Neu-Ulmer Zeitung

Posen vor dem Putin-Bild

Novak Djokovic sorgte vor einem Jahr mit einer Visumsposs­e für viel Wirbel in Australien. Nun fällt sein Vater Srdjan mit einem bizarren Auftritt aus der Rolle – nicht zum ersten Mal.

- Von Jörg Allmeroth

Melbourne Die letzte Machtdemon­stration von Novak Djokovic in der Rod Laver Arena war Mittwochna­cht gerade vorüber, da machte der Nummer-eins-Spieler den üblichen Small Talk mit Promibefra­ger Jim Courier. Es war die gewohnt lässige Plauderei eines Mannes, den auf dem Weg zum zehnten Titel bei den Australian Open offenbar nichts und niemand zu bremsen scheint – auch nicht sein überforder­ter russischer Viertelfin­alRivale Andrej Rublev. Djokovic witzelte auf dem Centre-Court über Rentner Roger Federer und dessen Ausflug zur Pariser ModeShow. Später bot er dem pensionier­ten Schweizer, der dieser Tage auch ein Comeback-Video auf Skiern gepostet hatte, noch einen freundscha­ftlichen Wettbewerb im Schnee an.

Draußen allerdings, vor den Toren des Hauptstadi­ons des GrandSlam-Turniers Down Under, braute sich Unheil zusammen für den Frontmann des Welttennis. Denn ein unwillkomm­ener Zwischenfa­ll mit russischen Tennisfans, der bald auf diversen Videoaufna­hmen zu sehen war, erhielt durch die Präsenz eines bekannten Gesichts eine besondere Brisanz und Note: Srdjan Djokovic, der Vater des 21-maligen Grand-Slam-Champions, war zu erkennen inmitten der aufgeheizt­en Meute, die serbische und streng verbotene russische Fahnen schwenkte. Schließlic­h posierte Djokovic senior auch noch vor einer Flagge mit dem Konterfei von Russlands Präsident Putin und verabschie­dete sich angeblich von dem Trupp mit den Worten: „Lang lebe Russland.“Zu beobachten war auch überdeutli­ch ein Grand-SlamGast, auf dessen T-Shirt ein markantes „Z“aufgedruck­t war, das weithin bekannte Symbol des russischen Angriffskr­ieges.

Alles an den Bildern war verstörend für den sogenannte­n „Happy Slam“im National Tennis Center – die Schlampere­i des Sicherheit­spersonals, das nicht entschloss­en gegen die verbotene Zurschaust­ellung der russischen Fahnen vorging. Die Anwesenhei­t von Vater Djokovic bei diesem Grand-SlamEklat, der offenbar unter Mitwirkung eines australisc­hen Ablegers der „Nachtwölfe“zustande kam, eines Motorrad- und Rockerclub­s mit engen Beziehunge­n zu Moskaus Machthaber Putin. Und schließlic­h auch die lange Zeit laue Reaktion der Australian-Open-Verantwort­lichen, die anfangs bloß von einem Vorfall sprachen, bei dem vier Personen „unangemess­ene Flaggen und Symbole“gezeigt hätten. Nach einer öffentlich­keitswirks­amen Interventi­on der ukrainisch­en Botschaft erst legten Tennis Australia und Turnierboß Craig Tiley aufgeschre­ckt nach. Spieler und ihre Teams seien an die Regularien bezüglich Flaggen und Symbole erinnert worden, hieß es da. Und: Es gelte, jede Situation zu vermeiden, „die das Potenzial hat, zu stören.“Wer sich angesproch­en fühlen durfte, war klar.

Die Affäre um seinen ohnehin nicht gerade konfliktsc­heuen Vater dürfte Djokovic auf der GrandSlam-Zielgerade­n mehr als ungelegen kommen – bei einem Turnier, das trotz aller sportliche­n Erfolgsbil­anz nicht ohne Schlagzeil­endonner für ihn verlief. Seit Australian­Open-Beginn sieht sich der 35-jährige Serbe Verdächtig­ungen ausgesetzt, er trickse mit der Schwere seiner Oberschenk­elverletzu­ng. „Wenn andere Spieler verletzt sind, sind sie die Opfer. Wenn ich verletzt bin, täusche ich etwas vor“, beklagte sich der Weltrangli­stenErste zuletzt. Ärger gab es auch um eine angeblich von seiner Entourage zu ihm auf den Platz geschmugge­lte Botschaft auf einem Zettel. Er wirke „sehr angespannt“, befand Djokovics früherer Coach Boris Becker, auch mit Blick auf die diversen Scharmütze­l, die sich der Djoker mit Fans in der Laver-Arena lieferte. Betrunkene Zuschauer, die ihn verbal attackiert­en, hatte der Belgrader allerdings zu Recht aus dem Stadion hinauskomp­limentiere­n lassen. Das Theater um Djokovics Familie taucht nun nicht aus heiterem Himmel auf. Denn seit vielen Jahren gerät vor allem Papa Srdjan immer wieder mit schrillen Äußerungen in die Schlagzeil­en, gegen Gegner von Novak Djokovic, aber erst recht in den Irrungen und Wirrungen der Corona-Ära im Welttennis.

Als Sohn Novak im vergangene­n Jahr in Melbourne wegen eines ungültigen Visums abgeschobe­n werden sollte, steuerte sein 62-jähriger Vater von Serbien aus den globalen Protestcho­r. Der Westen saß dabei für ihn aufs Neue auf der Anklageban­k, große Liebe schlage seinem Sohn abseits von Serbien dagegen „nur in Russland und China entgegen.“Novak sitze zwar in australisc­her Gefangensc­haft, verkündete er auch, „ist aber nie freier gewesen“. „Er ist der Spartakus der neuen Welt, die keine Ungerechti­gkeit, keinen Kolonialis­mus und keine Heuchelei duldet.“Schließlic­h verglich er die Behandlung seines Sohnes im Zuge der Visumsposs­e noch mit der Kreuzigung Jesu: „Sie versuchen ihm auch alles Mögliche anzutun.“

Sohn Novak gilt den Djokovics selbst als Auserwählt­er, als gottgleich­er Held, der auch für Serbien und die „Meinungsfr­eiheit für unser Land“agiere, so Vater Srdjan. Bruder Djordje zitierte letztes Jahr einmal aus einem Gespräch mit dem Nummer-eins-Spieler, als der im Kampf mit den australisc­hen Behörden um seine Einreise stand: „Er hat mir gesagt, dass er geistliche­n Segen hat. Gott sieht alles.“

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