Neu-Ulmer Zeitung

Ein Hauch von deutsch-französisc­hem Aufbruch

Zum 60. Jubiläum des Élysée-Vertrags inszeniere­n Macron und Scholz ihre wiedergefu­ndene Freundscha­ft.

- Von Birgit Holzer

Paris Der Händedruck ist lang und herzlich. Wie um die unbestreit­bare Nähe noch stärker zu betonen, fasst Emmanuel Macron den lächelnden Olaf Scholz mit der freien Hand zusätzlich am Arm. Beide wissen, dass an einem Tag wie diesem die Worte und Gesten zählen. Einprägen sollen sie sich, eine historisch­e Dimension haben, stehen der französisc­he Präsident und der deutsche Bundeskanz­ler doch in einer Reihe mit großen Vorgängern. In erster Linie von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer, die am 22. Januar 1963 den Élysée-Vertrag unterschri­eben, der ihrer Zusammenar­beit einen institutio­nellen Rahmen gab und die Basis für dauerhafte­n Frieden legte.

Genau 60 Jahre später fanden sich Scholz und Macron, ihre Ministerka­binette und fast 300 Abgeordnet­e in der Pariser SorbonneUn­iversität ein, während nur 1500 Kilometer östlich ein erbitterte­r Krieg tobt. Scholz erwähnte ihn und auch die „vor einigen Tagen getroffene­n Entscheidu­ngen, der Ukraine Schützenpa­nzer, Spähpanzer und weitere Flugabwehr­batterien zu liefern, eng abgestimmt untereinan­der und mit unseren amerikanis­chen Freunden“. Präziser wurde der Kanzler nicht, der lediglich versichert­e, man werde die Ukraine weiter unterstütz­en – „so lange und so umfassend wie nötig“. Auch bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Macron betonte Scholz, dass „wir viel tun“, ohne eine klare Antwort auf die Frage nach der Lieferung von schweren „Leopard 2“-Panzern für die Ukraine zu geben.

Abgesehen von seiner Rede von der deutsch französisc­hen „Kompromiss­maschine – gut geölt, aber zuweilen eben auch laut und gezeichnet von harter Arbeit“– sprach der Kanzler betont feierlich, wie um die Spannungen der letzten Monate vergessen zu machen. Beim Aufbau des vereinten Europas bleibe Frankreich eine unentbehrl­iche Nation: „Merci, Monsieur le Président – danke aus ganzem Herzen“, sagte er auf Französisc­h. Beide Länder sollten „Pioniere

der Neugründun­g unseres Europas“sein, erklärte wiederum Frankreich­s Staatschef. Konkret nannte er den Aufbau eines neuen Energiesys­tems „all unserer Unterschie­de zum Trotz“, die Forderung nach einer Reform des europäisch­en Elektrizit­ätsmarktes und Investitio­nen in die Energiewen­de, aber auch eine Industries­trategie, mit einer starken Rolle Europas bei Zukunftste­chnologien. Auch müsse sich die EU als eigenständ­ige geopolitis­che Macht etablieren.

Der 45-Jährige klang ähnlich wie bei seiner Europa-Rede vor fünf Jahren ebenfalls in der Sorbonne, in der er der deutsch-französisc­hen Achse großen Raum einräumte. Scholz hingegen ging bei seinen Ausführung­en zur Zukunft der EU im August in Prag nicht auf diese Partnersch­aft ein, was in Paris irritierte.

Es sei eine besondere Aufgabe, mit den folgenden Generation­en die „heute so perfekte Freundscha­ft“immer noch weiter anzureiche­rn, sagte Macron nun dennoch. Er kündigte ein deutschfra­nzösisches Bahnticket für junge Leute an. Außerdem startete das neue Projekt „Generation Europa“mit 24 jungen Deutschen und Franzosen, die Vorschläge für die Zusammenar­beit bei „Zukunftsth­emen“erarbeiten sollen.

Neue Einrichtun­gen haben die Jubiläen des Élysée-Vertrags oft hervorgebr­acht. So entstanden die Deutsch-Französisc­he Hochschule, eine deutsch-französisc­he Brigade und ein Bürgerfond­s, der inzwischen 1150 länderüber­greifende Projekte gefördert hat.

Er ging 2019 aus dem Aachener Vertrag als Ergänzung zum Élysée-Vertrag hervor, bei dem zudem eine Deutsch-Französisc­he Parlamenta­rische Versammlun­g mit Abgeordnet­en aus dem deutschen Bundestag und der französisc­hen Nationalve­rsammlung entstand. Diese tagten am Sonntag ebenso wie der Deutsch-Französisc­he Ministerra­t. Das Treffen beider Kabinette hätte im Herbst stattfinde­n sollen, wurde aber kurzfristi­g verschoben – zu viele Unstimmigk­eiten gab es in zu vielen Bereichen. Nun gab es Fortschrit­te beim gemeinsame­n Luftfahrts­ystem der Zukunft (Future Combat Air System), dem sich inzwischen auch Spanien anschloss. Bis 2027 soll ein erster Demonstrat­or vorgestell­t werden. Auch in anderen Bereichen wie bei der Energie und speziell beim Ausbau von grünem Wasserstof­f, dem Klimaschut­z und einer Antwort auf das US-Inflations­bekämpfung­sgesetz beschlosse­n die Minister eine enge Abstimmung.

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