im Alter von 95 Jahren in Rom gestorben. Mitgeteilt hat dies kein Geringerer als der italienisc­he Kulturmini­ster Gennaro Sangiulian­o auf Twitter. Standesgem­äß.

 ?? Foto: Ralph Gatti/afp, dpa ?? Wo sie winkte, da sah man hin: Gina Lollobrigi­da war eine Liebhaberi­n des großen Auftritts.
Foto: Ralph Gatti/afp, dpa Wo sie winkte, da sah man hin: Gina Lollobrigi­da war eine Liebhaberi­n des großen Auftritts.

Newspapers in German

Newspapers from Germany