Stellenangebot: James Bond
Vor 60 Jahren kam Agent 007 das erste Mal in die deutschen Kinos und die Weltkarriere von Sean Connery begann. Nun steigt sein fünfter Nachfolger Daniel Craig aus der Reihe aus. Wie geht es danach weiter?
Phantomschmerz. Echt, wars das jetzt? Kein James Bond mehr? Der Unkaputtbare, der lizensiert zwar zu töten, aber selbst niemals sterben durfte, bisher jedes noch so abstruse Himmelfahrtskommando scheinbar ohne erkennbaren Schaden überstanden hatte, einfach weggeblasen? Der Moment, als Daniel Craig in „Keine Zeit zu sterben“auf dieser kleinen Insel stand, gramgebeugt gen Himmel blickte und seiner großen Liebe Madeleine Swann per Walkie-Talkie nur „Ich weiß, ich weiß“als „famous last words“zuflüsterte, traf wirklich ins Mark. Dann schlugen sie ein, die Raketen, wie bei einem Silvesterfeuerwerk, und löschten eine Ära aus. Madeleine weinte, auch „Q“, der Quartiermeister, und sogar dem gestrengen „M“wollte man ein Taschentuch reichen, Moneypenny sowieso. Und alle in den Kinos verdrückten verstohlen mindestens eine Träne.
Mit James Bond sind wir alle groß geworden. Mit seinen hanebüchenen Stunts, aus denen ein normaler Mensch nie heil herauskommen würde, dem Dauerkonsum von Martini – geschüttelt, nicht gerührt –, der anderen längst einen Stammplatz in Entzugskliniken verschafft hätte, und der schier unerschöpflichen Manneskraft sowie seinem zügellosen Verbrauch an Gespielinnen. Natürlich musste 007 auch Schmerz aushalten, körperlichen sowieso, etwa bei diversen Folterszenen. In der langen Bond-Historie gibt es aber auch genügend seelische Pein, die der Wunderknabe durch den Tod einer ganzen Reihe von Frauen erleiden musste, an denen ihm scheinbar doch etwas lag, wie etwa Ehegattin Tracy Bond, 1969 verkörpert von Diana Rigg. Die nahm man George Lazenby bei seinem einzigen Auftritt „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“einfach wieder weg, weil der gute George keinem Vergleich mit seinem populären Vorgänger Sean Connery standhalten konnte.
Aber genauso wenig, wie sich jemand beim Antrittsbesuch dieses britischen Geheimagenten in den deutschen Kinos vor genau 60 Jahren vorstellen konnte, dass daraus ein Stück Filmgeschichte, ja eine Saga erwachsen würde, will es den Fans jetzt in den Kopf, dass James Bond das letzte Stündlein geschlagen haben soll. Geht es nach dem Einspielergebnis, ist der 54-jährige Craig der erfolgreichste Bond-Darsteller
aller Zeiten. Seine fünf Filme von 2006 bis 2021 erlösten mehrere Milliarden Dollar, im Durchschnitt waren es pro Streifen satte 937 Millionen. Von solchen Zahlen durften die Macher von „Dr. No“beim offiziellen Deutschland-Start am 25. Januar 1963 nur träumen. Denn erst einmal galt es, den damals kaum bekannten Sean Connery zu etablieren. Aber das hatte schon was, wie dieser Prototyp des Rasierwasser-Machos dastand und, lässig die Zigarette im Mundwinkel, die inzwischen legendäre Begrüßungsformel „Mein Name ist Bond. James Bond“hervorquetschte, ehe dann die ikonische Titelmelodie einsetzte.
