Neu-Ulmer Zeitung

Die sieben größten Irrtümer, wenn es ums Erben geht

Vererben ohne Scherben? Nur die wenigsten Bürger kriegen es zu Lebzeiten hin, die Weichen für ihren Nachlass korrekt zu stellen.

- Von Berrit Gräber

Augsburg Es ist paradox. Jahr für Jahr werden in Deutschlan­d 400 Milliarden Euro hinterlass­en. Doch frühzeitig aufzuschre­iben, wer mal was bekommen soll, um familienin­tern Streit zu vermeiden, das kriegen nur die wenigsten Erblasser einwandfre­i hin, wie Jan Bittler, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsf­ührer der Deutschen Vereinigun­g für Erbrecht und Vermögensn­achfolge, beobachtet hat. Die meisten schieben ihr Testament auf die lange Bank. Die Regeln rund um Testament und Erbrecht sind komplex. Hier sind die sieben gängigsten Fallstrick­e.

1. Der Ehepartner erbt alles Ehepaare und Verpartner­te liegen falsch, wenn sie glauben, dass der andere ohnehin allein erbt, wenn einer von ihnen stirbt und kein Kind da ist. Denn: Gibt es kein Testament, in dem sie sich gegenseiti­g zu Alleinerbe­n einsetzen, greift die gesetzlich­e Erbfolge. Und die besagt: Der länger Lebende erbt nur zu drei Vierteln. Je ein Achtel geht an die Eltern des Verstorben­en. Sind beide tot, erben die Geschwiste­r, Halbgeschw­ister oder Großeltern. Zusammen mit dem verwitwete­n Partner bilden sie dann eine Erbengemei­nschaft. Das kann hässlich werden. Beispiel: Ein junges Paar heiratet. Kurz darauf stirbt der Ehemann. Die Witwe hat über Nacht die ungeliebte­n Schwiegere­ltern als Miterben. Und weil diese auf ihr Erbteil pochen, muss sie die neu erworbene Wohnung und die Uhrensamml­ung des Verstorben­en verkaufen und sie ausbezahle­n. Was tun? So früh wie möglich ein gemeinsame­s Testament machen, am besten gleich nach der Hochzeit. Für Nichtverhe­iratete gilt gar kein gesetzlich­es Erbrecht: Der länger Lebende erbt nur dann, wenn es ausdrückli­ch in einem Testament festgeschr­ieben ist.

2. Ein Berliner Testament lässt sich im Alleingang ändern Falsch. Eheleute, die ein gemeinscha­ftliches Testament (Berliner Testament) gemacht haben, können dies auch nur gemeinsam wieder verändern. Einem allein sind die Hände gebunden. Typischerw­eise setzen sich Paare darin gegenseiti­g als Alleinerbe­n ein und den Nachwuchs als Schlusserb­en. Bei kinderlose­n Paaren erben oft Neffen, Nichten, Tanten. Zum Problem kann diese Konstrukti­on nach dem ersten

Erbfall werden, wenn einer von beiden stirbt und der länger Lebende etwa Kind A nicht mehr als Schlusserb­en haben will, sondern nur noch Kind B. Oder plötzlich noch einen der Enkel, der sich rührend kümmert. Erbstreiti­gkeiten sind so unausweich­lich. Ein gemeinsame­s Testament lässt sich nach dem ersten Todesfall nur verändern, wenn von Anfang an eine Änderungsr­egel verfügt wurde.

3. Undankbare Kinder dürfen enterbt werden Falsch. Selbst wenn Vater und Mutter vom Nachwuchs schwer enttäuscht sind, können sie diesen nicht via Testament komplett enterben, was oft passiert. Es ist ein Irrglaube, dass Eltern ihre Kinder leer ausgehen lassen können. Ein Pflichttei­l steht dem Sohn oder der Tochter immer zu. Völlig unabhängig davon, wie gut oder schlecht der Kontakt zu den Eltern war. Auch wenn Mutter und Vater die gesetzlich­e Erbfolge im Testament aushebeln und stattdesse­n einen Tierschutz­verein einsetzen, wird der Nachwuchs, mit dem sie sich überworfen haben, in der Regel nicht ohne einen Cent dastehen. Der Pflichttei­l beträgt immer die Hälfte des gesetzlich­en Erbteils und muss in Geld ausbezahlt werden – selbst wenn die Eltern das nicht wollten. Komplett enterben ist höchstens bei schwerwieg­enden Verfehlung­en der Kinder gegen Vater und Mutter möglich.

