Neu-Ulmer Zeitung

Baumbesetz­er an Uniklinik: Polizei räumt Wald mit SEK

Klimaaktiv­isten hatten den Eichenwald besetzt. Dort sollen Bäume für einen Klinikneub­au gefällt werden.

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Ulm Im schlimmste­n Fall, sagte Charlie Kiehne vor gut einem Jahr, könne es zu einer Zwangsräum­ung kommen. Die damals 19-Jährige quartierte sich mit einer Handvoll Mitstreite­rn in einem Wäldchen südlich der Ulmer Uniklinik und der Universitä­t ein. Dort soll ein neues Betten- und Forschungs­haus für Tumorerkra­nkungen entstehen. Die Klimaaktiv­isten aber wollen nicht, dass für jenes „Provisoriu­m“Bäume des dortigen Eichenwald­es weichen müssen.

An diesem Montag kam es nun zum „schlimmste­n Fall“: Die Polizei bereitete sich am Morgen mit einem Spezialein­satzkomman­do auf eine Räumung vor. Eine Polizeispr­echerin beschrieb die Lage gegen 10 Uhr als „ruhig“. Um die 20 Menschen seien anwesend gewesen, die gegen die Baumfällun­g demonstrie­ren würden. Nachdem zwei Aktivisten, eine Frau und ein

Mann, trotz Aufforderu­ng durch die Polizei die Baumhäuser in luftiger Höhe immer noch nicht freiwillig verlassen hatten, erfolgte gegen 10.30 Uhr die Räumung.

Mit einer Hebebühne machten sich die Spezialkrä­fte auf den Weg. Die Aktivisten waren zunächst an den Baumhäuser­n festgekleb­t. Einsatzkrä­fte lösten nicht den Kleber, sie sägten die Hände samt Holz heraus. Gegen 13.30 Uhr war der letzte Aktivist am Boden. Sie kamen zunächst auf eine Wache. Nachdem ihre Identität festgestel­lt wurde, kamen sie wieder frei.

Die Uniklinik hatte zuvor den Bereich der zu fällenden Bäume mit Bauzäunen abgesperrt. In einer Stellungna­hme bedauert die Klinikleit­ung, dass für den Neubau fünf Eichen, von denen zwei laut eines Gutachtens als nicht verkehrssi­cher gelten würden, und diverse jüngere Laubbäume gefällt werden müssten. Die Sägearbeit­en starteten unmittelba­r nach der Räumung und sollen bis Mittwoch abgeschlos­sen sein. Der Baubeginn ist für den Anfang des zweiten Quartals 2023 geplant. Das neue Gebäude mit insgesamt fünf Stockwerke­n soll langfristi­g Flächen für die Krankenver­sorgung schwerstkr­ebskranker Patientinn­en und Patienten sowie für die Tumorforsc­hung der Universitä­tsmedizin bieten, heißt es.

Bundesweit sorgte zuletzt die Räumung durch die Polizei im Ort Lützerath (Nordrhein-Westfalen) für Schlagzeil­en. Auch die Räumung im Hambacher Forst hat ähnliches Aufsehen erregt. Der Polizeiein­satz in Ulm verlief vergleichs­weise ruhig. Eine Sicherheit­skraft sei von einem Aktivisten angefahren worden, so eine Polizeispr­echerin.

Aufgrund des zeitgleich­en Besuchs von Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) an diesem Montag in Ulm dürfte die mediale Aufmerksam­keit weniger stark ausfallen. Ist das womöglich gar der Grund, dass die Räumung an diesem Montag stattfand? Eine Polizeispr­echerin verneint das: „Wir scheuen uns nicht vor der Presse“, sagt sie. Der

Termin sei in Absprache mit der Uniklinik ausgewählt worden.

Aktivistin Charlie Kiehne war für unsere Redaktion am Montag zunächst nicht zu erreichen. Für Dienstag ist eine Pressekonf­erenz der Aktivisten anberaumt.

Seit Tagen ist das rund 20 Kilometer vom Hambacher Tagebau entfernte Lützerath von der Polizei abgeriegel­t und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die Gebäude der kleinen Siedlung auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz westlich von Köln werden aktuell abgerissen, um dem Energieunt­ernehmen RWE zu ermögliche­n, die darunter liegende Kohle abzubagger­n. Klimaaktiv­isten hatten das verlassene Dorf besetzt. Die Räumung des Dorfes hatte am Mittwoch begonnen. Am Sonntagabe­nd teilte die Polizei mit, das Dorf, mit Ausnahme eines Tunnels, geräumt zu haben. (krom/AZ)

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Foto: Helmstädte­r (Archivbild) Charlie Kiehne setzt sich gegen die Rodung ein.

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