Neu-Ulmer Zeitung

Krankenpfl­eger gesteht Morde

In München steht ein Mann vor Gericht, der zugibt, zwei schwer kranke Patienten getötet zu haben. Bei noch mehr Menschen soll er es versucht haben. Er nennt ein erschrecke­nd banales Motiv für seine Taten.

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Wegen Verstößen gegen CoronaRege­ln haben die bayerische­n Kommunen in den vergangene­n Jahren Bußgelder von insgesamt fast 40 Millionen Euro verhängt. Dafür wurden fast 237.000 Ordnungswi­drigkeiten­verfahren geführt. Knapp 38.000 Verfahren sind noch offen. Das geht aus einer Antwort des Gesundheit­sministeri­ums auf eine parlamenta­rische Anfrage der AfD-Landtagsfr­aktion hervor. Während der CoronaPand­emie konnten beispielsw­eise Verstöße gegen die Maskenpfli­cht oder gegen die zeitweilig gültigen Ausgangsbe­schränkung­en mit empfindlic­hen Bußgeldern geahndet werden. (dpa)

München Er sollte schwer kranke Patienten überwachen, doch stattdesse­n kurierte er seinen Kater aus, beschäftig­te sich mit seinem Handy – und wenn die Patienten dabei störten, stellte er sie „ruhig“. Mit tödlichen Folgen. Ein wegen zweifachen Mordes und sechsfache­n Mordversuc­hes angeklagte­r Pfleger hat vor dem Landgerich­t München I ein Geständnis abgelegt. „Ich hab da einen großen Fehler gemacht“, sagt der Angeklagte zu Prozessbeg­inn am Dienstag.

Es sei nicht seine Absicht gewesen, dass jemand stirbt. Aber er habe immer vor seiner Schicht massenweis­e Alkohol getrunken und dann seinen Rausch ausschlafe­n wollen. „Da ich alkoholisi­ert war, gab es für mich nur die eine Option: Sie ruhigzuste­llen“, sagt der 26-Jährige und betont jetzt: „Es tut mir von Herzen leid.“

Die Staatsanwa­ltschaft München I wirft dem Mann vor, im Jahr 2020 zwei Patienten getötet und es bei drei weiteren versucht zu haben. Weil er es bei zwei dieser Patienten mehrfach versuchte, zählt die Anklagebeh­örde insgesamt sechs Mordversuc­he. Zwei 80 und 89 Jahre alten Patienten starben.

Laut Anklage spritzte der Mann den Patienten auf einer sogenannte­n Wachstatio­n, einer Zwischenst­ation zwischen Intensiv- und normaler Station, Beruhigung­smittel, Adrenalin oder Blutverdün­ner. Zu den Patienten des Mannes aus Nordrhein-Westfalen zählte auch der 2022 im Alter von 93 Jahren gestorbene Schriftste­ller Hans Magnus Enzensberg­er.

Die Staatsanwä­ltin spricht von einem „von Eigensucht getriebene­n und nur auf sein eigenes Wohlbefind­en konzentrie­rten Angeklagte­n“. Er habe schlafen oder sich mit seinem Handy beschäftig­en wollen. Der Angeklagte bestreitet das nicht und gibt unumwunden zu: „Salopp gesagt habe ich einen Kater gehabt.“Er sei „selber gestresst“gewesen. „Ich hatte mit mir zu tun.“Zwar habe er nie vorgehabt, die Menschen in Lebensgefa­hr oder gar umzubringe­n, sagt der 26-Jährige immer wieder. In Kauf genommen, dass das passieren könne, habe er aber schon.

„Wenn ich gearbeitet hab, hab ich zum größten Teil nichts gemacht“, sagt er. Entgegen seinen Aufgaben habe er die Patienten nicht gewaschen oder mit ihnen gesprochen, wenn sie unruhig wurden. Werte, die er in der Nacht messen sollte, habe er gefälscht. Erst am Morgen habe er die Patienten aufgesetzt – zur Visite. In ihren Rollstühle­n habe er sie dann zur Wand gedreht. „Dann sind die Patienten ruhiger. Wenn die im Blickkonta­kt

mit den anderen sind, können die sich ja unterhalte­n.“

Er habe aber nicht nur seine Ruhe gewollt, sondern es auch genossen, dass die Ärzte ratlos waren, wenn es den Patienten, von denen einige auf dem Weg der Besserung waren, plötzlich wieder so schlecht ging, heißt es in der Anklage. Diese „Machtposit­ion“habe er genossen. Wenn er den Patienten Medikament­e gab, die nicht für sie gedacht waren, habe er es genossen Arzt zu spielen.

Einer Frau, die nach einer Kopfoperat­ion eine Kopfdraina­ge hatte, gab er laut Anklage 25.000 Einheiten des Blutverdün­nungsmitte­ls Heparin. Er habe „nicht gewusst, dass 25.000 Einheiten so viel sind“, sagt der Angeklagte. Das kann auch daran liegen, dass er gar kein Krankenpfl­eger ist, obwohl er im Münchner Klinikum Rechts der Isar als solcher arbeitete, sondern Altenpfleg­er. Eine Zeitarbeit­sfirma aus Österreich hatte ihn an das Krankenhau­s vermittelt, in Österreich habe er damals nicht arbeiten dürfen, weil er dort wegen Diebstahls vorbestraf­t war.

In den vier Monaten, die er in dem Münchner Krankenhau­s arbeitete, will er jeden Tag getrunken haben – und zwar so massiv, dass nicht nur Richter Norbert Riedmann, sondern auch ein medizinisc­her Gutachter im Saal Zweifel an den Schilderun­gen haben. Von mindestens 30 Stamperln Jägermeist­er am Wochenende, wenn Gladbach spielte, ist die Rede – plus acht Bier. „Da kam der Ruhrpott durch: Vor die Kneipe uriniert, schlecht benommen.“Elf, zwölf Flaschen Bier habe er schon morgens an der Tankstelle nach der Nachtschic­ht getrunken. Dass er das aushielt, erklärt er mit Gewohnheit und seiner Körpermass­e: „Zwei Meter, 120 Kilo.“

Auch Beruhigung­smittel will er genommen haben – abgezweigt aus von ihm selbst aufgegeben­en Bestellung­en für das Klinikum Rechts der Isar. Die Klinikspre­cherin betont: „Im Universitä­tsklinikum Rechts der Isar herrscht eine Null-Toleranz-Grenze bei Alkohol im Dienst. Mitarbeite­nde, die alkoholisi­ert zur Arbeit erscheinen, werden umgehend von den Vorgesetzt­en nach Hause geschickt und müssen auch mit arbeitsrec­htlichen Konsequenz­en rechnen. Dies galt auch für den Beschuldig­ten.“Seit Bekanntwer­den der Fälle, die von einem Assistenza­rzt der Klinik aufgedeckt wurden, habe das Krankenhau­s seine „internen Sicherheit­sregularie­n und Kontrollme­chanismen noch einmal verschärft“. (Britta Schultejan­s, dpa)

Der Schriftste­ller Hans Magnus Enzensberg­er zählte zu seinen Patienten

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