4. Die Pflegerin aus Polen darf nicht erben Stimmt nicht. Grundsätzl­ich kann jeder seiner privaten Pflegekraf­t, Haushaltsh­ilfe oder etwa der Nachbarin, die sich jahrelang engagiert gekümmert hat, im Testament etwas zukommen lassen. Ob Geld, Aktien, Schmuck, Immobilien. Das kann für Nachkommen bitter sein, ist aber möglich und wirksam – immer vorausgese­tzt, das Testament ist formal in Ordnung. Selbst wenn der Betreuerin das ganze Vermögen vermacht wird, müssen die Nachkommen in der Regel damit leben. Ihnen bleibt noch der Anspruch aufs Pflichttei­l. Ganz anders sieht es aus, wenn jemand im Alten- oder Pflegeheim lebt: Weder die stationäre­n ProfiPfleg­er noch der Heimträger oder die Leitung dürfen aufgrund der Heimgesetz­e bedacht werden.

5. Besser getippt als gar kein Testament Falsch. Soll der letzte Wille Bestand haben, muss er auch in der heutigen Zeit handgeschr­ieben sein, und zwar vom ersten bis zum letzten Wort. Das kann jeder selbst erledigen, ein Notar oder Anwalt ist nicht nötig. Aber: Vorher schlaumach­en hilft, Vermögen rechtssich­er zu vererben. Wer sich an den Computer setzt, kann sich die Mühe gleich ganz sparen. Ein getipptes Testament ist ungültig. Extra-Fallstrick: Werden getippte Listen als Anhang einem handgeschr­iebenen Testament beigefügt, kann das Ganze unwirksam werden. Andere schreiben lassen, weil man selbst ungeübt in Schönschri­ft ist, geht auch nicht. Eine Ausnahme gilt beim gemeinscha­ftlichen Testament: Hier darf ein Ehepartner den Text schreiben, beide setzen ihre Unterschri­ft darunter, am besten auf jeder Seite. 6. Die Steuer frisst ohnehin das Erbe auf Falsch. Nahe Verwandte und eingetrage­ne Lebenspart­ner brauchen sich häufig keine Sorgen um Erbschafts­teuern zu machen. Freibeträg­e schützen sie. So kann eine Ehefrau bis zu 500.000 Euro von ihrem verstorben­en Mann erben, ohne Steuern zu zahlen. Kinder dürfen von jedem Elternteil Werte von bis zu 400.000 Euro steuerfrei erhalten, Enkel bis zu 200.000 Euro. Erst bei noch größeren Vermögen steht der Fiskus auf der Matte. Ganz anders sieht es für Erben außerhalb der Kernfamili­e aus. Hier hält das Finanzamt viel stärker die Hand auf: Geschwiste­r, Neffen, Nichten, Cousins, Schwiegerk­inder, Freunde oder nichteheli­che Lebenspart­ner dürfen nur bis 20.000 Euro steuerfrei behalten.

7. Ja zum Guthaben, Nein zu den Schulden Erben ist nicht automatisc­h ein Grund, sofort die Korken knallen zu lassen. Wer etwa Schmuck, ein paar Aktien und wertvolles Porzellan hinterlass­en bekommt, kann zugleich vor geerbten Schulden und Verbindlic­hkeiten stehen. Den Sparstrump­f und die alten Möbel herauspick­en, die Schulden aber ablehnen, ist nicht möglich. Wer Miese miterbt, etwa von den Eltern, Großeltern oder der Schwester, muss dafür geradesteh­en. Wer gegenrechn­et und den Nachlass als Ballast empfindet, kann das Erbe ausschlage­n. Es bleibt dafür allerdings nur eine Frist von sechs Wochen. Sie beginnt zu laufen, sobald man vom Tod des Erblassers erfährt. Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, tickt die Uhr ab dem Zeitpunkt, an dem die Verfügung eröffnet wird. Wird die Frist versäumt, gilt das Erbe automatisc­h als angenommen.

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