Seither hat sich die 007-Formel zum veritablen Goldesel entwickelt. Der Held wechselte insgesamt fünf Mal Gesicht und Charakter, vom raubeinigen Connery (sechs Einsätze von 1962 bis 1967, dann 1971 und ein „inoffizieller“1983 in „Sag niemals nie“) zu der Eintagsfliege Lazenby (1969), dem distinguiert-zynischen Roger Moore (Rekordhalter mit sieben Filmen zwischen 1973 und 1985), dem blassen Timothy Dalton (zwei Mal Bond von 1987 bis 1989), dem fulminanten, aber stets unterschätzten Pierce Brosnan (1995 bis 2002 vier Mal) und schließlich Daniel Craig. Die Welt veränderte sich, aus kleineren Scharmützeln im Kalten Krieg wuchsen existenzielle, weltbedrohende Krisen oder nukleare Bedrohungen, initiiert von immer wieder denselben perfiden Bösewichten mit erheblichem Gaga-Potenzial. Als Blaupause diente dabei stets „Dr. No“, dessen Schema sich als Erfolgsrezept etablierte: Der größenwahnsinnige Schurke, der von einer Geheimbasis die Welt bedroht, die schöne Frau an Bonds Seite, das Gespräch im Büro von „M“und der amüsante Flirt mit Miss Moneypenny.
Doch wie geht es jetzt weiter? Daniel Craig will nicht mehr. Die Idee zu diesem verstörenden Ende soll der Schauspieler Produzentin Barbara Broccoli schon nach der Premiere seines ersten Einsatzes in „Casino Royale“mitgeteilt haben. Genügend Zeit also, um Pläne zu schmieden. Craig wolle „weiterziehen“, hieß es. Mit seinem Filmtod könne er nun nicht mehr gebeten werden, zurückzukommen. Ach was! Seit Bobby Ewings wundersamer Auferstehung unter der Dusche („Es war alles nur ein Traum. Nichts ist passiert“) in „Dallas“ scheinen selbst solche Entscheidungen nicht einmal mehr das Papier wert, auf dem das Drehbuch gedruckt worden ist.
Aber die gebrochene Craig-Figur ist auserzählt. Dann schon eher ein schottischer Stiefbruder oder eine entfernte Cousine aus Montpellier, Backnang oder Harare. Überhaupt, die weibliche Note: in Zeiten, in denen alles diverser sein muss, eine spannende Variante, die durch das Ende in „Keine Zeit zu sterben“neue Nahrung erhielt. Da nahmen sie James seinen Doppel-Null-Status weg und ernannten die Schwarze Britin Lashana Lynch zur neuen 007. Der perfekte Cliffhanger? Kaum, denn Produzentin Broccoli hat diese Möglichkeit eigentlich schon abmoderiert. Sie sei nicht daran interessiert, eine männliche Figur von einer Frau spielen zu lassen, sagte sie. Dann müsste man ja auch noch eine andere Rolle tauschen: Statt eines Bond-Girls bräuchte es einen Bond-Boy ...
Wäre das also geklärt. Bliebe noch die Hautfarbe. Schon lange vor der Demission Craigs hielt sich hartnäckig das Gerücht, der Schwarze Mime Idris Elba („The Suicide Squad“) würde der neue
Bond. Aber inzwischen ist Elba auch schon 50 und gilt mithin als zu alt. Jünger, nicht minder gutaussehend und ebenfalls Schwarz wären der frischgebackene OscarPreisträger Daniel Kaluuya (32, „Judas and the Black Messiah“), Regé-Jean Page (34, „Bridgerton“) oder Lucien Leon Laviscount (30, „Emily in Paris“). Die anderen, eher klassisch-britischen Kandidaten heißen Jamie Bell („Billy Elliot“), Superman-Darsteller Henry Cavill, Tom Hardy („Mad Max“), Richard Madden („Game Of Thrones“) oder Aidan Turner („Poldark“).
Ihr Problem: Sie verfügen alle über eine gewisse Popularität. Für einen Bond-Neustart besetzten die Macher bislang aber stets unverbrauchte Gesichter. Deshalb stehen derzeit zwei ganz oben auf der Casting-Liste, die kaum jemand kennt, die aber smart sind und unverschämt gut aussehen: der 31-jährige Nicholas Hoult und vor allem der aktuelle Top-Favorit Aaron Taylor-Johnson. Dem Vernehmen nach soll er die Produzenten so sehr beeindruckt haben, dass er bereits eine der berühmten Pistolenlaufsequenzen probedrehen durfte.