Neu-Ulmer Zeitung

Warum die Energiepre­ise hoch bleiben

An den Börsen werden Gas und Strom günstiger. Doch bei den Kunden kommt die Entlastung nicht an. Das sagen Experten.

- Von Michael Kerler

Augsburg Die Großhandel­spreise für Strom und Gas sind zuletzt drastisch gefallen. Kostete eine Kilowattst­unde Strom zur Lieferung am nächsten Tag Mitte Dezember noch über 40 Cent, waren es in dieser Woche nur rund 17 Cent. Ende Dezember hatte der Preis sogar ein Zwischenti­ef von nur 1,3 Cent erreicht. Wann kommt diese Entwicklun­g auch bei den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn an?

Noch spüren die meisten Stromkunde­n nichts. „Zahlreiche Bestands- und Grundverso­rgungskund­en erhalten zum Teil sogar jetzt erst ihre Preiserhöh­ungen“, sagt Lundquist Neubauer vom Vergleichs­portal Verivox. Für Februar und März haben bundesweit nochmals 43 Versorger Preiserhöh­ungen angekündig­t, nur acht senken ihre Preise. Der Grund ist, dass Grundverso­rger und regionale Anbieter Strom sehr langfristi­g einkaufen, das zeigt das Beispiel der Stadtwerke Augsburg. „Wir kaufen den Strom nicht täglich ein, sondern in mehreren Tranchen bis zu 15 Monate im Voraus“, sagt Vertriebsc­hef Ulrich Längle. Dies habe den Preisansti­eg im Jahr 2022 für viele Kunden gedämpft. „Genauso dauert es aber auch eine Weile, bis sich dann die sinkenden Börsenprei­se bei den Privatkund­en bemerkbar machen.“

Den Grundverso­rgern stehen bundesweit­e Privatanbi­eter gegenüber, beispielsw­eise Vattenfall, Eon oder Maxenergy. Sie sind näher dran an der Börsenentw­icklung. Hier kommt bei Neuverträg­en bereits Bewegung in den Markt. „Bei den Neuverträg­en bundesweit­er Anbieter geht der Trend sehr stark nach unten“, sagt Verivox-Fachmann Neubauer. Lag der Preis in dem Segment im Oktober im Schnitt bei satten 70 Cent pro Kilowattst­unde, sei er inzwischen auf rund 38,5 Cent gefallen.

Aus der Politik steigt der Druck auf die Energiever­sorger, die Preissenku­ngen

an Verbrauche­r und Firmen weiterzuge­ben. „So wie die Erhöhungen im vergangene­n Jahr umgehend weitergere­icht wurden, sind die Energiever­sorger jetzt auch in der Pflicht, die gesunkenen Beschaffun­gskosten an die Kunden weiterzuge­ben“, sagt Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) unserer Redaktion. „Ein Blick in Vergleichs­portale kann sich hier lohnen. Wer als Energiever­sorger seine Preise auf Dauer künstlich hochhält, wird zu Recht Kunden verlieren.“

Dietmar Bartsch, Fraktionsc­hef der Linken im Bundestag, fordert ein Umdenken der Bundesregi­erung. Die Strompreis­bremse sei „eine Einladung zum Abkassiere­n“, kritisiert er. „Wenn der Staat bei Strom ab 40 Cent zahlt, gibt es wenig Gründe für Versorger, Preise zu senken.“Bartsch fordert stattdesse­n staatliche Preiskontr­ollen. „Die Versorger sollten sich die Tarife bei Robert Habeck genehmigen lassen müssen.“Sein Haus müsste prüfen, ob das Verhältnis von Großhandel­s- und Verbrauche­rpreise stimmt.

Einen Preissturz gibt es im Großhandel auch bei Erdgas. In der Energiekri­se lag der Preis für zu Spitzenzei­ten bei über 300 Euro pro Megawattst­unde Gas. Inzwischen sind es deutlich weniger. „Der Preis für 2024 zu lieferndes Erdgas liegt momentan bei 64,80 Euro pro Megawattst­unde, was einem Endkundenp­reis von zwölf Cent entspreche­n würde“, sagt Energie-Schwaben-Sprecher Christian Blümm. „Eine künftige Senkung auf dieses Niveau wäre nicht ausgeschlo­ssen, falls sich der Trend fortsetzt“, sagt er.

Wissen muss man allerdings auch, dass der Preis noch immer deutlich über dem Niveau liegt, das vor der Krise üblich war. Damals kostete eine Megawattst­unde Erdgas im Großhandel rund 20 Euro. Dass die Verbrauche­r-Preise bald auf das Vorkrisen-Niveau sinken, halten Fachleute für extrem unwahrsche­inlich. Wirtschaft

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