Europameisterschaft im Blick
Nach dem WM-Aus ist für Deutschlands Handballer das Ziel: 2024 soll es Medaillen geben. Gegen Frankreich wird die fehlende Qualität zum Thema – und die Personalie Hendrik Pekeler.
Danzig Um kurz nach acht verlässt die deutsche Handball-Nationalmannschaft am Donnerstagmorgen ihr Quartier in Danzig. Das neue Ziel heißt Stockholm, wo die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason am Freitag eigentlich das WM-Halbfinale gegen Gastgeber Schweden bestreiten wollte. Nun aber heißt der Gegner Ägypten (15.30, ARD). Am Sonntag (Uhrzeit und Gegner offen) steht noch eine weitere Partie an. Es geht um Platz fünf, mit dem die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) nachweisen will, zur „erweiterten Weltspitze“zu gehören, wie es Torwart Andreas Wolff nennt. „Die Mannschaft ist nicht am Limit. Wir haben die Hoffnung, das zu entwickeln“, gibt sich DHB-Sportvorstand Axel Kromer zuversichtlich.
Zwei Siege zum WM-Abschluss würden die Wahrscheinlichkeit erhöhen, bei einem Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele 2024 ein Heimrecht zu genießen. Wobei das Thema beim DHB nach der am Ende deutlichen 28:35-Viertelfinalniederlage gegen Frankreich nicht Olympia in Paris ist.
Es geht wesentlich mehr um die Heim-EM in genau zwölf Monaten und die Frage, ob diese Mannschaft dann um Medaillen spielen kann. Denn das soll sie. Aber: Ist dieses Ziel in dieser Konstellation realistisch? Oder sind die Erfolgsaussichten mit einem Rückkehrer größer? Die Debatte läuft längst. Und zwar um einen, der gerade gar nicht dabei ist: Hendrik Pekeler.
Der Weltklasse-Kreisläufer des THW Kiel hatte wenige Stunden vor dem Spiel gegen Frankreich angedeutet, dass er sich eine Rückkehr ins Nationalteam vorstellen kann. Seit 2021 pausiert der 31-Jährige in der DHB-Auswahl, weil ihm die Belastung zu groß war und ihm gesundheitliche Beschwerden zu schaffen machten. Bundestrainer Gislason hält ihm seitdem die Tür in die Nationalmannschaft nicht nur offen, sondern rollt davor auch noch einen roten Teppich aus. Er wiederholt seinen Wunsch nach einem Pekeler-Comeback immer und immer wieder. Seine Worte wirken bisweilen flehend, ja, sogar beschwörend. So ganz nach dem Motto: Wenn ich oft genug darum bitte, dann wird der Wunsch zur Wirklichkeit.
Es verwundert daher kaum, dass Gislason auch nach der ernüchternden Niederlage gegen Frankreich nicht nur erneut die Tür öffnet und einen ganz langen roten Teppich von Danzig bis nach Kiel ausrollt, sondern Pekelers Qualitäten ausdrücklich lobt. Dessen Bereitschaft für ein Comeback sei „natürlich“ein gutes Signal, denn auch bei dieser WM seien „die Probleme in unserer Abwehr nicht zu übersehen. Wir haben mit Johannes Golla und Jannik Kohlbacher sehr, sehr tolle Kreisläufer. Aber nur einer (Golla: Anmerkung der Redaktion) spielt im Innenblock.“Also im Deckungszentrum, dem defensiven Herzstück jeder Mannschaft und damit in genau jenem Teil des Teams, in dem nicht immer über Siege, aber langfristig über Medaillen entschieden wird. Und die wollen die Deutschen ja gewinnen, weshalb Gislason weiter um Pekeler wirbt.
Der ehemalige Kreisläufer der Rhein-Neckar Löwen sei einer der „Weltbesten in Abwehr und Angriff“. Und außerdem, stellt der Bundestrainer heraus, habe sich sein ehemaliger Schützling aus gemeinsamen Kieler Zeiten ohnehin nie definitiv aus dem Nationalteam verabschiedet, sondern nur eine Pause gemacht und sich dann verletzt. Pekeler müsse nun entscheiden, ob er sich eine Rückkehr zutraue. Gislason hofft darauf. „Ja, natürlich.“Auch weil der Isländer den Unterschied am Mittwoch im Viertelfinale vor Augen geführt bekommt. Auf unterschiedliche Art und Weise.
Julian Köster hätte er gewiss gerne vermehrt in der Offensive eingesetzt, da auf der halblinken Position einmal mehr keine Impulse von Philipp Weber ausgingen. Nur habe die Kraft bei Köster für den Angriff nicht gereicht, weil der Gummersbacher in der „Abwehr so viel geackert hat“. Einer wie Pekeler hätte Köster also in der Defensive entlasten können. „Uns fehlt Breite, insbesondere in der Abwehr“, moniert Gislason, der seinen „Jungs“zwar „ein sehr gutes Turnier“attestiert, aber auch feststellt, dass gegen Frankreich nach 40 Minuten „bei einigen die Batterien ausgingen“. Weil sie im ganzen Turnier viel spielen mussten. Es fehlten die Alternativen, was zu einer zweiten Diskussionsebene führt.
Es geht um die Kadertiefe. Und zwar auch im Rückraum, wo mit Ausnahme von Spielmacher Juri Knorr fast niemand auf höherem Niveau abliefert. Vielleicht könnte Köster das, aber er wird in der Abwehr gebraucht. Ein Teufelskreis mit Folgen: Denn wenige mussten in Vor-und Hauptrunde viel leisten, weshalb gegen Frankreich laut Gislason „der eine oder andere, der viel gespielt hat, schon ziemlich leer war.“