Ein Feuerwerk aus Musik und Bewegung
In „Free Vivaldi“verbindet sich Klassik mit Streetdance. Am Ende gab es dafür Standing Ovations im ausverkauften Wolfgang-Eychmüller-Haus in Vöhringen.
Vöhringen Hätte Antonio Vivaldi erleben können, wie seine „Vier Jahreszeiten“, das brillante Barockwerk und bekannteste seiner Violinkonzerte, im Vöhringer Wolfgang-Eychmüller-Haus mit Jubel überschüttet wurde, es hätte ihn womöglich sehr überrascht. Schließlich teilte der Venezianer das Schicksal anderer Komponisten, die erst posthum zu Ehren kamen. Es ist schon lange kein Sakrileg mehr, klassische Musik mit modernen Stilementen zu verknüpfen. Mutige Arrangeure haben der Klassik den Nimbus des Unberührbaren genommen. In Vöhringen kommt die Verschmelzung von Streetdance und barockem Violinkonzert bestens an.
Was die MAK Company mit der Geigerin Luciana Himmel mit „Free Vivaldi“auf die Bühne bringt, könnte Beispiel sein, Klassik jugendlichen Zuhörern näherzubringen. Das ist ein Aspekt. Oder hatte Manuel Druminski, der Begründer des Streetdance-Projekts, anderes im Sinn? Wollte er das grandiose Werk in einen Kontext mit modernen Musik- und Tanzstilen bringen, die gerade en vogue sind? Neu ist das nicht. Jacques Loussier hat es mit Play Bach schon vor wenigen Jahrzehnten vorgemacht. Aber was immer die Intention Druminskis war, er hat es geschafft, junge Menschen mit der nuancenreichen Instrumentierung des Werkes vertraut zu machen. Am Ende der Performance herrschte Begeisterung pur, vor allem bei den erstaunlich zahlreichen jungen Theaterbesuchern.
Der Solistin Luciana Himmel kommt der Geigenpart zu. Der lag zunächst in Händen von Manuel Druminski, der sich als Geigenvirtuose einen Namen gemacht hat. Er hat das Projekt Free Vivaldi kreiert. Aber in letzter Minute wurde eine Umbesetzung nötig. Himmel ist in zahlreichen Orchestern und in anderen Projekten präsent, verfügt als Geigerin über Erfahrungen mit dem Instrument, das zu erlernen nicht zu den leichtesten zählt. Der zarte Klang der Geige geht in Vöhringen anfangs allerdings durch eine übersteuerte Tontechnik verloren. Die Solistin spielt mit fast ekstatischem Elan, sie spielt nicht, sie „bearbeitet“ihr Instrument. Das merken vor allem die Zuhörer in den ersten Reihen. Aber die Regie fährt dann feinfühlig die Tonstärke hinunter. Dann kann Luciana Himmel ihre Kunst entfalten und die Geige zum Blühen bringen. Das Orchster füllt mit voller Kraft den Saal, wohl einer der Gründe, warum Himmel mit Verstärker spielt.
Aber nicht nur die Geigerin kann mit technischer Brillanz glänzen. Faszinierend und immer wieder mit Zwischenapplaus bedacht, sind die Tanzszenen der kleinen, aber feinen Company. Sie bewegen sich absolut synchron und traumsicher, die Bewegungen wie abgezirkelt und stets im Einklang mit dem Beat. Die Choreografie von Maryam Anita Khosravi vermittelt Exaktheit in den Bewegungen, manchmal ruckartig wie Marionetten, zum Teil Impressionen, wie man sie aus großen Tanzaufführungen kennt. Beeindruckend ein Pas de deux, der mit seinen Hebefiguren, Ausfallschritten und Pirouetten Anleihen aus dem klassischen Ballett erkennen lässt. Spontaner Applaus ist jedem Tänzer sicher, wenn er eine Sondereinlage bietet, wenn er auf dem Kopf punktgenau Pirouetten dreht oder Artistik in den Tanz einfließen lässt.
Die Show sprüht vor Lebensfreude, ist angefüllt mit Symbolik für Toleranz, zwischenmenschliche Begegnungen, für Freundschaft und Lebensfreude. Ein Abend, der sich wie ein Crescendo anfühlt, zunächst fokussiert nur auf sparsame Bewegung bis zum quirligen Finale. Minutenlanger Beifall zum Schluss. Ein Besucher erklärte: „Das war bisher das Beste der Saison.“Zustimmung dürfte ihm sicher sein.