Diese Frau kann keine Memme sein
Verena Baur-Jöchle gehört in ihrer Altersklasse zu den besten Spielerinnen weltweit. Außerdem ist sie auch als Tennistrainerin und Mutter gut beschäftigt.
Illertissen/Schwendi In der Stube beim TC Illertissen ist es einigermaßen warm, davor liegt Schnee, und es ist eiskalt. Minus drei Grad ungefähr. Nach dem Interview muss noch ein Foto gemacht werden, und es stellt sich bei diesen Temperaturen die Frage: drinnen oder draußen? Für Verena BaurJöchle aus Schwendi ist die Sache klar: draußen natürlich, und zwar im kurzen Tenniskleidchen. „Ich bin keine Memme“, versichert die 31-jährige Frau, die in ihrer Altersklasse zu den weltweit besten Spielerinnen gehört und die seit dem August des vergangenen Jahres bei Kilian Schregle aus Altenstadt trainiert. Wäre Verena Baur-Jöchle empfindlich oder gar wehleidig, dann könnte sie ihr enormes Pensum auch nicht bewältigen.
Zu den besten deutschen Spielerinnen hat sie schon als Jugendliche und in ihrer aktiven Zeit gehört. Nach der Geburt der jetzt sechsjährigen Tochter Luisa hat Verena Baur-Jöchle dann eine sportliche Pause eingelegt, aber jetzt startet sie in der Altersklasse Ü30 wieder richtig durch. Bei der Weltmeisterschaft in Portugal holte die 1,78 Meter große und gertenschlanke Frau im vergangenen Jahr Bronze, für die WM im kommenden März in der Türkei hat Trainer Kilian Schregle das Maximalziel ausgegeben: „Platz eins.“Ganz so forsch formuliert das sein Schützling nicht, aber in der Weltrangliste ganz nach oben, das will Verena Baur-Jöchle schon. Was ein legitimes Ziel ist für eine Sportlerin, die seit dem Halbfinale von Portugal kein Spiel mehr verloren hat und die derzeit auf Position acht in der Welt geführt wird.
Verena Baur-Jöchle stellt selbstbewusst fest: „Ich spiele momentan das beste Tennis meines Lebens.“Dafür steht sie normalerweise täglich mehrere Stunden auf dem dem Platz. Entweder als Nachwuchstrainerin am Stützpunkt
Biberach, als Spitzenspielerin des Regionalligisten TC Waiblingen oder bei den eigenen Übungseinheiten mit dem früheren Bundesligaspieler und Profi Kilian Schregle. Teil des Teams ist auch Schregle junior. Der 20-jährige Philip, der selbst zur Leistungsklasse 2 gehört und für Bad Wörishofen spielt, ist eine Art Sparringspartner für Verena Baur-Jöchle. Die spielt ausgesprochen gerne gegen einen Mann und schwärmt: „Das ist dann ein tolles Niveau, wir haben jede Menge Spaß auf dem Platz, das ist richtig geil.“Und wer gewinnt, wenn mal mitgezählt wird? „Wenn mir der Philipp einen Aufschlag mit 200 Stundenkilometern um die Ohren haut, dann habe ich ein Problem“, sagt Verena Baur-Jöchle: „Aber wenn ich den Ball retournieren kann, dann wird es interessant.“
Ihre Tochter stellt berechtigte Ansprüche an die Mama. Noch hat Luisa zwar auf dem Pferderücken mehr Spaß als auf dem Tennisplatz, aber sie hantiert schon recht geschickt mit einem Kinderschläger und schaut der Mama gerne zu – wenn es nicht allzu zu lange dauert. Das Halbfinale in Portugal im vergangenen Jahr ging über drei Stunden, und irgendwann wurde es Luisa doch langweilig. Für die Ablenkung war Papa Steffen zuständig – Tennis ist eine Familienangelegenheit, Verena Baur-Jöchle ist bei den Turnieren meistens mit Mann und Tochter unterwegs, manchmal kommen die Eltern mit.
Zur erweiterten Familie gehören irgendwie auch Vater und Sohn Schregle. Mit Kilian hat Verena Baur-Jöchle vor einigen Jahren schon trainiert, jetzt also gibt es eine Neuauflage der Zusammenarbeit.
Was genau schätzt die lebhafte, so gut wie immer gut gelaunte und sehr extrovertierte Sportlerin an ihrem in sich ruhenden und ausgeglichenen Trainer? Unter anderem eben dessen Charakter.
Nach etwa 25 Jahren als Tennisspielerin kann Baur-Jöchle sich selbst einschätzen: „Ich kann auf dem Platz richtig zickig und aggressiv sein. Dann holt der Kilian mich wieder runter.“Der kann mit dem Temperament seines Schützlings gut umgehen: „Ich weiß genau, wann ich etwas sagen sollte und wann ich besser ruhig bin. Die Verena macht sowieso nur ein paar ganz kleine Fehler, die kriegen wir so noch kleiner.“An irgendetwas und irgendwem muss es ja liegen, dass Baur-Jöchle derzeit das beste Tennis ihres Lebens spielt. Ganz sicher auch an Kilian und Philip Schregle.