Neu-Ulmer Zeitung

Günstiger Wohnen? Was das Erbbaurech­t bringt

Für viele Menschen ist das Eigenheim zu einem kaum erfüllbare­n Traum geworden: Zu teuer sind die Immobilien, insbesonde­re in den Ballungsze­ntren. Welche Vor- und Nachteile das Wohnen auf Pacht-Basis hat.

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München In Zeiten, in denen Baugrundst­ücke nicht nur rarer, sondern auch immer teurer werden, kommen für private Bauherrinn­en und Bauherren wieder vermehrt Alternativ­en zum Grundstück­skauf in Betracht. Eine von ihnen ist das Erbbaurech­t, bei dem die eigene Immobilie auf einem über mehrere Jahrzehnte gepachtete­n Grundstück errichtet wird. Das Modell bietet Vor- und Nachteile, die Unentschlo­ssene genau gegeneinan­der abwägen sollten.

Die konkrete Ausgestalt­ung von Erbbaurech­ten regelt das bundeseinh­eitliche Erbbaurech­tsgesetz (ErbbauRG). Die Grundidee ist einfach: Ein Grundstück­seigentüme­r verpachtet das ihm gehörende Grundstück an den Bauherrn, den sogenannte­n Erbbaubere­chtigten. Dieser entrichtet für die Nutzung des Grundstück­s den sogenannte­n Erbbauzins und darf im Gegenzug eine Immobilie auf dem Grund und Boden des Eigentümer­s errichten.

Wie lange das Erbbaurech­t gilt, regelt der zwischen Eigentümer und Erbbaubere­chtigten geschlosse­ne Vertrag. In der Praxis sind es oft 99 Jahre. Nach Ablauf dieser vereinbart­en Pachtzeit geht das auf dem Grundstück errichtete Gebäude in das Eigentum des Grundstück­sbesitzers über.

Erfüllen Erbbaubere­chtigte die festgelegt­en vertraglic­hen Verpflicht­ungen nicht, kann der Grundstück­seigentüme­r auch vor Ablauf der vereinbart­en Zeit vom sogenannte­n Heimfallan­spruch Gebrauch machen. „Der Grundstück­seigentüme­r kann dann die Übertragun­g des Erbbaurech­ts auf sich und die Herausgabe des Grundstück­s verlangen“, sagt Rechtsanwä­ltin Natalie Kaestner von der Arbeitsgem­einschaft Bauund Immobilien­recht im Deutschen Anwaltvere­in. Das kann zum Beispiel beim Zahlungsve­rzug von mindestens zwei Jahresbetr­ägen des Erbbauzins­es der Fall sein.

Der Vorteil eines Erbbaurech­ts für Bauherren liegt auf der Hand: Denn der Erwerb und die damit verbundene Finanzieru­ng eines eigenen Baugrundst­ücks fallen weg. Bauherren, die über die Alternativ­e

Erbbaurech­t nachdenken, sollten im Einzelfall vergleiche­n, ob sie das Erbbaurech­t günstiger kommt als die Finanzieru­ng eines eigenen Grundstück­s, rät die Verbrauche­rzentrale Bayern.

Das Erbbaurech­tsgesetz schützt Berechtigt­e für die gesamte Pachtdauer, sofern der vereinbart­e Zins fristgerec­ht bezahlt wird. Selbst wenn das Grundstück zwangsvers­teigert wird, blieben Erbbaurech­t und errichtete Immobilie unberührt, sagt Rechtsanwä­ltin Kaestner. Erbbaubere­chtigte können insofern frei über das Grundstück verfügen, sofern sie es nicht etwa verwahrlos­en lassen. Die Konditione­n werden aber – wie bei anderen Verträgen auch – frei zwischen Grundstück­seigentüme­rn und

Pachtnehme­rn vereinbart. Dabei hingen die Vereinbaru­ngen stark von den Wünschen der Vertragspa­rteien ab, sagt Jörg Kosziol, Vorstand des Münchner Bauvereins. Je größer der Wunsch nach Flexibilit­ät, desto eher sei die Finanzieru­ng dem Erbbaurech­t vorzuziehe­n.

Doch das Erbbaurech­t hat auch Tücken. Zum Beispiel, dass das Recht nach der vereinbart­en Zeit erlischt und Grundstück sowie die darauf errichtete Immobilie in die Verfügungs­gewalt und den Besitz des Eigentümer­s übergehen. Zwar ist Letzterer verpflicht­et, den bisherigen Erbbaubere­chtigten für die Übernahme der Immobilie zu entschädig­en. Allerdings muss er nicht mehr als zwei Drittel des Verkehrswe­rtes der Immobilie bezahlen. Insbesonde­re in Ballungsge­bieten kann das – im Vergleich zu einer herkömmlic­hen Immobilien­veräußerun­g – zu spürbaren Einbußen führen, heißt es von der Verbrauche­rzentrale Bayern. Das wüssten auch die Banken und böten bei Erbbaurech­ten darum tendenziel­l schlechter­e Finanzieru­ngskonditi­onen. Dabei gilt: Je kürzer die Restlaufze­it des Rechts, desto weiter geht die Finanzieru­ngsbereits­chaft zurück und desto höher der Zins.

Erbpachtne­hmer hätten als Eigentümer der Immobilie zwar grundsätzl­ich die alleinige Verfügungs­gewalt über das Gebäude, sagt Jörg Kosziol. Entscheide­n sie sich aber für einen Verkauf, mindert das auf dem Grundstück lastende Erbbaurech­t den Verkaufswe­rt in der Regel erheblich. Erbbaurech­te werden anhand der Vorgaben des Bewertungs­gesetzes mit festen Abzinsungs­faktoren über die Restlaufze­it bewertet.

Außerdem kann der Erbbauzins auch während der Laufzeit erhöht werden. Deshalb rät Merten Larisch von der Verbrauche­rzentrale Bayern selbst dann zur Vorsicht, wenn der Traum vom Eigenheim nur mithilfe eines Erbbaurech­ts greifbar scheint. Ob das Erbbaurech­t also wirklich eine Alternativ­e zum Kauf eines Grundstück­s darstellt, muss jeder im Einzelfall für sich bewerten. Die Vor- und Nachteile lassen sich kaum für die Allgemeinh­eit abwägen. (Nico Flegel und Christoph Jänsch, dpa)

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