EU will mehr Migranten abschieben
Umstritten ist, wie das gelingen soll
Stockholm Die Europäische Union unternimmt einen neuen Anlauf, damit mehr ausreisepflichtige Ausländer in ihre Heimat abgeschoben werden. „Wir haben eine sehr niedrige Rückführungsquote und ich sehe, dass wir hier erhebliche Fortschritte machen können“, sagte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson am Donnerstag bei einem Treffen mit den EU-Innenministern in Stockholm. Umstritten ist allerdings, wie viel Druck die EU auf Herkunftsländer ausüben sollte, mit denen die Zusammenarbeit schwierig ist, und wie sehr andererseits Anreize für Zusammenarbeit geschaffen werden sollten.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach sich dagegen aus, die EU-Visapolitik offensiv als Druckmittel zu verwenden. Andere Länder forderten dagegen, den sogenannten Visa-Hebel häufiger zu nutzen. Die EU versucht schon seit Jahren, mehr Ausländer ohne Bleiberecht abzuschieben, kommt aber kaum voran. 2021 befand der Europäische Rechnungshof, das bestehende System sei in hohem Maße ineffizient und bewirke „das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub.“
In Zahlen sieht das so aus: 2019 lag die Quote ausreisepflichtiger Menschen, die die EU tatsächlich verließen, bei 29 Prozent. 2021 waren es – wohl auch coronabedingt – nur 21 Prozent. Dabei hatte die EUKommission noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen.
Auch die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP kündigte im Koalitionsvertrag eine „Rückführungsoffensive“an. Mehr Rückführungen wären aus Sicht vieler EU-Staaten auch deshalb wichtig, weil die Asylsysteme vieler Länder völlig überlastet sind. Die Zahl der Asylanträge stieg im vergangenen Jahr um fast 50 Prozent auf 924.000. Hinzu kommen die rund vier Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die in der EU kein Asyl beantragen müssen. Die politische Verantwortung dafür, dass Deutschland beim Thema Abschiebungen vorankommt, teilt Bundesinnenministerin Faeser bald mit dem neuen Sonderbevollmächtigten für Migrationsfragen, Joachim Stamp (FDP). Der frühere NRW-Integrationsminister tritt sein Amt am 1. Februar an. (dpa)