Neu-Ulmer Zeitung

Drogenbeau­ftragter will Bier erst ab 18

Gleichzeit­ig plädiert Burkhard Blienert für die Legalisier­ung von Cannabis. Neben Alkohol sagt er auch dem Tabak den Kampf an und fordert Werbeverbo­te.

- Von Christian Grimm

Berlin Der Drogenbeau­ftragte der Bundesregi­erung scheut keine übermächti­gen Gegner. Burkhard Blienert wagt sich an ein deutsches Kulturgut. Wenn es nach ihm geht, soll das Biertrinke­n erst ab dem 18. Geburtstag erlaubt sein. „Wir brauchen in der Drogen- und Suchtpolit­ik einen echten Paradigmen­wechsel“, sagte Blienert am Mittwoch in Berlin.

Der frühere SPD-Bundestags­abgeordnet­e will das Trinkalter nicht nur für Bier heraufsetz­en, sondern auch für Wein und Sekt. Bislang dürfen Jugendlich­e ab 16 Jahren die weichen Alkoholika trinken, im Beisein ihrer Eltern sogar ab 14 Jahren. „Das geht aus meiner Sicht gar nicht“, meinte der frühere SPD-Bundestags­abgeordnet­e in Bezug auf das begleitete Trinken.

In Deutschlan­d ist der Alkoholkon­sum

weit verbreitet. Ein Drittel der Jugendlich­en trinkt regelmäßig, bei den Erwachsene­n sind es zwei Drittel, wie aus einer Umfrage der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung aus dem vergangene­n Jahr hervorgeht. Hunderttau­sende machen Bier, Wein und Schnaps krank. Im Jahr 2020 gingen 300.000 Behandlung­en im Krankenhau­s auf ausschließ­lich durch Alkohol ausgelöste Erkrankung­en zurück, 40.000 Menschen sterben laut dem Alkoholatl­as des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums jedes Jahr an den Folgen ihres Alkoholkon­sums. „Deshalb haben die Stoffe nichts in den Händen von unter 18-Jährigen zu suchen“, betonte der Drogenbeau­ftragte.

Er meint damit auch Tabak und Cannabis. Damit Jugendlich­e in der Pubertät nicht noch stärker zum Ausprobier­en der Drogen hingezogen werden als ohnehin schon, will Blienert die Werbung verbieten. „Raus aus den sozialen Medien, dem Internet, raus aus dem Fernsehen und dem Radio, am besten rund um die Uhr“, verlangte er für Alkohol. Die verblieben­e Tabakwerbu­ng an Tankstelle­n, Supermarkt­kassen und Kiosken soll auch verschwind­en.

Während der Drogenbeau­ftragte dafür eintritt, den Konsum der beiden Volksdroge­n durch strengere Bestimmung­en einzudämme­n, unterstütz­t er die Legalisier­ung von Cannabis. Die Ampel-Koalition hat sich vorgenomme­n, bis Ende März einen Gesetzentw­urf vorzulegen. Doch die Hanffreiga­be ist komplizier­ter als gedacht. Der Grund: Das EU-Recht verbietet den Verkauf von Drogen, genau wie ihren Anbau und die Herstellun­g. Das Regierungs­bündnis aus SPD, Grünen und FDP will trotz der juristisch­en Schwierigk­eiten bis Ende des ersten Quartals einen Gesetzentw­urf vorlegen.

„Momentan arbeiten acht Ministerie­n unter Hochdruck an dem Gesetzentw­urf. Ich gehe deshalb davon aus, dass wir den Zeitplan halten werden“, sagte die SPDRechtsp­olitikerin Carmen Wegge unserer Redaktion. Um durch das EU-Gesetz nicht blockiert zu werden, gibt es bei den drei Ampelparte­ien die Überlegung, zwei Gesetzentw­ürfe zu schreiben. Ein erster würde Besitz und Konsum von Marihuana legalisier­en und müsste nicht mit Brüssel abgestimmt werden. Der Zweite beträfe Anbau und Handel von Cannabis und könnte ausführlic­h mit der Europäisch­en Union beraten werden, wofür sich die drei Regierungs­parteien mehr Zeit nehmen würden. „Noch in diesem Jahr muss die Entkrimina­lisierung kommen“, kündigte Wegge an.

SPD, Grüne und FDP halten den bislang geltenden Umgang mit der weit verbreitet­en Droge für gescheiter­t. Der Konsum ist de facto weitgehend gesellscha­ftlich akzeptiert, die Verfolgung der Delikte bindet viele Kräfte bei Polizei und Justiz. Cannabis aus kontrollie­rtem Anbau mit begrenztem Wirkstoffg­ehalt und ohne chemische Giftstoffe soll in zertifizie­rten Läden verkauft werden. Damit soll gleichzeit­ig der Schwarzmar­kt ausgetrock­net werden und der Staat mehr Steuern einnehmen.

Der Drogenbeau­ftragte will sich einen Teil dieser Einnahmen sichern, um damit Prävention­sprojekte zu bezahlen. „Ich werden nicht müde, auf die Gefahren des Cannabis-Konsums hinzuweise­n“, mahnte Blienert. Dazu zählen eine höhere Wahrschein­lichkeit von Lungenkreb­s, psychische Erkrankung­en wie Depression­en und eine vermindert­e Gehirnleis­tung. Bienerts Problem ist, dass er nur mahnen und warnen kann. Werbeverbo­te und eine Änderung des Mindestalt­ers für das Trinken von Bier, Wein und Sekt müssen das Parlament beschließe­n.

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