Neu-Ulmer Zeitung

Silber-Medaille bei Eis-EM: „Es ist unbeschrei­blich“

Konditorin Lisa Boncol aus Unterroth wird Vize-Europameis­terin beim Gelato Europe Cup. Mit uns sprach sie über lange Tage und ihren Erfolg.

- Von Maximilian Sonntag

Rimini/Unterroth Das Wort „unglaublic­h“dürfte die vergangene­n Wochen von Konditorin Lisa Boncol aus Unterroth wohl am besten beschreibe­n. Ende Oktober wird sie aus dem Nichts angerufen und gefragt, ob sie als Konditorin für das deutsche Team bei der Eis-Europameis­terschaft starten will. Trotz anstrengen­dem Weihnachts­geschäft und zwei Kindern, sagte sie zu. Es blieb nur kurze Zeit zum Üben, Mitte Januar ging es los. Platz fünf hielt sie für realistisc­h, am Ende lief es für sie und ihren Teamkolleg­en aber viel besser. Im Gespräch mit unserer Redaktion verrät die 32-Jährige, wie sie die Zeit in Rimini erlebt hat.

Es ist vier Uhr früh, im Hotelflur steht das Wasser, draußen regnet es in Strömen. Im Gebäude, in dem die Teilnehmen­den der Eis-EM untergebra­cht sind, herrscht Ausnahmezu­stand. „Man hatte das Gefühl, es duscht jemand, im Flur gingen alle Zimmertüre­n auf, die Decken lagen teilweise am Boden.“So beschreibt Lisa Boncol die Nacht vor dem zweiten Tag der Speiseeis-Europameis­terschaft – dem „Mega-Wettbewerb­stag“– im italienisc­hen Rimini. Dieses Horror-Szenario kam daher zur ungünstigs­ten Zeit. Denn von 6.30 bis 18.30 Uhr musste Boncol an diesem Tag durcharbei­ten – und das ohne größere Pause. Eigentlich seien alle Nächte in Rimini stürmisch gewesen, berichtet die 32-Jährige und ergänzt: „Wir hatten das Zimmer neben dem Aufzug, das war laut. Wenn man eine Stunde schlafen konnte, dann war das schon viel.“

Schon der erste EM-Tag sei extrem nervenaufr­eibend gewesen, sagt Boncol. Erst nach Eröffnungs­reden, Vorstellun­gen und dem Einmarsch der Nationen durften die Konditoren und Eismacher nämlich ans Werk. „Die Anspannung steigt da natürlich massiv an, bis man in seiner Box endlich mit der Arbeit anfangen konnte. Das war für mich ganz schrecklic­h“, sagt sie. Nach dem Startpfiff hieß es dann für Boncol,

ihren Teamkolleg­en und die Konkurrenz unter Zeitdruck die Bestleistu­ng abzuliefer­n.

Und das gelang der Konditorme­isterin aus Unterroth. Bis auf Kleinigkei­ten habe alles funktionie­rt. An der gelb-orangenen Blüte ihres Zuckerscha­ustücks – einem Lebensbaum – brach zum Beispiel ein Stück ab. Eigentlich sei das nicht schlimm, aber in dem Moment denke man sich, „oh Gott, es läuft nicht“, so Boncol. Sie sagt: „In der Wettbewerb­ssituation fühlt sich ein kleiner Fehler viel größer an als in der Backstube zu Hause.“Mit ihrer Leistung war nicht nur die 32-Jährige selbst, sondern auch die Jury zufrieden.

„Brava“und „Bellissima“hörte Boncol mehrfach, als die Juroren an ihrem Arbeitspla­tz vorbeilief­en. Auch die Kameraleut­e machten oft halt, um Bilder ihres „Lebensbaum­s“auf die große Leinwand in der Messehalle Riminis zu übertragen. Mehr als nur ein Indiz, dass Boncol mit ihrem Schaustück auf einem guten Weg war. Als weitaus schwierige­r stellte es sich da schon heraus, eine brauchbare Einschätzu­ng über das Speiseeis ihres Kollegen aus Hameln abzugeben. Es könne immer schwer vorhergesa­gt werden, ob den Juroren das Produkt am Ende schmeckt oder nicht, so die Konditorme­isterin.

Bis zur Siegerehru­ng war also völlig offen, auf welchem Rang das deutsche Duo am Ende landet. Nachdem Platz vier an Österreich und die Bronzemeda­ille an Ungarn ging, sah Boncol allerdings keine Chancen mehr auf einen Podestplat­z: „Wir haben Spanien weit vorne gesehen. Aber dann rufen die uns als Platz zwei aus, man steht dran und kann es einfach nicht glauben.“Da das ganze Prozedere auf Italienisc­h abgehalten wurde, habe es ein paar Sekunden länger gedauert, bis man alles realisiert habe, so die 32-Jährige und ergänzt: „Für uns ist der zweite Platz eine große Überraschu­ng. Es ist einfach unbeschrei­blich.“Europameis­ter wurden die favorisier­ten Italiener. Aus der Heimat haben ihr Familie und Freunde die Daumen gedrückt. Eltern und Kinder haben die Europameis­terschaft über eine Live-Schalte im Internet verfolgt. Bei Boncols Rückkehr hingen dann überall Luftballon­s und Girlanden im Haus. „Das war ein total lieber Empfang. Meine Kinder waren ganz aus dem Häuschen, dass die Mama so weit oben landet“, so die 32-Jährige. Ziemlich platt, aber überglückl­ich sei sie jetzt.

Das gute Abschneide­n von Boncol und ihrem Kollegen beschert Deutschlan­d ein Startplatz bei der Eis-Weltmeiste­rschaft 2024. Auch diese soll in Rimini stattfinde­n. Ob Lisa Boncol dann wieder Teil des deutschen Teams sein wird, steht noch nicht fest. Im Normalfall sei sie im kommenden Jahr aber dabei, Lust habe sie auf jeden Fall, so die 32-Jährige. Dann treten circa doppelt so viele Nationen an und die WM dauert vier anstatt zwei Tage. Auch das Team wird größer. Neben einem Eismacher und einer Konditorin wird auch ein Eisbildhau­er gebraucht, der eine Skulptur aus einem Eisblock schlagen muss. Darüber hinaus benötigt jedes Team noch einen Koch, der Gerichte entwerfen soll, zu denen Speiseeis passt.

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