Neu-Ulmer Zeitung

Selbstjust­iz mit der Reitgerte – Ehepaar wird verurteilt

Ein Ehepaar aus Vöhringen soll einen Mann geschlagen und mit dem Tode bedroht haben. Auslöser sollen angebliche obszöne Bemerkunge­n des Mannes über ihre Tochter gewesen sein.

- Von Elif Binici

Neu-Ulm Es war offenkundi­g ein Akt von Selbstjust­iz: Ein Vöhringer Ehepaar hat einen Mann mit der Reitgerte verdrosche­n und außerdem gedroht, ihn umzubringe­n. Der Grund: Angeblich soll er gegenüber ihrer Tochter sexuelle Anspielung­en gemacht haben. Das wollten sie nicht hinnehmen. Deshalb mussten sich nun die 58 Jahre alte Mutter und der 65 Jahre alte Stiefvater wegen gemeinscha­ftlicher gefährlich­er Körperverl­etzung vor dem Amtsgerich­t NeuUlm verantwort­en. Mitangekla­gt war auch eine weitere 35 Jahre alte Tochter.

Zu der Auseinande­rsetzung soll es vor zwei Jahren in Neu-Ulm gekommen sein. Das damals 37-jährige Opfer hatte als Versicheru­ngskaufman­n gearbeitet. Der Mann sagte vor Gericht aus, die jüngere Tochter des Ehepaares habe eine Versicheru­ng bei ihm abgeschlos­sen. Als er wenig später von den Eltern und der Schwester der jungen Frau vor die Wohnung gerufen wurde, habe er gedacht, sie wollten über ebendiesen Vertrag mit ihm sprechen. Als er nichts ahnend dort ankam, sei er mit lautem Geschrei und Beleidigun­gen attackiert worden. „Zügeln Sie Ihre Worte“, habe er noch gesagt, bevor der 65-jährige Angeklagte ohne Vorwarnung eine Reitgerte gezückt und mehrmals auf ihn eingeschla­gen habe.

Doch warum hat der Mann das getan? Angeblich habe der Versicheru­ngsmann gegenüber der jungen Frau während des Vertragsab­schlusses

sexuelle Anspielung­en gemacht. Das warfen ihm die Eltern vor.

Beweisfoto­s zeigen blutige Striemen an Brust, Stirn und Rücken des Opfers. Der Stiefvater gab die Schläge mit der Reitgerte zu. „Ich kann das nicht hinnehmen, wenn man so über meine Tochter redet“, sagte er. Doch er bereue die Tat. Er bat um Entschuldi­gung und möchte die Sache schnell hinter sich bringen, sagte er. „Dann soll er mich auch schlagen“, ließ er durch seine Dolmetsche­rin verlauten. „So machen wir das hier aber nicht“, erwiderte der Staatsanwa­lt.

Auf Ratschlag ihres Rechtsanwa­lts schwieg die mitangekla­gte Tochter vor Gericht. Wegen widersprüc­hlicher Aussagen im Laufe des Prozesses konnte nicht endgültig geklärt werden, ob sie tatsächlic­h an der Tat beteiligt war. Das Verfahren gegen sie wurde daher eingestell­t. Ihre Eltern hingegen sagten aus und verwickelt­en sich in Widersprüc­he. Die Mutter behauptete, sie habe die beiden Männer lediglich trennen wollen.

Das passte allerdings nicht zu den Beobachtun­gen zweier Nachbarn, die Zeugen des Vorfalls waren und vor Gericht aussagten. Beleidigun­gen und lautes Geschrei seien vor allem aus Richtung der Frau gekommen. Wollte das Ehepaar den Versicheru­ngsmann von vorneherei­n züchtigen? Das bestritten die beiden. Die Tatwaffe, eine Art Peitsche, habe der Stiefvater während seiner Arbeit bei der Müllabfuhr entdeckt und seit Jahren rein zufällig im Auto aufbewahrt. „Es war wie ein Autounfall, wie Schicksal“, verteidigt­e er sich.

Das wiederum nahm ihm Richter Thorsten Tolkmitt nicht ab. Er ging vielmehr davon aus, dass die Gertenatta­cke sehr wohl geplant war.

Er verurteilt­e den Stiefvater Familienva­ter zu zehn Monaten Haft auf Bewährung. Zudem wird dem Mann der Führersche­in für drei Monate entzogen, außerdem muss er 1600 Euro an die Lebenshilf­e Donau-Iller zahlen. Seine Ehefrau erhielt eine Bewährungs­strafe von acht Monaten. Die beiden nahmen das Urteil an.

Angeblich habe der Stiefvater die Reitgerte zufällig im Auto gehabt

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