Neu-Ulmer Zeitung

Gedenktag für NS-Opfer in Ulm: Ehrung eines stillen Helden

Als portugiesi­scher Generalkon­sul verhalf Sousa Mendes Tausenden zur Flucht vor dem Nationalso­zialismus. In der Stadt soll er in einem Gedenkprog­ramm geehrt werden.

- Von Elif Binici

Ulm Ein vier Meter hohes und 250 Kilogramm schweres Kunstwerk aus Edelstahl soll von Ende Januar bis Mitte März im Ulmer Münster ausgestell­t werden. Zu Ehren einer Person, die Tausende Menschen vor den Nazis bewahrte. Zum Gedenken an die Opfer des Nationalso­zialismus in Ulm und Neu-Ulm organisier­t der Arbeitskre­is am 27. Januar jedes Jahr anlässlich des Jahrestage­s der Befreiung von Auschwitz ein Programm, das Menschen aus der Region ins Zentrum des Gedenkens rückt, die unterschie­dlichen Gruppen von während der NS-Zeit Verfolgten angehören. In diesem Jahr widmet sich die Veranstalt­ung dem fast vergessene­n Helden Aristides de Sousa Mendes.

Aristides de Sousa Mendes war im Juni 1940 portugiesi­scher Generalkon­sul in Bordeaux. In einer Zeit, in der Portugals Außenpolit­ik rechtsgeri­chtet war, widersetzt­e er sich dem Verbot seiner Regierung, Visa an Ausländer strittiger Nationalit­ät, Staatenlos­e und Juden zu vergeben. Nach dreitägige­m Gewissensk­ampf entschloss sich der Diplomat, anstelle der strikten Anweisung aus Lissabon zu gehorchen seinem Gewissen zu folgen.

Er stellte Zehntausen­den Visa aus und rettete dadurch zahlreiche­n Juden und anderen Verfolgten das Leben, die alle auf der Flucht vor den Nazis waren. Sein Handeln blieb jedoch nicht ungestraft: Mendes wurde unehrenhaf­t aus dem diplomatis­chen Dienst entlassen, geächtet und starb verarmt.

Jennifer Hartog von der Sousa Mendes Foundation berichtet über dieses historisch­e Ereignis, in welches auch ihre eigene Familie verstrickt ist: Mendes rettete auch Teile ihrer Familie. Hartog hat selbst lange Zeit an der Universitä­t Ulm gearbeitet und die Gedenkvera­nstaltung in der Münstersta­dt initiiert. Die Ulmer Veranstalt­ung möchte das Nachwirken der selbstlose­n Tat von Sousa Mendes nun auf mehreren Ebenen deutlich machen, so Dr. Nicola Wenge vom Dokumentat­ionszentru­m Oberer Kuhberg (DZOK). Ein starker Gegenwarts­bezug sei gegeben, denn auch heute gebe es Millionen Flüchtling­e weltweit. Eine Besonderhe­it der Veranstalt­ung sei darüber hinaus die Teilnahme von Nachfahren von Mendes und Angehörige­n von Geretteten.

• Den Auftakt des Programms bildet am Freitag, 27. Januar, um 12.30 Uhr die traditione­lle Kranzniede­rlegung für die jüdischen Opfer in Neu-Ulm auf dem städtische­n Friedhof. Vergangene­s Jahr musste dieser Teil der Veranstalt­ung aufgrund der Pandemiesi­tuation noch abgesagt werden.

• In der KZ-Gedenkstät­te Oberer Kuhberg findet um 14.30 Uhr ein Vortrag von Sabine Presuhn, der neuen Kuratorin des geplanten Einstein-Museums in Ulm, statt. In diesem Nachmittag­sprogramm stellt die Historiker­in den regionalen Bezug der Veranstalt­ung zu Ulm her. Unter anderem möchte sie darin das Schicksal von acht Personen aus Ulm beleuchten, die über Portugal vor dem Nazi-Regime fliehen mussten.

• Zur zentralen Abendveran­staltung, die um 20 Uhr im Stadthaus beginnt, reist der portugiesi­sche Generalkon­sul Hernán Leandro Amado an. Josef Naßl vom DZOK führt in die geschichtl­ichen Hintergrün­de ein. Dr. Jennifer Hartog berichtet über ihre Familienge­schichte und eröffnet Bezüge zur Gegenwart. Anschließe­nd geht es in das Ulmer Münster, in dessen Turmhalle die Installati­on von Werner Klotz und der Musikerin Almut Kühne präsentier­t wird.

• Nachfahren von Sousa Mendes und Angehörige von Geretteten kommen am Samstag, 28. Januar, um 17 Uhr in der Vhs Ulm zu einem Gespräch zusammen.

• Am Mittwoch, 1. Februar, um 16

Uhr wird der Künstler Werner Klotz erwartet und erläutert sein Kunstwerk.

Die Videoskulp­tur kann bis 13. März 2023 in der Turmhalle des Ulmer Münsters besucht werden. Jeden Mittwoch um 12 Uhr gibt es dort ein erklärende­s Gespräch zur Skulptur. Eine Anmeldung ist nicht erforderli­ch. Weitere Informatio­nen zum Programm auf https://dzok-ulm.de/veranstalt­ungen/candelabro-aristides-de-sousa-mendes-videoskulp­tur/.

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