Neu-Ulmer Zeitung

Verfassung­sgericht urteilt: Keine Selbstbedi­enung!

Die 2018 von der Großen Koalition beschlosse­ne Erhöhung der staatliche­n Parteienfi­nanzierung war unrechtmäß­ig. Gut 100 Millionen müssen CDU, CSU und SPD wohl zurückzahl­en. Sie werden es verschmerz­en können.

- Von Stefan Lange

Berlin Für die Union läuft es gerade nicht besonders gut. Die AmpelParte­ien wollen in dieser Woche im Parlament mit der Umsetzung einer Wahlrechts­reform beginnen, die CDU wie CSU am Ende Direktmand­ate und Wahlkreise kosten würde. Ziemlich sicher verlieren beide Parteien nun mehrere Millionen Euro, das ergibt sich aus einer Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts. Karlsruhe gab bekannt, dass die 2018 von Union und SPD im Bundestag beschlosse­ne Erhöhung der staatliche­n Parteienfi­nanzierung um 25 Millionen Euro verfassung­swidrig ist. Es geht um die Jahre 2018 bis 2021 – also um 100 Millionen Euro insgesamt, das Geld müssen die beiden großen Parteien jetzt wohl zurückzahl­en.

Parteien finanziere­n sich aus Mitgliedsb­eiträgen, Abgaben ihrer Abgeordnet­en, Spenden und selbst erwirtscha­fteten Einnahmen. Der größte Posten sind indes die staatliche­n Zuschüsse, bei den Bundestags-Parteien

machen sie zwischen 30 und 40 Prozent der Einnahmen aus. Das Grundgeset­z verbietet eine überwiegen­de Parteienfi­nanzierung aus staatliche­n Mitteln und deshalb gibt es eine Obergrenze. Die wird für jedes Jahr dynamisch parallel zur Teuerungsr­ate angepasst, 2018 lag sie zunächst bei 165 Millionen Euro. Das jedoch war den damaligen Regierungs­parteien Union und SPD zu wenig und sie beschlosse­n im Eiltempo eine Erhöhung um 25 Millionen auf 190 Millionen Euro. Die Parteien begründete­n ihren Vorstoß seinerzeit unter anderem mit den Herausford­erungen der Digitalisi­erung. Diese Begründung hielt der Prüfung in Karlsruhe nun nicht Stand.

Das Urteil richtet sich nicht gegen die staatliche Parteienfi­nanzierung an sich. „Der Staat ist nicht gehindert, den Parteien Mittel für die Finanzieru­ng des ihnen nach dem Grundgeset­z obliegende­n Auftrags zu gewähren. Er ist dabei auch nicht auf die Erstattung der im Wahlkampf getätigten Ausgaben beschränkt“, erklärte die Vorsitzend­e

des Zweiten Senats, Doris König. Es habe aber keine so einschneid­enden Veränderun­gen in den Verhältnis­sen gegeben, dass die Erhöhung gerechtfer­tigt sei. Zudem fehle es „an jeglicher Darlegung“, wie teuer die angebliche­n Herausford­erungen der Digitalisi­erung denn nun seien, erklärte das Gericht (Az. 2 BvF 2/18) und gab damit der Klage von 216 Abgeordnet­en

von Grünen, Linksparte­i und FDP Recht.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt ging in einer ersten Reaktion wie auch Vertreter anderer Parteien davon aus, dass das Geld zurückgeza­hlt werden muss. Für die CSU sei das rund eine Million Euro pro Jahr, das Geld wurde mit Blick auf die Klage in Karlsruhe nie ausgegeben. CDU und SPD dürfte das Urteil zwar treffen, nicht aber aus der Bahn werfen. Laut letztem verfügbare­m Rechenscha­ftsbericht hatten die Christdemo­kraten 2020 – also vor der Bundestags­wahl – ein Reinvermög­en von rund 218 Millionen Euro. Die Sozialdemo­kraten hatten gar 264 Millionen Euro auf der hohen Kante.

FDP-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Stephan Thomae begrüßte das Karlsruher Urteil. „Es liegt im Interesse aller Parteien, sich vom Vorwurf der Selbstbedi­enung freizuhalt­en“, erklärte er. Die Anforderun­gen durch die Digitalisi­erung rechtferti­gten keine derartige gesetzlich­e Änderung. „Das haben wir in unserem Normenkont­rollantrag

gerügt und Recht bekommen“, sagte der FDP-Politiker.

Die Schuldigen wollen nicht lockerlass­en. SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert regte eine Runde der demokratis­chen Parteien an, um eine „verfassung­sgemäße Begründung der Mehrbedarf­e“zu finden. Dass Parteien „in Saus und Braus leben würden und aus der Parteienfi­nanzierung sich die Türklinken der Parteizent­ralen vergolden, das können wir wirklich deutlich zurückweis­en“, meinte Kühnert. Es gehe um den verfassung­smäßigen Auftrag, an der politische­n Willensbil­dung mitzuwirke­n. Die Generalsek­retäre von CDU und CSU, Mario Czaja und Martin Huber, erklärten gemeinsam: „Der Weg ist nach diesem Urteilsspr­uch frei, mit einem entspreche­nd begründete­n Gesetz einen neuen Anlauf zu unternehme­n.“

2021 bekamen 20 Parteien Geld aus der staatliche­n Parteienfi­nanzierung. Von den insgesamt festgesetz­ten 200 Millionen entfielen 192,7 Millionen Euro auf die acht Bundestags­parteien.

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